Frau Laudenbach, Sie beschäftigen sich in ihrer Forschung unter anderem mit Vermögensstrategien und finanzieller Unabhängigkeit. Wie universell sind solche Strategien? Fällt es Frauen schwerer, finanziell unabhängig zu werden?
Ja! Frauen trauen sich in Sachen Finanzen einfach weniger zu und haben deshalb eine höhere Hemmschwelle, zu investieren. In Befragungen zum Finanzwissen kreuzen sie viel häufiger „Ich weiß es nicht“ an. Es gibt allerdings Studien, die zeigen, dass Frauen deutlich häufiger richtigliegen, als sie denken, wenn man sie „zwingt“ die Fragen zu beantworten.
In Ihrer aktuellen Studie haben Sie gemeinsam mit Ihren Kollegen Daten von rund 35.000 Beratungsempfehlungen von Banken analysiert. Wenn Frauen investieren wollen und sich beraten lassen, bekommen sie systematisch teurere Fondprodukte angeboten als Männer. Wird Frauen also in der Finanzberatung öfter etwas Kostspieliges angedreht, weil man sie für weniger kompetent hält?
Es ist nicht so, dass Frauen das gleiche Produkt zu einem höheren Preis angeboten bekommen, sondern sie bekommen häufig andere Empfehlungen für Produkte, die grundsätzlich risikoärmer und teurer sind. Wir fanden in unserem Fragebogen heraus, dass Frauen und Männer aus unterschiedlichen Gründen zur Beratung gehen. Männer möchten eher eine Zweitmeinung, sie möchten ihre Finanzentscheidung nochmal überprüfen. Frauen möchten sie eher loswerden. Diese „Rundum-Sorglos-Pakete“, bei denen man sich um nichts mehr kümmern muss, sind dann dementsprechend teurer.
Es wäre also zu simpel zu sagen, Frauen würden von Seiten der Banken diskriminiert?
Die entscheidende Frage ist, ob den Frauen dieser Preisunterschied zum einen bewusst ist und ob er zum andern gerechtfertigt ist. Außerdem finden wir schon, dass es eine Stereotypisierung gibt. Frauen bekommen zum Beispiel auch mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit einen Rabatt auf den Produktkauf. Da kann man schon sagen, dass dies nicht daran liegen kann, dass Frauen zum Beispiel eine Präferenz dafür haben, mehr zu bezahlen – das wäre nicht besonders realistisch.
Zwischen 60 und 80 Prozent der Einzelanlegenden verlassen sich bei Anlageentscheidungen auf professionelle Beratung. Als Laie kann man die Angebote oft nicht einschätzen. Männern wird das Wissen Studien zufolge eher zugerechnet. Sollte ich dann als Frau nicht ohne vorheriges Finanzwissen zur Beratung gehen?
So einfach ist das nicht. In unserer Studie geben 35 Prozent der Frauen an, dass sie ohne Beratung gar nicht den Mut hätten, am Kapitalmarkt anzulegen. Selbst wenn teure Gebühren bezahlt werden, kann es sein, dass ich am Ende des Tages trotzdem besser dastehe als wenn ich gar nichts machen würde. Aber es ist natürlich schon so, dass es in vielen Fällen wahrscheinlich der bessere Weg wäre, sich eigenständig damit zu beschäftigen.
Wie schafft man es, Frauen schon vor dem Gang zur Beratung in Sachen Finanzwissen zu erreichen?
Es gibt heutzutage sehr, sehr spezifische Podcasts, Bücher oder Finanzblogs. Und ich glaube auch, dass man im eigenen Bekannten- und Freundeskreis viel mehr Personen hat, die sich auch solche Fragen stellen, als man vielleicht denkt. Das heißt: Einfach mal im persönlichen Umfeld anfangen und fragen. Und vielleicht findet man ja eine gleichgesinnte Person, die sich auch mit dem Thema auseinandersetzen möchte.
Brauchen wir geschlechtsspezifische Finanzangebote?
Eigentlich nicht – jeder sollte am Markt investieren und das einzige, was eine Rolle spielt, ist die persönliche Risikopräferenz. Deshalb ergibt der Begriff „rosa Geldanlage“ aus meiner Sicht wenig Sinn. Allerdings ist die Frage, was zu so einem Produkt dazu gehört. Wenn man die Kommunikation miteinbezieht, dann wollen Frauen bei der Geldanlage vielleicht eher an der Hand geführt werden.
Werden wir in den kommenden Generationen eine genderneutrale Finanzberatung haben?
Wenn man sich die Entwicklungen anschaut, setzen sich immer mehr Frauen mit dem Thema auseinander. Das Stereotyp, dass Finanzentscheidungen für Frauen langweilig oder zu komplex sind, trifft nicht zu, nachdem die Hemmschwelle einmal gebrochen ist.