Die fünf Bilder zeigen Euclids volles Potenzial. Sie verdeutlichen, dass das Teleskop bereit ist, die umfangreichste 3D-Karte des Universums zu erstellen, um einige seiner dunklen Geheimnisse aufzudecken. Die deutschen Mitglieder des Euclid-Konsortiums sind an vorderster Linie an den Forschungen beteiligt und steuern zentrale technische Komponenten und logistische Dienstleistungen bei.
Euclids wichtigste Aufgabe ist, die detaillierteste 3D-Kartierung des dunklen Universums vorzunehmen, die es je gab. Dieses spezielle Teleskop hilft dabei herauszufinden, wie Dunkle Materie und Dunkle Energie unser Universum so aussehen lassen, wie es heute der Fall ist. 95 Prozent unseres Kosmos scheint aus diesen mysteriösen „dunklen“ Zutaten zu bestehen. Während die Dunkle Materie die Gravitationswirkung zwischen und innerhalb von Galaxien bestimmt und zunächst für eine Abbremsung der Ausdehnung des Weltalls sorgte, ist die Dunkle Energie für die derzeitige beschleunigte Expansion des Universums verantwortlich. Allerdings verstehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch nicht, woraus sie bestehen, da ihre Anwesenheit nur sehr subtile Veränderungen im Aussehen und in den Bewegungen der Objekte verursacht, die zu beobachten sind.
Um den „dunklen“ Einfluss auf das sichtbare Universum aufzuspüren, wird Euclid mit seinen beiden Instrumenten VIS (Visible Instrument) und NISP (Nah-Infrarot Spektrograf und Photometer) in den nächsten sechs Jahren die Formen, Entfernungen und Bewegungen von Milliarden von Galaxien bis zu 10 Milliarden Lichtjahre entfernt beobachten. Dadurch wird es die umfangreichste kosmische 3D-Karte erstellen, die jemals angefertigt wurde.
Dazu erläutert Matthias Kluge, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching und an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München: „Mit Euclids riesigem Bildfeld und seiner hohen Empfindlichkeit lassen sich die Galaxien im Perseus-Galaxienhaufen bis an ihre äußersten und leuchtschwächsten Regionen vermessen. Zusammen mit den zahlreichen Kugelsternhaufen, die wir in den gestochen scharfen Bildern entdecken, gewinnen wir damit neue Erkenntnisse über die späten Stadien der Galaxienentwicklung, wenn Galaxien miteinander kollidieren und verschmelzen.“
Euclids erster Blick auf den Kosmos ist nicht nur schön, sondern auch von großem Wert für die Wissenschaft. Erstens zeigt er, dass das Euclid-Teleskop und die Instrumente extrem gut funktionieren und dass die Astronomen Euclid nutzen können, um die Verteilung der Materie im Universum und seine Entwicklung auf den größten Entfernungen zu untersuchen. Zweitens enthält jedes einzelne Bild eine Fülle von neuen Informationen über das nahe Universum. Auf diese Weise führen diese Bilder über den Bereich der Dunklen Materie und der Dunklen Energie hinaus und zeigen, wie Euclid eine Fundgrube für Erkenntnisse über die Physik einzelner Sterne, der Milchstraße und anderer Galaxien schaffen wird.
Was Euclids Sicht auf das Universum besonders macht, ist seine Fähigkeit, in nur einem Durchgang ein bemerkenswert scharfes sichtbares und Infrarotbild über einen großen Teil des Himmels zu erstellen. In Kombination mit Bilddaten von bodengebundenen Teleskopen wird der größte und präziseste Multiwellenlängenkatalog der extragalaktischen Astronomie entstehen.
„Mit den ersten wissenschaftlichen Bildern und der hervorragenden Bildqualität, vor allem auch unseres Instruments NISP, sind wir froh und stolz zu diesen tollen Ergebnissen beigetragen zu haben“, sagt Frank Grupp (MPE, LMU), unter dessen Leitung am MPE die Optik des NISP-Instruments entwickelt und gebaut wurde. Euclid enthält die größten optischen Linsen, die jemals für eine wissenschaftliche Weltraummission entwickelt wurden.
„Die herausragende Kombination von Kameragröße und Bildschärfe erlaubt die beispiellose Untersuchung von astronomischen Objekten auf den unterschiedlichsten Skalen in einer einzigen Aufnahme“, sagt Reiko Nakajima vom Argelander-Institut für Astronomie (AIfA) der Universität Bonn, die als Instrument-Wissenschaftlerin verantwortlich für die Bildqualität des optischen 600 Megapixel VIS-Instruments ist.
Nun gilt es, in den kommenden Monaten und Jahren die Fülle von Daten auszuwerten, was schließlich in einer stattlichen Anzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen münden wird. Zudem werden Euclids Ergebnisse weitere Nachfolgebeobachtungen mit anderen Teleskopen nach sich ziehen, um die Kenntnisse über die einzelnen Objekte zu vervollständigen.
Die Mission
Euclid ist eine Weltraummission der Europäischen Weltraumagentur (ESA) mit Beiträgen der National Aeronautics and Space Administration (NASA). Im „Cosmic Vision“-Programm der ESA ist es die zweite M-Klasse-Mission.
Die Partner
VIS und NISP wurden von einem Konsortium aus Wissenschaftlern und Ingenieurinnen aus 17 Ländern entwickelt und gebaut, viele aus Europa, aber auch aus den USA, Kanada und Japan. Aus Deutschland beteiligen sich das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg, das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching, die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München, die Universität Bonn (UB), die Ruhr-Universität Bochum (RUB) sowie die Deutsche Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn.
Originalpressemitteilung der deutschen Mitglieder des Euclid-Konsortiums mit zusätzlichen Bildern:
https://www.mpia.de/aktuelles/2023-euclid-ero-first-images