Phosphatasen sind Proteine, die eine entscheidende Rolle in Signalwegen innerhalb von Zellen spielen. „Phosphatasen modifizieren Proteine und können so Signalwege an- und abschalten“, erklärt Professorin Maja Köhn. Ist dieser Prozess gestört, kann es zu Fehlfunktionen und damit zu Krankheiten kommen, wie beispielsweise Darmkrebs oder Herzmuskelschwäche. Mit ihrer Arbeitsgruppe erforscht Köhn die molekulare Funktionsweise der Phosphatasen, um die Grundlagen zu schaffen für mögliche zukünftige Anwendungen in der Medikamententherapie. „Medikamente werden oft eingesetzt, um fehlerhafte Proteine zu hemmen und so Krankheiten zu verhindern. Für Phosphatasen gibt es dazu noch sehr wenig. Hier ist also noch viel Grundlagenforschung zu schaffen“, führt Maja Köhn aus.
Im Fokus: Phosphatasen im Herzmuskel und im Zusammenhang mit Krebs
Die studierte Chemikerin verbindet dafür biologische Fragestellungen mit chemischen Methoden. „Um die einzelnen Aufgaben und Regulierung der Phosphatasen zu untersuchen, benötigen wir spezielle chemische Werkzeuge, die nicht immer bereits existieren. In solchen Fällen müssen wir sie selber erst herstellen“, erklärt Köhn, die auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich „Life and Health“ der Universität Bonn ist. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf bestimmten Phosphatasen, von denen eine zum Beispiel in Herzmuskelzellen wichtige Rollen spielt, so dass Fehlfunktionen zu Herzmuskelschwäche bzw. Herzversagen führen können. Diese Arbeiten werden von ihrem ERC Consolidator Grant finanziert. Weitere Phosphatasen, deren Wirkungsweise und Regulation in verschiedenen zellulären Signalwegen von Prof. Köhns Forschungsgruppe untersucht werden, tragen zur Krebsentstehung und der Immunantwort auf Krebszellen bei.
Prof. Walter Witke, Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät, freut sich über den Neuzugang: „Maja Köhn ist eine herausragende Wissenschaftlerin auf Ihrem Gebiet, die am Institut für Zellbiologie neue Impulse setzen wird.“
Der Weg an die Uni Bonn
Seit Oktober 2024 besetzt Maja Köhn eine Schlegel-Professur am Institut für Zellbiologie der Universität Bonn. Außerdem tritt sie die Nachfolge von Prof. Fürst als Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Zellbiologie an. Gebürtig aus Kiel, studierte Köhn Chemie auf Diplom in ihrer Heimatstadt. Für ihre Doktorarbeit ging sie an die TU Dortmund und das Max-Planck-Institut für Molekulare Physiologie. Im Jahr 2005 wechselte sie als PostDoc an die Harvard University, USA, bevor sie 2007 als Gruppenleiterin am European Molecular Biology Laboratory, Heidelberg, nach Deutschland zurückkehrte. 2016 übernahm Maja Köhn die Professur für integrative Signalforschung an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Dort war sie unter anderem auch als Prodekanin an der Fakultät für Biologie (seit 2018), Vorstandsmitglied im Exzellenzcluster CIBSS Zentrum für Integrative Biologische Signalstudien (seit 2019) sowie als Sprecherin des BIOSS Centre for Biological Signalling Studies (seit 2021; vorher Vizesprecherin) tätig.
Maja Köhn ist seit Oktober 2024 neue Schlegel-Professorin am Institut für Zellbiologie der Universität Bonn und Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Zellbiologie. In diesem Rahmen wird sie Phosphatasen erforschen, Proteine, die für die Regulierung von Signalwegen innerhalb von Zellen eine wichtige Rolle spielen. Mit ihr sprach Katrin Piecha.
Frau Prof. Köhn, Sie haben Chemie studiert und forschen jetzt in der Biologie. Wie ist es dazu gekommen?
Ich forsche grundsätzlich in der Biologie und benutze die Chemie, um sogenannte chemische Werkzeuge herzustellen. Wenn wir eine biologische Fragestellung haben, die ich mit den biologischen Mitteln nicht lösen kann oder mit dem, was mir zur Verfügung steht, dann denken wir uns etwas Chemisches aus.
