Vor 100 Jahren, um genau zu sein am 20. November 1916, bedankte sich der damalige Bonner Oberbürgermeister Wilhelm Spiritus bei der Universität Bonn für deren tatkräftige Unterstützung in Krisenzeiten. Die fünfte städtische Kriegsküche wurde an dem Tag in den dortigen Räumen offiziell eingeweiht. Studierende und Bürger aßen ab diesem Zeitpunkt in der Alma Mater, wenn auch in getrennten Räumen.
Mit grimmiger Entschlossenheit in den Krieg
Es war das Jahr der verlustreichen Schlachten im Ersten Weltkrieg, einem Krieg, dem Professoren und Studierende an der Universität Bonn zu Beginn im Jahr 1914 durchaus mit Nationalstolz entgegen sahen. „Die aktuelle Forschung geht nicht mehr davon aus, dass alle jungen Leute singend und lachend in den Krieg gezogen sind, sondern eher mit grimmiger Entschlossenheit”, sagt Prof. Dr. Dominik Geppert, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Bonn und für die Stadtgeschichte zuständig. Unter den angehenden Akademikern sei die Kriegsbegeisterung aber größer gewesen als in ländlichen Gegenden oder in der Arbeiterklasse.
Zusammen mit Stadtarchivar Dr. Norbert Schloßmacher hat Prof. Geppert das Buch konzipiert. „Die Geschichte der Stadt und der Universität sind in den Kriegsjahren stark miteinander verknüpft gewesen”, sagt Dr. Schloßmacher. Die Universität Bonn habe Lagerfläche für Kartoffeln bereitgestellt. Mitarbeiter und Studierende beteiligten sich an der Nagelung der Arndt-Eiche auf dem Münsterplatz. Dort konnten Bürger Nägel gegen einen Geldbetrag erstehen und einschlagen. Der Erlös kam Bonner Kriegswitwen zugute.
„Verteidigung der Sache Europas”
Prof. Geppert hat in dem Bonn-Buch ein Kapitel über die Professoren an der Universität Bonn geschrieben. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs erinnerten sich „einige der Lehrkräfte wie der Theologe Karl Sell oder die Mediziner Max Schede und Heinrich Fritsch noch an den siegreichen deutsch-französischen Krieg 1870/71”. Wie in weiten Teilen der Bürgerschaft sahen auch viele Lehrkräfte an der Universität Bonn das Deutsche Reich zu Kriegsbeginn von lauter Feinden umstellt, gegen die es sich zu verteidigen galt. Man führe den Krieg „für den menschlichen Fortschritt”. Das deutsche Volk verteidige „in der eigenen Sache die Sache Europas”, erklärte im Sommer 1914 der damalige Rektor Prof. Dr. Aloys Schulte.
Und letzten Endes sah der Rektor es als Erfolg der akademischen Erziehung durch die Bonner Universität an, dass viele Studierende sich freiwillig für den Einsatz an der Front meldeten. Mehr als die Hälfte der knapp 4000 männlichen Studierenden taten das. Prof. Geppert sieht mit fortschreitenden Kämpfen eine deutliche Veränderung in der Beziehung zwischen Professoren und Studierenden: „Vorher war klar: Die Älteren erziehen die Jüngeren. Aber dann kehrte sich das Verhältnis um. Im Krieg zählten Jugend, Tapferkeit, körperliche Kraft und Ausdauer beim Einsatz für das Vaterland mit einem Mal ungleich mehr.” Damit hätten die Lehrkräfte zu kämpfen gehabt. Sie formulierten ihre Gefühle des Ungenügens und der Unterlegenheit beispielsweise in Briefen und hielten patriotische Vorträge.
Mehr Frauen als Männer in den Vorlesungen
Die stark dezimierte Studentenschaft veränderte die Universität Bonn, wie Universitätsarchivar Dr. Thomas Becker in seinem Beitrag über Studierende zum Bonn-Buch erklärt. Viele Studierende hätten nicht mal den Einberufungsbefehl abgewartet, sondern sich freiwillig für den Kriegsdienst gemeldet. Auch ein Teil der ausländischen Immatrikulierten verließ die Uni. „Mit Erlass vom 30. August 1914 wurde angeordnet, alle Angehörigen derjenigen Nationen, die mit dem Deutschen Reich im Krieg standen, aus den Matrikeln preußischer Universitäten zu streichen”, erklärt Dr. Becker.
Im Lauf der Jahre kamen zwar die ein oder anderen Kriegsversehrten nach ihrer Genesung zurück, aber dennoch beschreibt Dr. Becker, dass in manchen Lehrveranstaltungen der Universität Bonn die Frauen in der Mehrzahl waren. Auf der Liste der Gefallenen standen Semester für Semester 70 bis 80 Namen, insgesamt waren es nach vier Kriegsjahren inklusive der Vermissten 720 Namen.
Das Buch „Der Erste Weltkrieg in Bonn – Die Heimatfront 1914-1918” wird am Montag, 7. November, um 19 Uhr offiziell im Gobelinsaal des Alten Rathauses von Prof. Dr. Dominik Geppert und dem Bonner Stadtarchivar Dr. Norbert Schloßmacher vorgestellt. Neben Prof. Dr. Geppert und Universitätsarchivar Dr. Thomas Becker haben für die Universität die Historiker Dr. Philip Rosin und Dr. Christoph Studt Beiträge über Bonns Oberbürgermeister Wilhelm Spiritus und zum Kriegsende in Bonn verfasst.
Publikation: „Der Erste Weltkrieg in Bonn – Die Heimatfront 1914-1918”, Bonner Geschichtsblätter, Jahrbuch des Bonner Heimat- und Geschichtsvereins, Band 65/66, ISBN 978-3-922832-82-9, 25 Euro (erhältlich im Buchhandel und im Bonner Stadtarchiv)
Im Zusammenhang mit dieser Buchveröffentlichung laden Volkshochschule Bonn und Stadtarchiv zu einer öffentlichen Vortragsreihe in den großen Saal im Haus der Bildung ein:
24. November 2016, 19 Uhr, Dr. Philip Rosin: Das vergessene Stadtoberhaupt – Wilhelm Spiritus als Oberbürgermeister in Krieg und Frieden (1891-1919)
6. Dezember 2016, 19 Uhr, Richard Hedrich-Winter: Der Luftkrieg um Bonn 1914-1918
14. Dezember 2016, 19 Uhr, Prof. Dr. Dominik Geppert: Kriegslegitimation und Selbstrechtfertigung. Bonner Professoren im „Krieg der Geister“
Voranmeldung erwünscht unter E-Mail vhs@bonn.de
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Dominik Geppert
Institut für Geschichtswissenschaft
Universität Bonn
Tel. 0228/735370
E-Mail: Dominik.Geppert@uni-bonn.de
(Zurzeit Forschungsfreisemester als Gerda Henkel Gastprofessor an der London School of Economics)