28. Februar 2024

„Jemand musste die Schätze heben“ „Jemand musste die Schätze heben“

Vorsitzender Prof. Dr. Engels über das Wirken des Hochschulrats

Seit 15 Jahren gibt es den Hochschulrat der Universität Bonn. Wohl niemand kennt das Gremium besser als Prof. Dr. Dieter Engels, der ihm seit zehn Jahren angehört und es als Vorsitzender leitet. Kürzlich ist seine dritte Amtszeit angebrochen. Mit Prof. Engels sprach Andreas Archut.

Prof. Engels
Prof. Engels © Jürgen Hoffmann / Uni Bonn
Alle Bilder in Originalgröße herunterladen Der Abdruck im Zusammenhang mit der Nachricht ist kostenlos, dabei ist der angegebene Bildautor zu nennen.

Guten Tag, Herr Professor Engels! Der Hochschulrat wurde 2008 unter „Geburtswehen“ eingeführt. Anfangs gab es sogar Studierendenproteste gegen das Gremium. Wie ist das heute? 

Prof. Engels: Das ist nicht mehr so. Anfangs hieß es vor allem unter Studierenden, wir seien „wirtschaftslastig“. Aber als ich den damaligen AStA-Vorsitzenden darauf hinwies, dass keines unserer Mitglieder aus der Wirtschaft stammt, verstummte diese Kritik . Heute tauschen wir uns regelmäßig mit der Vertretung der Studierendenschaft aus. In unserer letzten Sitzung etwa gab uns die AStA-Vorsitzende Einblicke in das Leben der Studierenden. In aller Regel geht es dabei um aktuelle Themen wie Lehre, BAFöG, die Wohnraumsituation hier in Bonn oder Mobilitätsfragen wie das Studierenden-Ticket. Es sind also die Alltagssorgen, die wir hören.

Wahrscheinlich werden sie oft gefragt, was denn eigentlich der Hochschulrat ist und macht und wie er sich zusammensetzt?

Prof. Engels: Das steht im Hochschulgesetz: Es geht um die Beratung des Rektorats und um dessen Kontrolle. Das Gesetz formuliert das bewusst in dieser Reihenfolge. Darüber hinaus gehören die neun externen Mitglieder des Hochschulrats der Hochschulwahlversammlung an, die die Mitglieder des Rektorats wählt. Daneben habe ich als ehrenamtlicher Vorsitzender die weitgehend unbekannte Aufgabe, der Dienstvorgesetzte des Rektors und des Kanzlers zu sein.

 

Gerade eben erst haben sie den Rektor für eine dritte Amtszeit ab 2025 wiedergewählt. 

Prof. Engels: Als Herr Hoch zum ersten Mal gewählt wurde, war der Hochschulrat noch alleine für die Rektorwahl zuständig. Die Last, eine geeignete Persönlichkeit zu finden, lag zunächst vor allem auf meinen Schultern. Da war ich dankbar, Herrn Hoch zu begegnen. Ich wusste damals sehr schnell, dass er „unser Mann“ ist. Er war   mitreißend und voller Pläne und auch bereit, auf unsere Ideen einzugehen. Diese Universität war immer ungeheuer stark, und der neue Rektor sollte ihre Schätze für die Zukunft heben. Das haben wir Herrn Hoch zugetraut. Und so ist es ja auch gekommen.

 

Sie haben Herrn Hoch nach der Wahl als den „Rektor des Jahrhunderts“ bezeichnet. Sind das „Vorschusslorbeeren“ für die dritte Amtszeit?

Prof. Engels: Er hat sich viel vorgenommen, auch mit Blick auf die Studierendenschaft. Ich traue ihm zu, dass er seine Vorsätze in die Tat umsetzt. Ich weiß, wovon ich rede. Herr Hoch und ich setzen uns jedes Jahr zum Jahresende zusammen und betrachten die Ziele, die wir gemeinsam definiert haben . Sind sie erreicht? Wenn ja, prima. Wenn nein, warum nicht? Aber das Nein kommt so gut wie nie vor.

 

Wenn der Hochschulrat zusammenkommt, wie läuft das praktisch ab?

Prof. Engels: In der Regel tagt zuerst der Finanzausschuss des Hochschulrates, der sich vor allem mit Finanzfragen und Verwaltungsprojekten beschäftigt, also Bauen, Anmietungen, IT, Technik. Anschließend trifft sich der Hochschulrat. Mit dabei sind auch die Gleichstellungsbeauftragte und der Senatsvorsitzende; ein gutes Verhältnis mit ihnen ist uns sehr wichtig.  In jeder Sitzung berichten der Rektor und die übrigen Rektoratsmitglieder zu strategisch und aktuell bedeutsamen Fragen sowie zu wechselnden Schwerpunktthemen. Den Abschluss bilden die Finanzfragen. Wir fassen Beschlüsse zu all diesen Fragen, stimmen etwa Rektoratsvorlagen zu oder stellen Forderungen an das Rektorat, die wir dann zwei oder drei Sitzungen später wieder ansprechen.

 

Wird der Hochschulrat als Ratgeber in Anspruch genommen?

Prof. Engels: Ja, sehr. Das liegt unter anderem an unserer Zusammensetzung. Wir haben vier interne Mitglieder, hiesige Professorinnen und Professoren, die einen Blick für die gesamte Universität haben. Und neun Externe, die viele Erfahrungen und ihre Außenperspektive mitbringen, Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Verwaltung und Politik, so u.a. zwei ehemalige Wissenschaftsminister*innen. Da ergeben sich viele Beratungsmöglichkeiten.

