Jedes Jahr erkranken deutschlandweit etwa 1.500 Kinder unter 16 Jahren an einer Juvenilen Idiopatischen Arthritis, der häufigsten entzündlichen Gelenkerkrankung im frühen Kindes- und Jugendalter. Die chronische Erkrankung, deren Ursache nicht geklärt ist, gleicht ihrem Verlauf dem der rheumatoiden Arthritis bei Erwachsenen. Vermutlich führt eine ererbte Veranlagung in Verbindung mit äußeren Faktoren zu einer so genannten Autoimmunreaktion, bei der das Immunsystem körpereigenes Gewebe mit Infektionserregern wie Bakterien oder Viren verwechselt und es bekämpft. Solche Entzündungen können sich fast überall im Körper abspielen.
Häufig sind Kiefergelenke betroffen
Aus kieferorthopädischer Sicht ist hierbei von besonderer Relevanz, dass bei bis zu 87 Prozent der Fälle die Kiefergelenke mitbetroffen sind. „Fatalerweise verlaufen die Veränderungen im Kiefergelenk - anders als in anderen Gelenken - häufig klinisch zunächst ‚stumm’, also schmerzfrei ab, weshalb sie von Ärzten leichter übersehen werden können“, sagt Tagungspräsident Professor Dr. Andreas Jäger, Direktor der Klinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Bonn. So schreitet die Zerstörung der Gelenke zunächst unbemerkt voran. Daher wird die Erkrankung dieser Region oft erst dann erkannt, wenn bereits der Unterkiefer in seinem Wachstum zurückgeblieben ist. Folgen sind Fehlstellungen wie ein „offener Biss“ oder ein zurückliegender Unterkiefer mit fliehendem Kinn. Die Behandlung ist fächerübergreifend und setzt sich aus der rheumatologischen und immunmodulierenden Therapie sowie aus kieferorthopädischen, das Wachstum steuernden Behandlungsmitteln und physiotherapeutischen Maßnahmen zusammen.
Rätselhafte „Auflösung“ des Kiefergelenks bei Mädchen in der Pubertät
Neben den häufig bereits im frühen Kindesalter auftretenden entzündlichen und Autoimmunerkrankungen der Kiefergelenke werden im „Teenageralter“ auch abnormale Veränderungen mit „Auflösung“ der betroffenen Gelenke beobachtet. Man spricht hier von einer sogenannten „Ideopathischen progressiven Gelenkresorption“. Die Betroffenen können aufgrund eines zunehmenden „offenen Bisses“ immer schlechter abbeißen. Zudem verändert sich ihr Gesichtsprofil mit Abnahme der Kinnprominenz. Über die Häufigkeit besteht bis heute wegen der Unsicherheit in der Diagnostik noch keine Klarheit. „Doch wird dieses Krankheitsbild von einigen amerikanischen Kollegen auch als ‚Cheerleader Syndrome’ bezeichnet, da es typischerweise zwischen dem elftem und 15. Lebensjahr und insbesondere bei Mädchen in der Pubertät beobachtet wird“, sagt Tagungspräsident Prof. Jäger. So gehen die meisten Experten von einer ursächlichen Beteiligung hormonaler Faktoren aus, obwohl eine spezifische Ursache für die Erkrankung bisher noch nicht identifiziert wurde. Für eine Therapie stehen aktuell je nach Stadium der Erkrankung entzündungshemmende Medikamente, kieferorthopädische und letztlich auch kieferchirurgische Optionen zur Verfügung.
Abschließend betont Prof. Jäger, dass er mit der Wahl der Themen für die Tagung in Bonn ganz bewusst auch ein Zeichen dahingehend setzen wollte, dass er einen Schwerpunkt seines Faches, der Kieferorthopädie, in einer interdisziplinär verankerten ZahnMedizin sieht.
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Andreas Jäger
Direktor der Poliklinik für Kieferorthopädie
Telefon: 0228 287 22449
E-Mail: andreas.jaeger@ukbonn.de