Warum haben Sie sich für das YAM-Programm beworben?
In erster Linie, um Kontakte zu knüpfen und mich mit erfahrenen Mathematiker:innen auszutauschen. Als junger Wissenschaftler halte ich beides für notwendig, um mich auf meinem Gebiet zu entwickeln.
Was fasziniert Sie an der Mathematik?
Mich fasziniert vor allem, wie sich die Mathematik auf unser tägliches Leben anwenden lässt und wie sie die Arbeitseffizienz in vielen Bereichen verbessern kann.
Mit welcher wissenschaftlichen Frage haben Sie sich in den letzten Monaten in Bonn beschäftigt?
Ich arbeite an der Schnittstelle von Mathematik und Lebenswissenschaften. In der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Jan Hasenauer am LIMES-Institut habe ich mich in den vergangenen Monaten mit dem primären Cilium beschäftigt. Das ist eine Zellorganelle, die aus der Membran der meisten Säugetierzellen herausragt und Signale zwischen den Zellen und ihrer Umgebung vermittelt. Ist das primäre Cilium in seiner Funktion gestört, führt das zu genetisch bedingten Erkrankungen, auch Ziliopathien genannt. Dazu zählen zum Beispiel polyzystische Nierenerkrankungen, Netzhautdegeneration, Fettleibigkeit, Skelettfehlbildungen oder Gehirnanomalien. Für die Behandlung dieser Krankheiten ist es von entscheidender Bedeutung, mehr über das Cilium zu wissen. Es ist bekannt, dass eine Zunahme des Moleküls cAMP (Cyclisches Adenosinmonophosphat) zu einer Zunahme der Länge des primären Ciliums führt. Es stellt sich die Frage, durch welche Mechanismen das Molekül die Länge des Ciliums beeinflusst, wenn man die Konzentrationsniveaus von cAMP an verschiedenen Stellen des Ciliums berücksichtigt. Hier arbeiten wir mit mathematischen Modellierungen.
Sie haben in Ghana studiert und beginnen nach Ihrem Aufenthalt in Deutschland eine Doktorandenstelle in Kanada. Ihre wissenschaftliche Reise hat gerade erst begonnen. Wo sehen Sie sich in Ihrer Zukunft?
Ich kann mir vorstellen, in Ghana eine Karriere in der Mathematik zu machen, vor allem wegen der vielen Probleme, die ich mithilfe der Mathematik lösen könnte. Natürlich ist Ghana ein Entwicklungsland, und die begrenzten Mittel stellen eine Herausforderung dar – aber angesichts der vor Ort benötigten Ressourcen könnte ich mir keinen anderen Ort als Ghana vorstellen.
Sie engagieren sich auch neben Ihrer akademischen Laufbahn und waren in Ghana in zwei Gremien als Präsident aktiv. Welche Art von Aufgaben bringt ein solches Engagement mit sich, und warum halten Sie es für wichtig?
Ich war Vizepräsident der National Association for Mathematics Students in Ghana (NAMS-Gh) und im gleichen Zeitraum auch Präsident der Mathematics Society of the University of Ghana (TMS-UG). Das bedeutete, dass ich im Wesentlichen die Mitglieder dieser Vereinigungen auf nationaler und universitärer Ebene vertreten habe. Da jede Führungspersönlichkeit ihren eigenen Aktionsplan hat, bestand mein persönliches Ziel darin, Menschen in der Mathematik zu motivieren, das Fach weiter zu studieren und eine Karriere daraus zu machen. Der Vorstand und ich erreichten das zum Beispiel durch Seminarprogramme, Live-Radio-Talkshows oder Filmvorführungen. Außerdem haben wir so viele Ausschüsse wie möglich eingerichtet, damit die Mitglieder eine Stimme in der Vereinigung haben.
Darüber hinaus habe ich unter anderem Cricket und Baseball für die Legon Hall an der Universität von Ghana gespielt, bei der Planung der 66. Legon-Hall-Woche mitgeholfen, war Bibliothekar und Veranstaltungsplaner an der Universität von Ghana sowie am AIMS (African Institute for Mathematical Sciences) in Ruanda.
