Etwa 120 Millionen Menschen sind über Mückenstiche mit parasitären Fadenwürmern (Filarien) infiziert, die zum Krankheitsbild der Elefantiasis (lymphatische Filariose) führen können, bei der es durch Lymphstau zu Vergrößerungen der Extremitäten beziehungsweise der Hoden kommen kann. Weitere 17 Millionen Menschen sind mit Filarien infiziert, die die Onchozerkose auslösen können. Diese Erkrankung kann zur Erblindung und zu schweren Hautentzündungen führen.
Die Bekämpfung dieser Krankheiten erfolgt durch Massenbehandlungen mit Medikamenten, die die Übertragung der Erkrankung zeitweise unterbinden, aber nicht die adulten Würmer abtöten. „Somit müssen die Wirkstoffe im halbjährlichen bis jährlichen Abstand für die Lebensdauer der Filarien gegeben werden, die mehr als zehn Jahre betragen kann“, sagt Prof. Dr. Achim Hörauf, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie (IMMIP) am Universitätsklinikum Bonn (UKB). Prognosen gehen davon aus, dass Filariosen durch Massenbehandlungen nicht vor 2050 verschwunden und auch dann nicht in ganz Afrika beseitigt sein werden.
Gesucht: Medikamente, die auch die erwachsenen Filarien abtöten
Nach den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung sollen unter anderem auch schwere Erkrankungen bis zum Jahr 2030 bekämpft werden. „Um die Eliminierung der Onchozerkose und lymphatischen Filariose zu beschleunigen, werden deshalb Medikamente benötigt, die auch die erwachsenen Filarien abtöten“, sagt Privatdozent Dr. Marc P. Hübner vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie des Bonner Uniklinikums. Ein erstes solches Medikament ohne starke Nebenwirkungen und Goldstandard war Doxycyclin, dessen Wirkung auf die Filarien von der Bonner Gruppe zusammen mit Kollegen aus Ghana entdeckt wurde. Es eliminiert endosymbiontische Bakterien der Gattung Wolbachia, die die Filarien zum Überleben brauchen. Hübner: „Werden mit dem Wirkstoff die Bakterien abgetötet, sterben auch die Fadenwürmer.“ Schwangere, stillende Mütter und Kinder unter acht Jahren dürften jedoch Doxycyclin nicht einnehmen. Ein weiterer Nachteil sei die lange, tägliche Behandlung über vier bis fünf Wochen hinweg.
Kooperation mit verschiedenen Partnern führte zum Erfolg
Um neue Medikamente zur Abtötung erwachsener Filarien voranzutreiben wurde vor zehn Jahren mit Unterstützung der Bill & Melinda Gates Stiftung das Anti-Wolbachia Konsortium (A-WOL, Koordination Liverpool School of Tropical Medicine) und vor fünf Jahren das Macrofilaricidal Drug Accelerator Programm (MacDA) gegründet. „Durch die Zusammenarbeit der gemeinnützigen Bill & Melinda Gates Stiftung sowie der Drugs for Neglected Disease initiative (DNDi) mit Partnern aus der Industrie und Akademie wurde nun ein erster Kandidat identifiziert, der eine tödliche Wirkung für erwachsene Filarienwürmer klar in Tiermodellen der Filariose zeigt“, berichtet Hörauf. Ein weiterer Vorteil sei, dass der Wirkstoff nur maximal zwei Wochen eingenommen werden müsse.
Im Journal „Science Translational Medicine“ wird nun mit ABBV-4083 ein klinischer Kandidat des Pharma-Unternehmens Abbvie präsentiert, der in präklinischen Tiermodellen am IMMIP des Universitätsklinikums Bonn und der Liverpool School of Tropical Medicine bereits nach zwei Wochen Behandlung eine effiziente Wirkung gegen die Wolbachia-Endosymbionten der Filarien zeigte. Eine klinische Phase-I-Studie mit gesunden männlichen Probanden wurde bereits erfolgreich abgeschlossen, und eine klinische Phase-II-Studie mit Filariosepatienten soll nun umgesetzt werden.
„ABBV-4083 ist somit ein erster klinischer Kandidat, um die Eliminierung der Onchozerkose und lymphatischen Filariose zu erreichen und die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung 2030 einzuhalten“, sagt Hübner. Ein weiterer Kandidat, der in diesem Zusammenhang mit Hilfe des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) entwickelt wird, ist Corallopyronin A. Der Wirkstoff hat im Tiermodell erwiesen, dass er die Endosymbionten der Filarien sogar noch effektiver abtötet. Zudem wirkt er gegen weitere Erreger wie MRSA und Gonokokken und Chlamydien.
Hörauf: „Weitere solche Wirkstoff-Kandidaten werden dringend benötigt, um neue Medikamente gegen diese verbreiteten Erkrankungen zur Verfügung zu haben.“ Dies betreffe nicht nur die parasitischen Würmer, sondern auch Bakterien, bei denen weltweit die Resistenzen gefährlich zunehmen. „Deshalb freuen wir uns, wenn es gelingt, gleich gegen mehrere Infektionserreger einen Wirkstoff zu entwickeln“, so Hörauf weiter. „Hierfür sind unsere internationalen Konsortien und insbesondere auch das DZIF ideale Plattformen, wo die benötigten Expertisen der Wissenschaft und der Industrie zusammengebracht werden können.“
Publikation: Mark J. Taylor, Thomas W. von Geldern, Louise Ford, Marc P. Hübner, Kennan Marsh, Kelly L. Johnston, Hanna T. Sjoberg, Sabine Specht, Nicolas Pionnier, Hayley E. Tyrer, Rachel H. Clare, Darren A. N. Cook, Emma Murphy, Andrew Steven, John Archer, Dominique Bloemker, Franziska Lenz, Marianne Koschel, Alexandra Ehrens, Haelly M. Metuge, Valerinne C. Chunda, Patrick W. Ndongmo Chounna, Abdel J. Njouendou, Fanny F. Fombad, Robert Carr, Howard E. Morton, Ghaith Aljayyoussi, Achim Hoerauf, Samuel Wanji, Dale J. Kempf, Joseph D. Turner, Stephen A. Ward: Preclinical development of an oral anti-Wolbachia macrolide drug for the treatment of lymphatic filariasis and onchocerciasis, Science Translational Medicine, DOI: 10.1126/scitranslmed.aau2086
Kontakt für die Medien:
Privatdozent Dr. Marc P. Hübner
Institut für Medizinische Mikrobiologie,
Immunologie und Parasitologie (IMMIP)
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Prof. Dr. Achim Hörauf
Direktor des Instituts für Medizinische
Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie (IMMIP)
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