Die Universität Bonn ist durch Partnerschaften und gemeinsame Programme und Projekte eng mit einer ganzen Reihe von Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen in Paris verbunden. Es besteht ein reger Austausch zwischen beiden Städten. Viele Studierende und Lehrende verbinden zudem persönliche Erinnerungen mit dem bedeutenden Bauwerk. Kein Wunder also, dass die Brandkatastrophe in der Universität heute ein Thema ist.
Prof. Dr. Wouter Goris, der an der Universität Bonn über die Philosophie insbesondere des Mittelalters forscht und lehrt, sagt: „Notre-Dame ist ein bedeutendes Symbol der europäischen Identität. Der Brand von gestern ist deshalb nicht allein eine französische, sondern genauso eine europäische Katastrophe. Nicht zuletzt bedeutet die Zerstörung der Kathedrale einen immensen Verlust für die Wissenschaften und die Hochschulen in Europa.“ Noch ist nicht absehbar, wie groß die Verluste sind, die das Unglück gefordert hat.
Prof. Dr. Mechthild Albert, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Klassische und Romanische Philologie, hatte aus dem Fernsehen von dem Brand erfahren: „Ich war erschüttert, als ich die Bilder sah. Den drohenden Verlust von unersetzlichen Kulturschätzen habe ich gleich heute Vormittag zum Thema in meiner Vorlesung gemacht – es erschien mir angesichts der Tragweite angemessen, vom ursprünglichen Programm abzuweichen.“ Die Studierenden seien überrascht gewesen, was das Unglück für Folgen haben könnte. „Ihnen war gar nicht bewusst, welche Zeugnisse einer reichen Kulturgeschichte in diesem Sakralgebäude versammelt sind, etwa die prächtigen Rosettenfenster, das Dachgebälk aus dem 13. Jahrhundert oder die Reliquien aus der Zeit der Kreuzzüge.“
Auch Kunsthistoriker Prof. Dr. Harald Wolter-von dem Knesebeck beschreibt den Verlust, den die Zerstörung des Gebäudes nicht nur für die Wissenschaft bedeutet: „Notre-Dame ist ein zentraler Bau für die Entwicklung des gotischen Bauens im französischen Kronland des Hochmittelalters; Architektur und Ausstattung sind unersetzlich.“ Die Pariser Kathedralkirche habe durch ihre Nähe zur Pariser Universität die Anfänge der Wissenschaft stark geprägt: Die nahe Notre-Dame gelegene Universität wurde am Übergang vom 12. zum 13. Jahrhundert europaweit zu einem Hauptanziehungspunkt für die Studenten der Theologie und der Philosophie. Etwa in der Bauskulptur der Westportale spiegeln sich die damaligen Diskurse der jungen Universität. In der Architektur der Kathedrale Notre-Dame zeigt sich das Zusammenwirken der Hauptkräfte der hochmittelalterlichen Gesellschaft mit der gerade entstehenden modernen Universität.“