Der Mensch kann besser denken als jeder Rechner, als jede künstliche Intelligenz – davon ist der Philosoph Prof. Dr. Markus Gabriel von der Universität Bonn überzeugt. „Computer sind dumm wie ein Stein: Die Maschinen `denken´ nicht, sondern arbeiten stur Rechenvorschriften ab“, sagt der Autor des neuen Buches „Der Sinn des Denkens“. Auf den ersten Blick scheint jeder Taschenrechner dem Mensch überlegen zu sein, weil das kleine Gerät keine Rechenfehler macht – sofern es richtig programmiert ist.
Doch dieses exakte Rechnen ist in den Augen des Philosophen kein optimiertes Denken: „Der Taschenrechner betreibt einfache Informationsverarbeitung. Denken fasse ich hingegen als einen sechsten Sinn wie Hören, Sehen und Riechen auf.“ Indem unsere Sinnesorgane zum Beispiel Töne oder Farben wahrnehmen, prägen sie auch unser Denken mit. Diese Form des an Sinnesorgane gekoppelten Denkens lasse sich mit keinem Höchstleistungsrechner nachbilden.
Fehler als Grundlage der menschlichen Freiheit
Unsere kleinen Denkfehler, sei es ein nicht korrekt berechneter Zahlenwert oder ein falsch erinnertes Datum, seien sogar erst die Grundlage der menschlichen Freiheit und Selbstbestimmung. Gabriel: „Da wir keinen Algorithmen folgen wie ein Computer, sind unsere Schlussfolgerungen und Entscheidungen auch nicht vorhersagbar.“ Wenn ein Rechner aufgrund einer Panne „abstürzt“, geht nichts mehr und der Bildschirm bleibt schwarz. Der Mensch hingegen könne aus seinen Fehlern lernen und sich neu aufstellen. Auch dieses Überdenken folgt nicht bestimmten Rechenvorschriften, sondern ist an die Sinnlichkeit des Menschen gekoppelt. Weder Programmierer, noch sogenannte selbstlernende Algorithmen können das Denken so optimieren, wie es die Evolution über Millionen von Jahren hat entstehen lassen.
Ganz im Gegenteil: Der Mensch sei nicht als biologische Fortsetzung eines animalischen Daseins gefangen, sondern habe die Fähigkeit, sich gedanklich von sich selbst zu distanzieren und darüber zu reflektieren. Und noch einen wichtigen Unterschied hat der Philosoph der Universität Bonn zwischen Computern und dem Menschen ausgemacht: „Schaltkreise sind nicht Träger von Bewusstsein.“ Bis heute sei in den Naturwissenschaften nicht verstanden, wie und wann der Mensch sein Bewusstsein erlangt und wie es wieder erlischt. Das Wissen um die eigene Existenz könne kein Computer erlangen. „Die Übernahme der Weltherrschaft durch immer perfektere Roboter und künstliche Intelligenz ist reine Utopie“, sagt Gabriel. Das Bewusstsein lasse sich in keinen Computer implementieren.
Der Mensch denkt nicht in vorgefertigten Bahnen
„Es geht darum, eine realistische Philosophie der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz vorzulegen“, sagt Gabriel. „Der Mensch denkt nicht in vorgefertigten Bahnen.“ Es gehe um eine radikale Neubetrachtung von Fehlentwicklungen im Digitalen Zeitalter. Der Mensch werde nicht von Computern unterworfen, sondern unterwerfe sich ihnen. Die Sozialen Netzwerke funktionierten wie ein Casino, weil die Internetgiganten unseren Trieb zum Glücksspiel ausnutzten. Gabriel: „Wir brauchen mehr philosophische Forschung, die sich den Problemen und ethischen Grenzen des Internetzeitalters widmet.“
Das Buch „Der Sinn des Denkens“ ist der Schlussteil einer Trilogie von Markus Gabriel, zu der „Warum es die Welt nicht gibt“ und „Ich ist nicht Gehirn“ gehören. Das Werk richtet sich in allgemein verständlicher und zugänglicher Weise an alle, die sich gerne philosophische Gedanken machen.
Publikation: Markus Gabriel, Der Sinn des Denkens, Ullstein Buchverlage, Berlin, 368 S., 20 Euro
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Prof. Dr. Markus Gabriel
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