"Die neue Biosensor-Messstation ist eine technische Revolution auf dem Gebiet der Wirkstoff- und Pharmaforschung", freut sich Professor Dr. Evi Kostenis vom Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Bonn. "Häufig werden neue Wirkstoffe in zellulären Systemen entwickelt, die sehr unnatürlich und weit entfernt von der physiologischen Situation im Organismus sind. Dies führt dazu, dass die Substanzen in der Praxis versagen. Mit der neuen Technik können wir neue Wirkstoffe tatsächlich in Zellen testen, in denen sie später auch zum Einsatz kommen! Zudem ermöglicht das neue Gerät eine schnellere Wirkstoffentwicklung."
Jede Körperzelle ist ein kleines Lebewesen. Damit sie sich in die innere Ordnung des Körpers einfügt, muss sie von außen durch Botenstoffe gesteuert werden. Im Zellinneren steht ein Netzwerk chemischer Signalwege bereit, um die Botschaft weiterzuleiten und in eine Funktionsänderung umzusetzen. Bei Krankheiten gilt es, aus der Ordnung geratene Zellfunktionen zu normalisieren. Je besser die chemischen Signalwege bekannt sind, um so präziser kann mit Arzneimitteln regulierend eingegriffen werden.
Bisher war es kaum möglich, an lebenden Zellen die Aktivierung von Signalwegen zu verfolgen und aufzuschlüsseln. Die neue Biosensor-Technologie, die von der US-Firma Corning mitentwickelt wurde, könnte das ändern. Sie macht sich zu Nutze, dass sich je nach Signalweg nicht nur die Funktion von Zellen ändert, sondern die Anordnung ihrer inneren Bestandteile. Das Hightech-Gerät kann diese Änderungen erfassen, indem es die Zellen durchleuchtet und dann die Lichtbrechung misst. So einfach dies klingt, so groß ist der technische Aufwand: Um winzig kleine Behältnisse mit Zellen sind Mess-, Regel- und EDV-Apparaturen angeordnet, die einen ganzen Laborraum füllen.
Gerät analysiert pro Stunde 5.000 Proben
Mit dem neuen Verfahren lassen sich innerhalb eines Acht-Stunden-Tages etwa 40.000 Proben analysieren. Es liefert dabei nicht nur Informationen darüber, ob Wirkstoffe Rezeptoren an- oder abschalten, sondern auch über den komplexen zellulären Wirkmechanismus der Substanz, was andere derzeit verfügbare Technologien nicht leisten können.
Professor Dr. Evi Kostenis nutzt die Biosensor-Technologie beispielsweise, um die Kommunikation zwischen Botenstoffen, Signalempfängern auf der Zelloberfläche und Signalvermittlern im Zellinneren zu verstehen. "Wir untersuchen, welchen Einfluss körpereigene Botenstoffe, Naturstoffe und synthetische Wirkstoffe auf die Signalwege ausüben", erklärt sie. "Wir wollen so herausfinden, ob dieser Einfluss zur Entwicklung neuartiger Arzneimittel genutzt werden kann." Auch Wissenschaftler aus dem Pharmazeutischen Institut profitieren bereits von dem neuen Gerät. So geht Professor Dr. Klaus Mohr der Frage nach, wie man künstliche Botenstoffe nach Wunsch "designen" und dadurch die Zellfunktion gezielt steuern kann.
Nach Aussage des Herstellers besitzt außer der Universität Bonn nur eine weitere Hochschule in den USA die neue Technik. In Bonn ist die Arbeitsstation im Institut für Pharmazeutische Biologie installiert, kann aber auch von kooperierenden Arbeitsgruppen genutzt werden. Das Institut hat diesbezüglich bereits Anfragen von renommierten Forschungszentren erhalten, so beispielsweise von dem Karolinska-Institut in Schweden. Evi Kostenis: "Wir stehen solchen Anfragen grundsätzlich positiv gegenüber, da von Kooperationen auch unsere eigenen Projekte profitieren können."
Kontakt:
Professor Dr. Evi Kostenis
Institut für Pharmazeutische Biologie
Telefon: 0228/73-2678
E-mail: kostenis@uni-bonn.de
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Die Forscherinnen Stefanie Blättermann und Nicole Merten in vor der Epic Messstation bei der Auswertung der optischen Signaturen (c) Corning USA
Das Bild zeigt eine so genannte Mikrotiterplatte, auf der sich mehrere hundert Proben gleichzeitig messen lassen. Die Regenbogen-Farben rühren von dem eingebauten Biosensor (c) Uni Bonn