Die Intensivierung der Landwirtschaft und der wachsende Flächenverbrauch durch die Ausweitung von Siedlungen, Gewerbegebieten und Infrastruktur, als auch der Klimawandel haben zu einer starken Verarmung der Flora seit Beginn des 20. Jahrhunderts geführt. Dieser Diversitätsrückgang war vor den 1990er Jahren am stärksten ausgeprägt. Seitdem haben Änderungen in der Naturschutzpolitik die Abnahme des Artenreichtums zwar verlangsamt und für einige Gruppen auf kleineren räumlichen Skalen sogar umgekehrt. Allerdings ging die Vereinheitlichung der Pflanzengemeinschaften oft weiter. Die Wiederzunahme der Artenzahl erfolgt meist durch weit verbreitete Arten und Neophyten, eingewanderte Pflanzen, die sich unter anderem aufgrund des Klimawandels ausbreiten können.
Generalisten und Spezialisten profitieren unterschiedlich von Schutzmaßnahmen
Unklar war bisher, ob Pflanzen, die von generalistischen Insekten oder dem Wind bestäubt werden, genauso stark zugenommen haben, wie Pflanzen, die an spezialisierte Bestäuber, wie Hummeln oder Schmetterlinge, angepasst sind.
Außerdem war unbekannt, ob sich Pflanzen, die auf Pollen anderer Individuen derselben Art zur Samenproduktion angewiesen sind, genauso stark vermehrt haben wie Pflanzen, die mit dem eigenen Pollen Samen bilden können. „Bei den Untersuchungen der Schweizer Flora konnten wir feststellen, dass es positive Entwicklungen über alle Artgruppen hinweg gibt. Diese Entwicklung ist allerdings viel deutlicher ausgeprägt bei Arten, die vom Wind und nicht von Insekten bestäubt werden.
Innerhalb der insektenbestäubten Pflanzenarten profitieren Arten, die von generalistischen Insekten, wie zum Beispiel Fliegen oder Bienen mit kurzen Zungen bestäubt werden mehr, als Arten, die auf spezialisierte Bestäuber angewiesen sind. Hierunter fallen Hummeln und langzüngige Wildbienen. Ebenfalls erholen sich Pflanzenarten stärker, die nicht auf Pollen eines anderen Individuums der eigenen Art angewiesen sind besser, als fremdbestäubte Pflanzen. Spezialisten hingegen profitieren kaum“, so Dr. Stefan Abrahamczyk, Botaniker am Naturkundemuseum Stuttgart. Der Experte für Bestäubungsbiologie hatte 2021 mit den Arbeiten zur Studie an der Universität Bonn begonnen.
Hinweise für zukünftige Naturschutzmaßnahmen
Diese Erkenntnis lässt sich ebenfalls auf Insekten übertragen, die auf der Suche nach Nektar und Pollen auf spezifische, hoch spezialisierte Nahrungspflanzen angewiesen sind. Was die Bestäuber betrifft, so hat Europa in den letzten Jahrzehnten einen viel beachteten Zusammenbruch der Insektenpopulationen erlebt. Vor allem Insektenarten mit spezialisiertem Brut- oder Fressverhalten, darunter viele langzüngige Arten, sind drastisch zurückgegangen. Aus naturschutzfachlicher Sicht belegen diese Ergebnisse der Studie, dass bei zukünftigen Schutz- und Renaturierungsplanungen die reproduktionsbiologischen Eigenschaften der habitattypischen Pflanzenarten berücksichtigt werden sollten. Naturschutzmaßnahmen sollten so ausgewählt werden, dass spezialisierte Pflanzen profitieren. Wenn diese Punkte in der Planung berücksichtigt werden, können sich spezialisierte, heimische Pflanzen und Insekten in Zukunft erholen.