25. Januar 2013

Heimatnahe Therapie bei akutem Blutkrebs Heimatnahe Therapie bei akutem Blutkrebs

Uni-Klinikum Bonn bietet jetzt auch Allogene Stammzelltransplantation an

Bei der Diagnose „Akuter Blutkrebs“ fiel sie aus allen Wolken. Dann fand Beate M. Hilfe am Universitätsklinikum Bonn: Neuerdings bietet dort die Medizinische Klinik III die so genannte allogene Stammzelltransplantation an. Dabei werden dem Patienten von einem Spender aus dem Knochenmark oder aus dem Blut gewonnene Blutstammzellen durch eine Injektion in die Vene übertragen. Dieses Verfahren kann für viele Patienten mit akutem Blutkrebs, sogenannten akuten Leukämien, die einzige Chance sein, langfristig geheilt zu werden. Nun können Betroffene in Bonn und Umgebung sich ohne lange Anreise zu einem entfernten Zentrum damit komplett auf dem Venusberg therapieren lassen.

Ein zufriedenes Trio:
Ein zufriedenes Trio: - Prof. Brossart (li), Beate M. und Prof. Wolf; © Rolf Müller / Medienzentrum UKB
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Sie war ständig müde. Doch Beate M. schob dies auf ihren 17-Stundentag. Ein spontaner blauer Fleck aus dem Nichts beunruhigte die 53-Jährige jedoch im weiteren Verlauf sehr, so dass sie im Sommer 2012 schließlich eine niedergelassene Onkologin aufsuchte. Diese konfrontierte sie mit der Diagnose „Akute Leukämie“, eine unmittelbar lebensbedrohliche Erkrankungen. „Dies war quasi ein Todesurteil und ich hatte enorme Angst.“ Bei Leukämien werden funktionsuntüchtige Vorstufen der weißen Blutkörperchen vermehrt gebildet. Diese verdrängen im Knochenmark die übliche Blutbildung und somit die normalen Blutbestandteile wie Blutplättchen, rote und funktionstüchtige weiße Blutkörperchen.

Krankes Knochenmark ausschalten

Da am Universitätsklinikum Bonn schon lange die so genannte „autologe Knochenmarkstransplantation“, das heißt mit eigenen Stammzellen erfolgreich eingesetzt wird, setzte sich insbesondere der Ärztliche Direktor und Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Holzgreve für die Einführung der allogenen Transplantation ein, weil – nach seiner Analyse – „der Bedarf nach dieser lebensrettenden Therapie gegeben ist und in Bonn die Spezialisten vorhanden sind.“

Die Medizinische Klinik III des Universitätsklinikums Bonn bietet nun Leukämie-Patienten auch die allogene Stammzelltransplantation an. Dabei wird das krankhafte Knochenmark des Patienten durch Blutstammzellen eines gesunden Spenders ersetzt. „Diese Therapie hat derzeit die höchste Heilungswahrscheinlichkeit. Das Erfolgsgeheimnis ist, dass ein Immuneffekt gegen die Krankheit ausgelöst wird“, sagt Prof. Dr. Peter Brossart, Direktor der Medizinischen Klinik III.

Dazu wird zunächst das Abwehrsystem des Empfängers ausgeschaltet, indem das erkrankte blutbildende System zerstört wird. „Dabei setzen wir heutzutage die Chemotherapie meist nur in dem Maße ein, wie es für das Anwachsen des Transplantats notwendig ist“, sagt Prof. Dr. Dominik Wolf, Leiter der Knochenmarktransplantation-(KMT) und Professor für Tumorimmunologie. Im Idealfall zerstört dann das neue vom Spender stammende Immunsystem die verbleibenden Reste des alten Knochenmarks bzw. der bisher nicht eliminierten Leukämiezellen des Empfängers. Die Hauptgefahr der Therapie ist eine Abstoßungsreaktion gegen gesundes Gewebe des Empfängers.

