In Deutschland erleiden ein bis drei von 1.000 zeitgerecht geborenen Kindern einen schweren Sauerstoffmangel im Rahmen der Geburt. Dies und auch die daraus resultierende, stark verminderte Durchblutung des Nervengewebes setzt den Zellen des Gehirns enorm zu oder zerstört sie sogar. Folge ist eine unterschiedlich ausgeprägte Hirnschädigung, eine so genannte hypoxisch-ischämische Enzephalopathie (HIE). Als Standardtherapie wird nach zügiger Bewertung ob eine HIE vorliegt sofort eine künstliche Kühlung des Neugeborenen für 72 Stunden eingeleitet. Dabei wird mit einer Kühlmatte die Körpertemperatur auf 33 bis 34 Grad Celsius gesenkt. Diese etablierte Therapie kann den neurologischen Schaden reduzieren und wirkt schützend auf Nervenzellen.
Trotz signifikanter Erfolge dieser Therapie hat die Hälfte der betroffenen Kinder bleibende Schäden, wie schwere Behinderungen, und manche versterben sogar. „Das Riesenproblem ist, wir können bisher in den ersten Lebensstunden nicht sagen, welches Neugeborene von der therapeutischen Kühlung profitiert und welches nicht“, sagt Sabir, Oberarzt der Abteilung für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am Universitätsklinikum Bonn.
Welches Kind hat ein hohes Risiko?
„Eine frühe Identifikation der Kinder, die nicht von der Standard-Therapie profitieren, ist aber notwendig, da sie von zusätzlichen Behandlungsmöglichkeiten profitieren könnten“, sagt Sabir. Er fand an Ratten heraus, dass eine zusätzliche Infektion im Rahmen der Geburt sich negativ auf den Erfolg der Kältetherapie auswirkt. Der Bonner Forscher geht davon aus, dass die Kombination aus Infektion und Sauerstoffmangel zu einer nicht kontrollierbaren Entzündungsaktivierung führt, weswegen die therapeutische Kühlung ihre das Gehirn schützende Wirkung verliert. „In einer neuen auf einem Tiermodell basierten Studie wollen wir die zugrundeliegenden Mechanismen verstehen und herausfinden, welche Hirnzellen besonders betroffen sind. Auch suchen wir nach alternativen Behandlungsoptionen“, sagt Sabir.
Der Bonner Neonatologe sieht auch eine hohe globale Relevanz in seiner Forschungsarbeit. Gerade in Schwellen- und Entwicklungsländer sind viele Kinder von einer hypoxisch-ischämischen Enzephalopathie nach der Geburt betroffen. „Doch die therapeutische Kühlung wird dort nicht eingesetzt, da dort die betroffenen Neugeborenen anders als in Deutschland durch die Therapie eher gefährdet seien, beziehungsweise sogar eher versterben, wie erste Studien gezeigt haben. Die behinderten Kinder und ihre Familien können nicht im dortigen Gesundheitssystem aufgefangenen werden“, sagt Sabir, der hofft durch seine Forschungsarbeiten Lösungen anbieten zu können, das betroffene Neugeborene erst gar nicht Hirnschäden und damit eine schwere Behinderung erleiden.
Kontakt für die Medien:
PD Dr. Hemmen Sabir
Oberarzt der Abteilung für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin
Zentrum für Kinderheilkunde
Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228-287-33408
E-Mail: hemmen.sabir@ukbonn.de