 

Welche hochschulpolitische Entwicklung hätte es an der Uni Bonn ohne den Hochschulrat nicht gegeben?

Prof. Engels: Erfolgreiche Entwicklungen haben immer viele Mütter und Väter. Aber: Es hätte wohl unseren Rektor so nicht gegeben, und der Hochschulrat hat auch daran mitgewirkt, dass wir mit Holger Gottschalk einen sehr guten Kanzler gefunden haben. Drittens haben wir dafür gesorgt, dass der Rektor ein Team um sich hat, das als Leitung funktionieren kann, etwa auch durch die Zuarbeit von Referentinnen und Referenten. Unsere Universität kann im nationalen und internationalen Wettbewerb nur mit effektiven Managementstrukturen bestehen. Deswegen haben wir auch auf ein gemeinsames Rektoratsgebäude gedrungen, in dem sich alle Mitglieder des Rektorats und ihre Mitarbeiter*nnen begegnen können. Das war alles nicht selbstverständlich. Es gab Stimmen, das wäre alles viel zu teuer. Aber manchmal muss man Geld in die Hand nehmen, um mehr zu generieren. Das Rektorat hat einen großen Anteil daran, dass wir letztlich Exzellenzuniversitäten geworden sind und jetzt über sehr große finanzielle Mittel verfügen.

 

Spricht da aus Ihnen der frühere Präsident des Bundesrechnungshofs?

Prof. Engels: Ja. Wirtschaftlich zu handeln, heißt nicht immer, die billigste Lösung zu wählen, sondern Ressourcen so einzusetzen, dass man sie vermehren kann. Nicht nur Geld, auch Forschungs- und Arbeitsmöglichkeiten kann man vergrößern, ohne auf kaufmännischen Gewinn zu zielen. Das ist der entscheidende Unterschied zwischen Unternehmen und Universitäten. Wir haben als Hochschulrat immer darauf geachtet, dass wir die besten Köpfe weltweit nach Bonn locken und ihnen gute Bedingungen für Forschung und Lehrtätigkeit zu geben. Das kostet Geld, etwa für Labore, technische Ausstattung und insgesamt gute Arbeitsbedingungen. Leider haben noch nicht alle eine ästhetisch schöne Arbeitsumgebung, die zum kreativen Arbeiten einlädt.

 

Haben Sie als langjähriger Hochschulratsvorsitzender, der auch in Bonn studiert hat, Neues über unsere Universität gelernt?

Prof. Engels: Nicht viel. Aber Neues zeigte sich ganz deutlich, als wir 2018 das 200-jährige Bestehen feierten. Welcher Enthusiasmus! Welches Wir-Gefühl! Das kannte ich so nicht. Zu meiner Studienzeit ging es wesentlich trockener, nüchterner und behäbiger zu. Die Uni galt als sehr konservativ. Das hat sich in meinen Augen geändert. Zudem ist die Universität jünger und weiblicher geworden. Als ich Jura studierte, gab es an der Fakultät fast ausschließlich Professoren. Das ändert sich seit zehn Jahren, und da hat der Hochschulrat „den Daumen drauf“. Sehr erfreulich ist, dass das Rektorat auch mit Blick auf die Exzellenzstrategie die konkrete Zusage gemacht hat, bis 2026 30 Prozent aller Professuren mit Frauen zu besetzen. Dieses Ziel ist schon fast erreicht. Das ändert die Atmosphäre fundamental!

 

Was haben Sie sich für Ihre dritte Amtszeit vorgenommen?

Prof. Engels: Wir wollen den von Rektorat, Senat und uns eingeschlagenen Weg konsolidieren. Auch bei den Studierenden soll ankommen, an was für einer feinen Universität sie studieren. Mit der Stadtgesellschaft wollen wir noch enger in Kontakt kommen. Ich träume davon, dass die Universität das Stadtbild beherrscht und eine innerstädtische Universität bleibt, wie Cambridge oder Oxford. Das ist auch gut für die Stadt, auch wenn dies gefühlt noch nicht überall angekommen ist.

 

Gibt es auch interne Ziele?

Prof. Engels: Die Zukunft der Theologischen Fakultäten liegt mir am Herzen. Dass der Kölner Kardinal das Albertinum geschlossen und in Köln eine eigene Hochschule als „Konkurrenzunternehmen“ gegründet hat, ist bedrohlich sowohl für die Katholisch-, aber letztlich auch für die Evangelisch-Theologische Fakultät. Wir müssen dauerhaft sicherstellen, dass theologische Fragen an der Universität Bonn – vielleicht auch interdisziplinär mit anderen Religionen – in Forschung und Lehre bearbeitet werden können.

 

Welche weiteren Herausforderungen sehen Sie für die Universität?

Prof. Engels: Die Konkurrenz unter den Universitäten wird größer. Und dank Digitalisierung können sie Studierende und Forschende weltweit erreichen. Und welche Möglichkeiten die künstliche Intelligenz bieten wird, können wir heute noch nicht umfassend absehen. Wie wirkt sie sich auf Forschung und Lehre aus? Welche Studiengänge werden wir neu definieren müssen? Die Herausforderung ist ja, unsere Nachfolgegenerationen auf etwas vorzubereiten, das wir selbst noch nicht kennen. Darüber haben wir bereits in einer Klausurtagung mit hochschulinternen Sachverständigen gesprochen. Aber das war allenfalls ein Aufschlag, das eigentliche Match kommt erst noch!

 

Vielen Dank für das Gespräch!

Wird geladen