Ich habe mich immer schon für die Biochemie interessiert und habe dann Chemie in Kiel studiert. Damals hat mich schon am meisten die organische Chemie interessiert, so dass ich meine Doktorarbeit an der TU Dortmund und dem Max-Planck-Institut für Molekulare Physiologie in diesem Bereich gemacht habe. Dort, und auch als Postdoc in Harvard, stand die chemische Synthese von Werkzeugen zur biologischen Forschung im Mittelpunkt. Und dann bin ich als Gruppenleiterin ans EMBL gegangen, das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie in Heidelberg. Das ist, wie der Name schon sagt, ein Institut der molekularen Biologie – da musste ich eine biologische Fragestellung haben. Dort habe ich gelernt wie Biologen an Fragestellungen herangehen, und das hat mich geprägt. Und seitdem bin ich – ich war ja noch acht Jahre in Freiburg – in der Biologie.
Denken Chemiker und Biologen unterschiedlich?
Als Beispiel, in der molekularen Biologie sind die Dinge so komplex, dass man viele Hypothesen diskutiert und es verschiedene Möglichkeiten gibt, seine Ergebnisse zu interpretieren. Wenn Sie mit chemischer Synthese eine Substanz herstellen wollen und diese dann zur Identitätsprüfung analysieren – dann ist sie es oder sie ist es nicht. Die Kunst liegt hier häufig in der Entwicklung des erfolgreichen Synthesewegs und der Analytik. Das heißt, man denkt vielleicht ein bisschen mathematisch-analytischer als synthetische/r Chemiker/in, und der/die molekulare Zellbiologe/in betrachtet die Resultate im komplexen biologischen Kontext und leitet daraus Schlussfolgerungen her, die die biologische Fragestellung erklären können und oft zu weiteren Hypothesen führen. Die Herangehensweise ist also etwas anders.
Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf Phosphatasen. Was verbirgt sich dahinter?
Die DNA, das Erbgut in unseren Zellen, ist in allen Zellen grundsätzlich gleich. Aber wir haben viele verschiedene Zellen, die ganz viele verschiedene Funktionen ausführen. Dafür sorgen die Proteine, die aus der DNA hergestellt werden – aber immer nur die, die in der jeweiligen Zelle benötigt werden. Phosphatasen sind eine solche Proteinart, die für bestimmte Modifikationen von anderen Proteinen in der Zelle zuständig ist. Oftmals werden in der Medikamentenforschung Proteine mit Hemmstoffen gestoppt, um Krankheiten zu bekämpfen. Für Phosphatasen gibt es jedoch noch nicht viel bezüglich klinischer Forschung oder gar Therapie, weil oft die Grundlagen fehlen. Da ist also noch sehr viel, was wir rausfinden können, gerade im Krankheitsumfeld.
Für welche Krankheitsbilder wäre das zum Beispiel spannend?
Eines unserer Modelle ist der Darmkrebs, und wir forschen auch an Phosphatasen im Immunabwehrmechanismus gegen Krebs. Seit ein paar Jahren arbeiten wir auch an Herzmuskelzellen, wo eine Fehlschaltung der Phosphatasen zum Beispiel zu Herzschwäche oder Herzversagen führen kann.
Was sind Ihre aktuellen Fragestellungen?
Wir untersuchen eine spezielle Phosphatase in den Herzmuskelzellen. Wir versuchen zum einen zu verstehen, was für Aufgaben sie in der Zelle hat und wie diese untereinander reguliert werden. Dafür stellen wir auch speziell chemische Werkzeuge her, um das gezielt zu adressieren. Diese Phosphatase ist in der gesamten Zelle aktiv. Daher müssen wir versuchen, sie moduliert zu steuern, so dass wir sie in bestimmten Teilen der Zelle aus- oder anschalten können, damit wir sie genau in diesem Teil der Zelle untersuchen können, und dafür benötigen wir chemische Methoden. Diese Fragestellung bearbeiten wir auch bioinformatisch, um herauszufinden, auf was für andere Proteine diese Phosphatase eine Wirkung hat.
Wir arbeiten aber auch in T-Zellen, also in den Immunzellen, die gerade wegen der Immuntherapie große Beachtung finden. Wie schauen uns dort die Phosphatasen und deren Wirkungsweise und Regulation in verschiedenen zellulären Signalwegen an, um ein möglichst umfassendes Verständnis über die Funktionsweise aufzubauen.
In Kooperation adressieren wir auch andere biologische Prozesse wie beispielsweise die Identifikation von Phosphatasen, die in die zelluläre Antwort auf mechanischen Stress involviert sind. Hier arbeiten wir mit Prof. Höhfeld von der Uni Bonn in einer Forschungsgruppe zusammen.
