Vor mehr als drei Jahren begann ihre Odyssee von Arzt zu Arzt: Etwa zehn Tage nach einem Auffahrunfall hatte Iris M. zum ersten Mal unerträgliche Nackenschmerzen. Diese strahlten in den Arm aus; hinzu kamen Schwindel und Kopfschmerzen. Ihr Schulter-Hals-Bereich war völlig verspannt. In Beruf und Freizeit war sie deutlich eingeschränkt. „Nachts konnte ich kaum noch schlafen. Ich wusste gar nicht mehr, wie ich meinen Kopf drehen sollte, ohne gleich Schmerzen zu haben“, sagt 37-Jährige. Ursache ihres Leidens war ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelsäule.
Die Bandscheiben liegen zwischen den Wirbelkörpern und sorgen für die Beweglichkeit unserer Wirbelsäule. Sie bestehen aus einem sehr festen Ring aus Fasergewebe, in dessen Mitte sich eine weichere Masse, der so genannte Gallertkern, befindet. Bei einem Bandscheibenvorfall verrutscht dieser zentrale Kern. Der Bindegewebsring wölbt sich vor und kann sogar reißen. Der Betroffene hat dann starke Schmerzen bis hin zu Lähmungen, wenn die nach außen verlagerte Gallertmasse auf Nerven drückt.
Maßnahmen wie Krankengymnastik und Spritzen mit Muskel entspannenden Medikamenten halfen Iris M. immer nur kurzfristig: „Ich habe vieles ausprobiert. Doch nichts hat mir wirklich geholfen, und ständig Schmerzmittel zu schlucken, ist auf Dauer auch nicht gut.“
Kugel sorgt für Beweglichkeit
Rat suchte Iris M. in der Bonner Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie. „Da die konservative Therapie in diesem Fall vollständig versagt hat, kam hier nur noch eine Bandscheibenprothese in Frage“, sagt Oberarzt Dr. Robert Pflugmacher, Leiter des Schwerpunktes Wirbelsäulenorthopädie. Diese relativ neue Methode ersetzt die bisher übliche operative Versteifung, da sie erhebliche Vorteile für den Patienten mit sich bringt. „Die Halswirbelsäule bleibt beweglich, da die Wirbel nicht fest vom Arzt fixiert werden. Zudem kann sich der Patient selbst die optimale Position ohne Schmerzen suchen“, sagt Pflugmacher.
Über einen kleinen Schnitt am Hals entfernt Pflugmacher zunächst die defekte Bandscheibe und nimmt so den Druck von dem Nerv. Dann setzt er die Prothese exakt in den entstandenen Platz ein. Als Anker an den Wirbelknochen dienen dabei zwei Metallplatten zwischen denen ein kugelförmiger Kern aus Kunststoff liegt. So sorgt die Prothese nicht nur für Beweglichkeit, sondern stellt auch den optimalen Abstand zwischen den beiden Wirbeln her. Diesen etwa ein bis eineinhalb Stunden dauernden Eingriff führen die Ärzte von vorne durch, damit das Rückenmark nicht tangiert wird. Bisher hat Pflugmacher, der vorher an der Berliner Charité Erfahrungen mit dieser Methode gesammelt hat, hier in Bonn bereits etwa 50 Patienten so behandelt – hinzukommen etwa die gleiche Anzahl Bandscheibenprothesen im Lendenwirbelsäulenbereich.
Erfolg ist zu 50 Prozent auch Eigenarbeit
Etwa zwei Monate nach dem Eingriff ist Iris M. sehr zufrieden: „Die ständigen Schmerzen sind endlich weg, und ich brauche keine Schmerzmittel mehr.“ Die Nackenmuskulatur sei zwar noch etwas verspannt, und sie müsse noch üben, den ganzen Tag aufrecht zu gehen. Doch im Alltag habe sie keine Einschränkungen mehr. „Die Operation ist es nicht allein. Für einen langfristigen Erfolg muss der Patient selbst aktiv sein“, sagt Pflugmacher. So darf Iris M. auch in absehbarer Zeit mit etwas Geduld und Fleiß wieder ihren heiß geliebten Tennissport ausüben.
Kontakt:
Dr. Robert Pflugmacher
Leiter Schwerpunkt Wirbelsäulenorthopädie
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie
Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/287-11056
E-Mail: Robert.Pflugmacher@ukb.uni-bonn.de