Die Gedenktafel zur Erinnerung an die Jüdische Volksschule wurde auf Initiative von Esther Gardei und Prof. Dr. Hans-Georg Soeffner nach Beschluss der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät vom Vorsitzenden der Allgemeinen Rabbinerkonferenz, Prof. Dr. Andreas Nachama, von Rektor Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Hoch und vom Dekan der Fakultät, Prof. Dr. Jürgen von Hagen enthüllt.
Esther Gardei forscht zur Geschichte der Privaten Jüdischen Volksschule in Bonn und insbesondere ihrem Schulleiter Hans-Herbert Hammerstein / Ysrael Shiloni. Sie ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin von Prof. Dr. Hans-Georg Soeffner und koordiniert das Versöhnungsprojekt der Universitäten Bonn und der DAAD-Zentren in Jerusalem,Haifa und Tokio. Eine Arbeitsgruppe dieses Versöhnungsprojektes organisierte beispielsweise die Rettung des „Jeckes-Museums“ in Israel, das in Geldnot geraten war. Es war 1971 von Ysrael Shiloni (1901-1996) begründet worden. Shiloni war Bonner Bürger und hieß bis zur Flucht aus Deutschland Hans-Herbert Hammerstein. Er hat 1934 die Jüdische Volksschule eröffnet und war mit nur 32 Jahren ihr Leiter.
Noch bis zur Machtübernahme durch die antisemitischen Nationalsozialisten drückten nicht-jüdische und jüdische Kinder gemeinsam die Schulbank. Ab dem 31. Januar 1933 waren jüdische Kinder zunehmend Diskriminierung auch in Bonn ausgesetzt. Bald wurden sie auf weiterführenden Schulen nicht mehr zugelassen. Im April 1934 übernahm der Jüdische Kultur- und Schulverein für Bonn und Umgebung e.V. die private Trägerschaft der neu gegründeten Jüdischen Volksschule. Eine öffentliche Trägerschaft war unter Naziherrschaft ausgeschlossen. Vorsitzender des privaten Trägervereins wurde der Bonner Universitätsprofessor Dr. Otto Toeplitz.
Durch seinen Einsatz und den weiterer Vereinsmitglieder konnte der Schule das Grundstück der Bonner Ludwig-Philippson-Loge, Koblenzer Str. 32, zur Verfügung gestellt werden. Toeplitz konnte den Reformpädagogen Hans-Herbert Hammerstein als Schulleiter gewinnen. Der Vorsitzende der Synagogengemeinde Beuel und Inhaber der Rheinischen Möbelfabrik , Max Goldreich, stellte Küchentische und -stühle zur Verfügung, denn die Schule hatte keine Ausstattung. Der von den Nazis aufgelöste Arbeiter-Turnverein spendierte Sportgeräte für den Turnunterricht im einzigen Saal des Gebäudes. Im Mai 1934 zählte die Jüdische Volksschule 63 jüdische Schüler aus Bonn und den umliegenden Gemeinden, verteilt über acht Jahrgangsstufen. Es gab drei Lehrkräfte, nämlich Ham-merstein selbst, seine Ehefrau Sophie (Hebräisch, Turnen, Handarbeiten) und Bernhard Valier-Grossmann, der jüdische Religionslehre und Tradition vermitteln konnte. Mitten in einer immer feindlicheren Umwelt war die Jüdische Volksschule zum Ort der Bildung und zunächst auch des Schutzes vor Verfolgung geworden. Hans Herbert Hammersteins Motto: „Glückliche Kinder lernen mehr“.