Sie arbeiten schon seit 2018 mit Forschenden der Uni Bonn zusammen. Hat das zu der Entscheidung geführt, hierherzukommen?
Prof. Jörg Höhfeld aus der Zellbiologie leitet die Forschungsgruppe, die sich mit Mechanismen beschäftigt, wenn eine Zelle mechanischen Stress ausgesetzt ist. Seit 2018 bin ich in der Forschungsgruppe Mitglied. Dadurch kannte ich die Uni Bonn schon ein bisschen und habe wissenschaftliche Anknüpfungspunkte gehabt. Auch andere Wissenschaftler der Uni Bonn kannte ich schon vorher. Das hilft natürlich immer sehr für so eine Entscheidung, wobei natürlich auch andere private und berufliche Aspekte eine große Rolle spielen.
Sie haben in Freiburg in einem Exzellenz-Cluster gearbeitet. Ist Ihnen der Weggang schwergefallen?
Für mich persönlich bedeutet der Umzug nach Bonn natürlich auch, dass ich eine neue wissenschaftliche Umgebung habe. Ich mag gerne neuen wissenschaftlichen Input, Stimulierung, eine neue Umgebung – da kann man Neues erschaffen, da hat man neuen Gestaltungsfreiraum. Natürlich ist es toll, Mitglied in einem Exzellenzcluster zu sein. Aber ich finde es spannend, nochmal die Umgebung zu wechseln.
Sie waren als Postdoc an der Harvard University. Was hat Sie während Ihrer Zeit dort nachhaltig beeindruckt?
Was ich gemerkt habe war, dass in den USA ein ganz anderer Spirit herrscht, was den Austausch, die wissenschaftliche Diskussion betrifft – sehr viel offener und neugieriger. Das ist in Deutschland nicht so ausgeprägt. Hier ist man oftmals sehr auf die eigene Forschung fokussiert. Diese Kultur könnte man für mich noch verbessern.
Was sind Ihre ersten Eindrücke von der Uni Bonn?
Ich muss den Onboarding-Service sehr, sehr loben. Heike Rauer und auch Corinna Rütten haben unwahrscheinlich geholfen, und sind auch immer noch Ansprechpersonen für mich. Frau Rauer hat sogar unsere Wohnung für uns angeschaut, weil wir nicht kommen konnten.
Die baulichen Maßnahmen für mein Labor haben sich leider verzögert, aber das ist jetzt zum Glück erstmal gelöst und sie können beginnen. Mein Eindruck ist, dass man hier sehr bemüht ist, für alles eine Lösung zu finden.
Und alle Leute, mit denen ich bisher zu tun hatte, egal ob in dem TRA „Life and Health“, in der Biologie, in der Chemie, oder in der Biomedizin: alle sind hilfsbereit und super nett. Momentan fühle ich mich da wirklich freundlich aufgenommen.
Wie nehmen Sie die Stadt wahr?
Bonn ist internationaler als Freiburg. Und es ist mehr los: Hier scheint jedes Wochenende irgendwo ein Fest zu sein. Und Köln ist um die Ecke. Das war tatsächlich eine Sache, die wir zuerst gemacht haben. Meine Tochter wollte gerne auf die gamescom. In Bonn sind zudem die Wege kurz, obwohl es eine größere Stadt ist. Man kommt wirklich gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Fahrrad rum. Das gefällt mir sehr gut.
Wenn Sie für einen Tag das Forschungsgebiet mit einer anderen Professorin tauschen könnten, welches wäre das?
Ich habe mal jemanden kennengelernt, der historisch forscht. Er beschäftigte sich mit der Weltraumeroberung im und nach dem Zweiten Weltkrieg und wie die Menschen damals den Weltraum, Außerirdische, Raketen und all das gesehen haben. So etwas in der Art stelle ich mir spannend vor, weil diese Entwicklungen die Menschen und die Wissenschaft geprägt haben, und es mal eine andere Perspektive ist. Da gibt es bestimmt interessante Sachen, wo man auch mal eine ganz andere Arbeitsweise sieht.
Wo bekommen Sie Ihre besten Ideen?
Am besten kurz vor Deadlines. Warum weiß ich nicht. Manchmal ist es so, dass man in Fachjournale oder Journale von Fachgesellschaften reinschaut und dann kann man etwas, das eigentlich gar nichts mit der eigenen Forschung zu tun hat, auf sich selbst beziehen. Das führte tatsächlich auch schon zu Ideen. Aber ich habe sonst kein Geheimnis – meistens kommt die Idee, wenn ich nicht gezielt darüber nachdenke.