„Ein Säugling ist viel verletzlicher als ein Erwachsener. Daher ist an Zentren, an denen schwerkranke Neugeborene, Säuglinge und Kleinkinder behandelt werden, eine Spezialisierung der Anästhesie dringend notwendig“, sagt Prof. Schindler. Einen wesentlichen Unterschied machen dabei die kleineren Dimensionen aus, zum Beispiel der Blutgefäße. So entspricht der Durchmesser der Schlagader am Arm eines Säuglings in etwa der Größe der Nadel eines Katheters. „Das erfordert viel Fingerspitzengefühl“, weiß Prof. Schindler. Zudem muss der Anästhesist den Grad der Organreife bei der Wahl und Dosierung der Narkosemittel berücksichtigen. Auch die Blutgerinnung funktioniert erst in einem Alter von einem halben Jahr wie bei einem Erwachsenen.
„Aufgrund der Komplexität ist viel Wissen und Erfahrung gefragt, die sich Anästhesisten nicht schnell anlesen oder aneignen können“, sagt Prof. Schindler. Neben dem neu etablierten Wahlpflichtfach „Kinderanästhesiologie“ für Bonner Studierende der Medizin will er daher ein in Deutschland vorbildhaftes Weiterbildungsprogramm nach der Facharzt-Ausbildung an der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin etablieren: „Mein Ziel ist es, dass ‚Bonn’ ein Synonym für den Ort wird, wo man Kinderanästhesie lernen kann.“
Eltern sind Teil einer guten Versorgung
Mit seiner klinischen Forschung will Prof. Schindler die Versorgung von schwerkranken Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern im zeitlichen Umfeld eines Eingriffs – also perioperativ – verbessern. So ist der Einsatz der Herzlungenmaschine, die eine Operation am „offenen“ Herzen ermöglicht, für die kleinen Patienten nicht unkritisch. „Durch die Abkühlung der Körpertemperatur ziehen sich die Blutgefäße zusammen. Doch dieser Effekt ist im OP nicht erwünscht. Eine bessere Durchblutung können wir durch den Einsatz kreislaufaktiver Medikamente erreichen“, sagt Prof. Schindler. Zudem möchte er die Genesungszeit der kleinen Patienten nach dem Eingriff beschleunigen. Dazu setzt er beispielsweise darauf, den Beatmungsschlauch möglichst früh zu entfernen: „Die kleinen Patienten profitieren massiv von einer frühzeitigen Extubation und raschen Mobilisierung. So können wir Verletzungen des Kehlkopfs und Kreislaufprobleme nach der Operation reduzieren. Außerdem müssen wir so viel weniger Medikamente einsetzen.“
Für Prof. Schindler sind die Eltern ein integraler Bestandteil in der Versorgung seiner kleinen Patienten. Laut seiner Philosophie bezieht er sie so viel wie möglich ein. Auch arbeitet er eng mit der Geburtshilfe und Intensivstation für Neugeborene (NIPS) zusammen. „Durch die vielen Spezialisten auch im Bereich der Erwachsenenmedizin hier am Universitätsklinikum Bonn ist eine Bindung operativ schwer erkrankter Kinder von der Geburt an bis ins Rentenalter möglich“, sagt Prof. Schindler.
„Ich möchte das Fach besser machen“
„Ich freue mich darauf, zukünftig mehr mit jungen Menschen zusammen zu arbeiten – auch darauf, mein Wissen weitergeben zu können“, beschreibt Prof. Schindler seine Motivation für die neue Position. “Zusätzlich zur Versorgung meiner kleinen Patienten verstärkt forschen und lehren zu können, war eigentlich das, was ich immer machen wollte.“ Entspannung vom Klinikalltag sucht der Familienvater von vier zum Teil erwachsenen Söhnen und einer Enkelin – falls Zeit übrigbleibt – auf seiner Harley-Davidson.
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Ehrenfried Schindler
Sektionsleiter Kinderanästhesiologie
Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin
Universitätsklinikum Bonn ( UKB )
Telefon: 0228/287 37594
E-Mail: ehrenfried.schindler@ukbonn.de