Doch der Schule war nicht lange eine glückliche Zeit vergönnt. Im Oktober 1935 besuchten 85 jüdische Kinder die Schule, so viele wie nie mehr danach. Durch Ausgrenzung, Auswanderung, Deportation und Ermordung wurden es immer weniger Schulkinder. Am 19. April 1937 wurde der Verein enteignet, 1938 der Status als Schule aberkannt. 1940 besuchten noch 29 Kinder die Schule. Im Frühjahr 1941 wurden der letzte Lehrer, Kantor Sigfried Winterberg, und die verbliebenen Schüler in das Sammellager Endenich verbracht. Sie wurden 1942 in verschiedene Arbeits- und Vernichtungslager deportiert. Von Schülerinnen und Schülern der jüdischen Volksschule ist kein Fall bekannt, der aus Endenich noch emigrieren/ fliehen konnte; nur die Schülerin Anneliese Winterberg hat überlebt.
Die Enthüllung der Gedenktafel zur Erinnerung an die Jüdische Volksschule würdigten in der Veranstaltung verschiedene Repräsentanten:
Prof. Dr. Dr. h. c. Michael Hoch, Rektor der Universität Bonn:
„Von ihrer Neugier getrieben, liefen die Kinder des Beethoven-Gymnasiums von der gegenüberliegenden Straßenseite zur Jüdischen Volksschule, um Kontakt aufzunehmen, zu ihren potentiellen Spielkameraden und Freunden - bis sie von ihren Lehrern davon abgehalten wurden. Mich hat dieser Bericht sehr bewegt. Unsere Lehre darauf kann und muss heute mehr denn je sein: Mehr gegenseitiger Kontakt, mehr Austausch und Kooperation, mehr Solidarität und wo nötig auch Schutz, auch und gerade in der Wissenschaft und Forschung.“
Prof. Dr. Jürgen von Hagen, Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät:
„Die Gedenktafel wurde von den Studierenden, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sowie den Professorinnen und Professoren der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät gemeinsam gestiftet. Sie erinnert uns daran, dass unsere Freiheit und Freude an Studium und Lehre keine Selbstverständlichkeit ist, sondern ein Geschenk, das wir sorgsam bewahren müssen, indem wir gemeinsam allen antidemokratischen und rassistischen Bestrebungen entschlossen entgegen treten.“
Prof. Dr. Andreas Nachama, Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz und Vorsitzender des Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit:
Wir gedenken aller, die verfolgt wurden und starben, als Wahnsinn die Welt regierte und das Böse in der Welt wohnte. Wir gedenken derer, deren Namen in endlosen Gedenklisten stehen, und derer, von denen selbst der Name verloren ist. Wir trauern um ihre Güte und um ihre Weisheit, die die Welt hätte retten und so viele Wunden hätten heilen können. Wir trauern um den Geist und den Humor, der ermordet wurde, um das Lernen und Lachen, das für immer verloren ist.
Esther Gardei, Doktorandin am Institut für Politische Wissenschaften und Soziologie, wissen-schaftliche Koordinatorin des Versöhnungsprojektes:
„Was die Jüdische Volksschule durch das pädagogische Konzept ihres Gründers und jungen Leiters auszeichnete, war auch das Ziel, die weitestgehend assimilierten Schülerinnen und Schüler wieder an ihre jüdische Herkunft heran zu führen. Sie lernten zur Zeit des Nationalsozialismus, dass sie stolz darauf sein konnten, deutsch und jüdisch zu sein.“
Dr. Margret Traub, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Bonn:
„Ich freue mich sehr darüber, dass hier im Juridicum der verfolgten und getöteten jüdischen Kinder unserer Gemeinde gedacht wird, zur Erinnerung an sie, die uns fehlen, und zur Mahnung, wohin Antisemitismus führt.“
Dipl.-Geographin Astrid Memel, Leiterin der Gedenkstätte Bonn zur Erinnerung an die Bonner Opfer des Nationalsozialismus:
„Die Erinnerung an die Jüdische Volksschule zeigt über die Würdigung der Schule als mutige und zukunftsweisende Bildungseinrichtung hinaus, wie es Juden in Bonn insgesamt ergangen ist in diesen Jahren einer immer schneller eskalierenden Diskriminierung.“
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Esther Gardei
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