Ich finde diese Verpflichtungen wichtig, um mein akademisches und soziales Leben in Einklang zu bringen. Außerdem lerne ich dadurch mehr Möglichkeiten kennen, wie ich mein mathematisches Wissen einsetzen kann, um zum Beispiel die Effizienz in verschiedenen Arbeitsbereichen zu verbessern. Darüber hinaus machen mich solche Engagements kreativ. Ich lerne unter anderem verschiedene Möglichkeiten kennen, wie ich eine Veranstaltung angehen kann. Auch das finde ich wichtig für meine Karriere als Mathematiker.
Wie hat es Ihnen am Hausdorff Center for Mathematics gefallen?
Das Hausdorff Center for Mathematics hat sich mir als ein sehr seriöser Ort präsentiert. Bei meiner Ankunft in Bonn musste ich zum Beispiel das Zentrum aufsuchen, um meine Ankunft anzukündigen. Nach einer kurzen Vorstellung bei zwei Doktoranden baten sie mich direkt, mit ihnen etwas Mathematik zu machen. Vor allem aber ist es faszinierend, so viele Expert:innen aus den verschiedensten Bereichen der Mathematik an einem Ort zu haben. Es gibt immer jemanden, an den man sich mit jedem Problem wenden kann.
Was werden Sie aus Ihrer Zeit in Bonn lernen?
Ich habe so viel über die Stadt gelernt, über die Architektur, die Gestaltung und die Einhaltung der Verkehrsregeln – auch wenn ich mich manchmal dabei ertappt habe, letztere nicht einzuhalten. Und nicht zu vergessen die Menschen. Die meisten Menschen sind freundlich, und manche grüßen einen, wenn man ihnen auf der Straße begegnet. Ein weiteres Beispiel ist, dass ich allein in der Mensa zu Mittag gegessen habe, als sich ein Fremder neben mich setzte und mich über 30 Minuten lang in ein Gespräch verwickelte.
Sie beginnen bald mit Ihrer Doktorarbeit. Womit werden Sie sich in Ihrem Projekt beschäftigen?
Im Mittelpunkt meiner Doktorarbeit steht das Verständnis der Wechselwirkung zwischen der Dynamik von Infektionskrankheiten und der Dynamik des Verhaltens der Bevölkerung. Im Wesentlichen geht es darum, wie Veränderungen im menschlichen Verhalten die Ausbreitung eines Krankheitserregers in einer Population beeinflussen. Ein Thema, das derzeit durch die Corona-Pandemie hochaktuell ist.
Und zu guter Letzt, was ist Ihr großes Ziel als Wissenschaftler?
Mein großes Ziel als Wissenschaftler ist es, dass meine Arbeit oder eine Arbeit, zu der ich beigetragen habe, in die politische Entscheidungsfindung einfließt, um die Lebensbedingungen zu verbessern. Oder dass meine Arbeit das Leben der Menschen besser und sicherer macht.
Das YAM-Programm:
Das Young African Mathematicians (YAM) Bonn Visitor Program ist eine Kooperation des Exzellenzclusters HCM mit dem International Office der Universität Bonn und dem African Institute for Mathematical Sciences (AIMS) mit seinen fünf Exzellenz-Zentren in Ruanda, Senegal, Ghana, Kamerun und Südafrika. Es handelt sich um ein Förderprogramm für Nachwuchsforschende in der Mathematik und soll gleichzeitig die Internationalisierung der Universität Bonn fördern und dabei einen Schwerpunkt auf den afrikanischen Kontinent legen. Durch das Eintauchen in die mathematischen Aktivitäten an der Universität Bonn lernen die Studierenden sowie Absolventinnen und Absolventen ein hochqualitatives internationales Forschungsumfeld kennen.
Jedes Jahr werden drei Mathematiker und Mathematikerinnen in einem mehrstufigen Auswahlverfahren von einer Kommission in Afrika ausgewählt. Am HCM arbeiten sie dann an Projekten mit, nehmen an Veranstaltungen teil und knüpfen ein Netzwerk. All das soll ihnen dabei helfen, ihre persönliche Karriere zu fördern und langfristig auch die Forschungsinfrastruktur in ihrer Heimat voranzubringen.
Initiiert wurde das Programm von der Mathematikerin Prof. Dr. Franca Hoffmann. Sie ist seit knapp eineinhalb Jahren eine von sechs sogenannten Bonn Junior Fellows am HCM. Seit langem engagiert sie sich in verschiedenen Mathematik-Projekten und Organisationen in Afrika. Am AIMS koordiniert sie derzeit nebenberuflich den Aufbau einer Doktorandenschule in Datenwissenschaft.