08. April 2020

Auf der Suche nach dem Z‘-Boson Auf der Suche nach dem Z‘-Boson

Belle II-Experiment liefert erste Ergebnisse. Wissenschaftler der Universität Bonn sind beteiligt

Ein internationales Forschungskonsortium unter Beteiligung der Universität Bonn fahndet mit dem Belle II-Experiment im japanischen Forschungszentrum für Teilchenphysik KEK nach dem rätselhaften Z‘-Boson – eine Variante des bereits nachgewiesenen Z-Bosons. Seine Entdeckung könnte helfen, das Verhalten von Dunkler Materie und anderen Beobachtungen zu verstehen, die nicht mit der grundlegenden Theorie der Teilchenphysik in Einklang stehen. Die Daten liefern noch keine Anzeichen für das Z'-Boson, schränken jedoch seine Masse und Kopplungsstärken mit einer bisher unerreichbaren Genauigkeit ein. Die Ergebnisse sind nun im Journal „Physical Review Letters“ erschienen.

Kollisionsereignisse
Kollisionsereignisse - im Inneren des Belle II-Detektors. © KEK/Belle II
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Seit etwa einem Jahr produziert das Belle II-Experiment Daten für physikalische Messungen. Sowohl der Elektron-Positron-Beschleuniger SuperKEKB als auch der Detektor Belle II waren in mehrjährigen Umbauarbeiten gegenüber den Vorgängern verbessert worden, um eine 40 Mal höhere Rate an Daten zu erzielen. Nun sind die ersten Resultate des Detektors veröffentlicht.

Wissenschaftler an zwölf Instituten in Deutschland sind maßgeblich am Bau und Betrieb des Detektors, der Entwicklung von Auswertungsalgorithmen und der Analyse der Daten beteiligt. Das Silizium-Labor des Physikalischen Instituts der Universität Bonn leistete federführende Beiträge bei der Entwicklung des hochsensiblen innersten Detektors, dem Pixel-Vertex-Detektor.

Mit Belle II suchen Wissenschaftler nach Spuren neuer Physik, mit der sich zum Beispiel das ungleiche Vorkommen von Materie und Antimaterie oder die mysteriöse Dunkle Materie erklären lassen. Eines der bisher unentdeckten Teilchen, nach dem der Belle II-Detektor Ausschau hält, ist das Z‘-Boson – eine Variante des bereits nachgewiesenen Z-Bosons. Letzteres agiert als Austauschteilchen für die schwache Wechselwirkung.

„Soweit wir wissen, besteht etwa 25 Prozent des Universums aus Dunkler Materie, wohingegen die sichtbare Materie knapp fünf Prozent des Energiebudgets ausmacht“, sagt Prof. Dr. Florian Bernlochner vom Physikalischen Institut der Universität Bonn. Beide Materieformen ziehen sich gegenseitig über die Schwerkraft an. So bildet die Dunkle Materie eine Art Schablone für die Verteilung der sichtbaren Materie, was sich zum Beispiel in der Anordnung von Galaxien im Universum zeigt.

Bindeglied zwischen Dunkler und normaler Materie

„Das Z‘-Boson könnte eine interessante Rolle beim Zusammenspiel von Dunkler und normaler, sichtbarer Materie spielen, also eine Art Vermittler zwischen den beiden Materieformen sein“, sagt Prof. Dr. Jochen Dingfelder vom Physikalischen Institut der Universität Bonn. Das Z‘ kann – zumindest theoretisch – aus der Kollision von Elektronen (Materie) und Positronen (Antimaterie) im SuperKEKB hervorgehen und dann in unsichtbare Dunkle-Materie-Teilchen zerfallen.

Somit kann das Z‘-Boson helfen, das Verhalten von Dunkler Materie zu verstehen – und nicht nur das: Mit der Entdeckung des Z‘ ließen sich auch andere Beobachtungen erklären, die nicht mit dem Standardmodell, der grundlegenden Theorie der Teilchenphysik, in Einklang stehen.

Wichtiges Indiz: Nachweis von Myonenpaaren

Doch wie lässt sich das Z‘-Boson im Belle II-Detektor aufspüren? Nicht auf direktem Weg, so viel ist sicher. Theoretische Modelle und Simulationsrechnungen sagen voraus, dass sich das Z‘ durch Wechselwirkungen mit Myonen, schwereren Verwandten der Elektronen, verraten könnte: Wenn die Wissenschaftler nach den Elektron-/Positron-Zusammenstößen eine ungewöhnliche hohe Anzahl an Myonen-Paaren mit gegensätzlicher Ladung sowie unerwartete Abweichungen bei Energie- und Impulserhaltung entdecken, wäre das ein wichtiges Indiz für das Z‘. Allerdings lieferten die neuen Belle II-Daten noch keine Anzeichen für das Z'-Boson. Jedoch kann man mit den neuen Daten die Masse und Kopplungsstärken des Z'-Bosons mit einer bisher unerreichbaren Genauigkeit einschränken.

Mehr Daten, genauere Analysen

“Diese erste Messung demonstriert das Potential von Belle II, nach neuen Physikphänomenen zu suchen. Wir werden in den kommenden Jahren eine Vielzahl solcher aufregenden Messungen durchführen”, resümiert Prof. Dr. Norbert Wermes vom Physikalischen Institut der Universität Bonn. Diese ersten Ergebnisse stammen aus der Analyse einer kleinen Menge an Daten, die noch in der Anlaufphase von SuperKEKB im Jahr 2018 gewonnen wurden. Seinen Vollbetrieb nahm Belle II am 25. März 2019 auf. Seither sammelt das Experiment Daten, während gleichzeitig die Kollisionsrate von Elektronen und Positronen stetig verbessert wird.

Wenn das Experiment perfekt eingestellt ist, wird es ein Vielfaches der Daten liefern, die in die aktuell veröffentlichten Analysen eingeflossen sind. Die Physiker hoffen so, neue Erkenntnisse über die Natur der Dunklen Materie und andere ungeklärte Fragen zu erzielen.

Die deutschen Arbeitsgruppen im Belle II-Experiment werden mit Finanzmitteln folgender Einrichtungen und Programme gefördert: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder, Helmholtz-Gemeinschaft und Max-Planck-Gesellschaft.

Publikation: Search for an invisibly decaying Z’ boson at Belle II in e+e– → μ+ μ– (e+ – μ– +) + missing energy final states, The Belle II Collaboration, Physical Review Letters, DOI: 10.1103/PhysRevLett.124.141801

Kontakt:

Prof. Dr. Florian Bernlochner
Physikalisches Institut
Universität Bonn
Tel. +49-(0)228-736344
E-Mail: florian.bernlochner@uni-bonn.de

Prof. Dr. Jochen Dingfelder
Physikalisches Institut
Universität Bonn
Tel. +49-(0)228-733532
E-Mail: dingfelder@physik.uni-bonn.de

Der Belle II-Detektor
Der Belle II-Detektor - sucht nach dem Z‘-Boson. Dieses könnte sich – wie hier dargestellt – durch das gehäufte Auftreten von Myonen-Paaren zeigen. © KEK/Belle II
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