Fremde Stammzellen übernehmen Blutbildung

Nach einer erfolgreichen Vorbehandlung mittels Chemotherapie erfuhr Beate M. über ihre Onkologin vom neuen Angebot des Bonner Universitätsklinikums. Gleich für den nächsten Tag hatte sie einen Besuchstermin in der dortigen KMT-Ambulanz mit Prof. Wolf vereinbart: „Dort hat mir alles sehr gut gefallen, vor allem die Freundlichkeit der Mitarbeiter.“ Bereits zehn Tage später wurde das Transplantat direkt über einen Venenkatheter in ihren Blutkreislauf übertragen. „Die Transplantation war komplikationslos, und schon kurz darauf stammten alle blutbildenden Zellen vom Spender. Das ist eine gute Voraussetzung, dass die Krankheit langfristig zurückgedrängt wird, jedoch gibt es nie eine 100-prozentige Sicherheit“, sagt Prof. Wolf. Am häufigsten seien Rückfälle innerhalb der ersten 24 Monate, danach sei diese Gefahr relativ gering. Um die Wahrscheinlichkeit von Rückfällen zu reduzieren, sieht Prof. Wolf großes Potential am Bonner Universitätsklinikum, durch den starken Forschungsschwerpunkt im Bereich Immunologie moderne Immuntherapie nach einer allogenen Stammzelltransplantation klinisch und wissenschaftlich weiter zu entwickeln. „Wir müssen genauer definieren, an welcher Schraube wir gezielt drehen müssen, um beispielsweise einen Rückfall oder Abstoßungsreaktionen besser verhindern zu können.“

Klinik bietet besonderen Schutz vor Viren und Bakterien

Nach der Transplantation besteht für die Patienten eine erhöhte Ansteckungsgefahr, da ihr Immunsystem sehr stark geschwächt ist. Um sie vor Krankheitserregern zu schützen, gibt es an der Medizinischen Klinik III fünf spezielle Einzelzimmer mit Schleuse, vier weitere Einzelzimmer können bei Bedarf entsprechend isoliert werden. Zudem reduziert ein neuartiges Luft-Filtersystem ein Infektionsrisiko auf der ganzen Station. Auch hat die Medizinische Klinik III eine speziell geschulte Arbeitsgruppe aus Ärzten und Pflegekräften ins Leben gerufen. „Nur im Team können wir erfolgreich sein“, betonen Prof. Brossart und Prof Wolf. Dafür sei auch eine gute Infrastruktur notwendig – wie die gegebene Zusammenarbeit mit der Radiologischen Klinik und dem Institut für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin.

Das Leben neu geordnet

Kurz nach Silvester konnte Beate M. wieder nach Hause. Jetzt muss sie jede Woche zweimal in die KMT-Ambulanz am Universitätsklinikum Bonn zur Nachtherapie erscheinen. In der Zwischenzeit hat die 53-Jährige wichtige neue Entscheidungen getroffen: „Es ist auch eine Chance auf ein Leben, das besser ist als das vorherige.“ Ihre positive Einstellung erleichterte ihr den Krankenhausaufenthalt. „Ich wusste gar nicht, dass ich diese Kraft habe.“ Jetzt freut sie sich auf den kommenden Juni, wenn alles überstanden und die Therapie abgeschlossen ist. Denn dann wird sie ihrem 52-jährigen Lebensgefährten Jost R., mit dem sie seit 13 Jahren zusammenlebt, im Standesamt ihr Ja-Wort geben.

Kontakt:
Prof. Dr. Peter Brossart, Prof. Dr. Dominik Wolf
Medizinische Klinik III des Universitätsklinikums Bonn
Telefon: 0228/287-22234
E-Mail: dominik.wolf@ukb.uni-bonn.de

Im Gespräch:
Im Gespräch: - (v. li) Beate M., Prof. Brossart und Prof. Wolf; © Rolf Müller / Medienzentrum UKB
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