Jeder zehnte Patient in Europa erfährt vermeidbare Schäden oder Nebenwirkungen im Krankenhaus. Zwar ist die Gesundheitsversorgung heutzutage effektiver, mit dem verstärkten Einsatz neuer Technologien und Therapien aber auch komplexer geworden – damit auch anfälliger für Fehler. „Uns ist wichtig, wie mit Fehlern umgegangen wird. Dabei sind Fehler immer systembedingt und können nicht einer Person zugeschrieben werden“, sagt Prof Dr. Nicole Ernstmann, die zusammen mit Prof. Dr. Franziska Geiser die Interimsleitung des Instituts für Patientensicherheit (IfPS) am Universitätsklinikum Bonn wahrnimmt. Es ist das erste und bisher einzige universitäre Institut in Deutschland, das sich explizit dem Thema Patientensicherheit in Forschung und Lehre widmet. Ziel ist, im komplexen Zusammenspiel von Menschen, Technik und der Organisation von Krankenhäusern und Arztpraxen das Risikomanagement zu optimieren.
„Wichtig ist, die Kultur zu ändern, nach der die Institution und somit auch der Einzelne handelt. Wir brauchen dringend das Vertrauen, dass offen über Fehler gesprochen werden kann“, sagt Prof. Ernstmann. Doch zum Beispiel das Berichterstattungssystem „CIRS“ zur Meldung von kritischen Ereignissen oder Beinahe-Fehlern wird in vielen Krankenhäusern noch zu wenig genutzt, obwohl es anonym ist. „Da muss in Deutschland ein Umdenken passieren. Wir müssen Fehler noch mehr als Ressource erkennen, aus der man lernen kann.“
Patientensicherheit ist nur interprofessionell zu gewährleisten
Auch geht es darum, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass die Mitarbeiter ihre Aufgabe optimal erfüllen können. Ein wichtiger Punkt ist zum Beispiel, wie in der Klinik beim Schichtwechsel die Übergaben gestaltet werden: Sind alle Berufsgruppen einbezogen? Verfügen sämtliche Verantwortlichen über alle wichtigen Informationen? „In funktionierenden Teams ist die Fehlerrate meist geringer, weil sich der Einzelne stärker mit seiner Aufgabe identifiziert und auch für andere mitdenkt“, sagt Prof. Geiser. „In einer kritischen Situation muss auch eine hierarchiefreie Kommunikation funktionieren. Also jeder darf ein Risiko rückmelden.“
Das Institut für Patientensicherheit wurde Anfang 2009 an der Universität Bonn als deutschlandweit einziges Forschungsinstitut mit dieser Schwerpunktsetzung eröffnet. Dort verankerte Projekte analysieren die komplexen Einflussfaktoren auf die Entstehung von unerwünschten Behandlungsereignissen. Auf diesen Ergebnissen basierend werden dann Maßnahmen mit dem Ziel entwickelt, die Zahl und Auswirkungen solcher Vorfälle zu minimieren. Solche wissenschaftlichen Erkenntnisse fließen dann zum Beispiel in optimierte Arbeitsabläufe oder Schulungen für Ärzte und Pflegekräfte ein. Das Thema Patientensicherheit ist an der Bonner Medizinischen Fakultät zudem im Lehrplan des Medizinstudiums verankert. „Wir wollen das Thema schon sehr früh an zukünftige Ärzte herantragen“, sagt Prof. Ernstmann.
Das Video „Patient Safety Culture on different levels“ gibt es auf youtube unter https://youtu.be/g0iJCxOpugc und ist vom Institut für Patientensicherheit des Universitätsklinikums Bonn auf seiner Internetseite veröffentlicht: https://www.ifpsbonn.de/aktuelles
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Nicole Ernstmann
Forschungsstelle für Gesundheitskommunikation und Versorgungsforschung
Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Universitätsklinikum Bonn
Tel: 0228/287-13783 (Sekretariat IfPS)
E-Mail: ifps@ukbonn.de
Prof. Dr. Franziska Geiser
Direktorin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/287-15256
E-Mail: franziska.geiser@ukbonn.de