Wenn sich Personen im Gebäude oder auch der weiteren Umgebung aufhalten und bewegen, erzeugen sie Trittschall und tragen zum seismischen Rauschen bei. In den Messdaten des Gravimeters erscheinen diese winzigsten Änderungen als stark gedrängte Zickzackkurven. „Vor den Corona-Beschränkungen haben wir vermutlich niemals solch niedriges Rauschen gemessen“, sagt Prof. Dr. Jürgen Kusche. „Man bekommt angesichts der Kurve eine Vorstellung davon, dass rund 70 Prozent dieses Grundrauschens durch menschliche Einwirkung bedingt ist.“
Denn etwa auch Aufzüge, Autos und vorbeifahrende Busse verursachen Schwingungen im Boden, und das Gerät misst die so verursachten hochfrequenten Beschleunigungen immer mit. All diese Einflüsse sind im Zuge der Coronakrise weniger geworden. Eine Ausnahme: Die winzigen und für den Menschen normalerweise nicht spürbaren Erdbeben, die im Rheinland häufig stattfinden, sind von Corona unbeeindruckt und werden ebenfalls mit aufgezeichnet (in der Grafik die besonders hohen Ausschläge).
Hochdruckgebiete verändern die Schwerkraft
Die Geodäten der Universität Bonn nutzen im Normalbetrieb ihre Gravimeter selbstverständlich nicht, um zu messen, wie aktiv die Beschäftigten der Universität im Campus Poppelsdorf sind. Das Messgerät im Keller dient vielmehr zur wissenschaftlichen Erfassung, wie sich die Schwerkraft an diesem Ort zeitlich ändert. Die wechselnde Anziehung von Sonne und Mond, die daraus resultierende Verformung der Erde von etwa 25 Zentimeter zweimal am Tag, aber auch wenn sich ein Hochdruckgebiet über Nordrhein-Westfalen breit macht, verändern die Schwerkraft – letzteres durch die Zunahme der atmosphärischen Masse.
„Wir nutzen diese Messungen, um theoretische Modelle über den Aufbau der Erde zu verifizieren – weil sich daraus die Verformung und die Schwereänderungen vorhersagen lassen“, sagt Dr. Basem Elsaka, der in der Geodäsie für die Messungen verantwortlich ist. Mobile Gravimeter helfen auch dabei, im Gelände Karten der räumlichen Verteilung der Schwerkraft zu erstellen. Elsaka: „Das machen Öl- und Gasfirmen gerne, um neue Lagerstätten aufzuspüren. Denn eine Erdgasblase hat weniger Masse als Fels, daher herrscht an dieser Stelle eine etwas geringere Schwerkraft als an der Erdoberfläche.“ In Vor-Coronazeiten absolvierten Geodäsie-Studierende der Universität Bonn regelmäßig ein Praktikum auf der Hofgartenwiese. Mit Schwerkraftmessungen sollten sie nach dem gleichen Prinzip herausfinden, wo dort im Untergrund der U-Bahn-Tunnel verläuft.
Ein Blick in die Grafik zeigt: Vor Beginn der Corona-Beschränkungen im Februar ist an der Messkurve zu erkennen, dass das Grundrauschen an Wochenenden deutlich niedriger ist und montagvormittags ansteigt, wenn die meisten Institutsangehörigen wieder zum Dienst erscheinen. Doch jenseits dieser menschengemachten Schwankungen hat jedes Messinstrument sein eigenes Grundrauschen, das etwa durch seine Mechanik und Temperaturunterschiede bestimmt wird. „Die Phase der Stille hilft uns zu verstehen, wie genau das Gravimeter eigentlich wirklich ist“, sagt Kusche.
Lebenszeichen – Wir bleiben im Gespräch!
Das Dezernat für Hochschulkommunikation veröffentlicht unter dem Titel: „Lebenszeichen – Wir bleiben im Gespräch!“ Beiträge aus der Universität Bonn, die unter dem Eindruck der Bekämpfung des Coronavirus und der daraus resultierenden Bedingungen entstanden sind. Als Bildungseinrichtung will die Universität Bonn damit auch in schwierigen Zeiten im Diskurs bleiben und die universitäre Gemeinschaft fördern. In loser Folge erscheinen dazu auf der Website der Universität Bonn Beiträge von Universitätsangehörigen, die das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten, Dialoge in Gang setzen, Tipps und Denkanstöße austauschen wollen. Wer dazu beitragen möchte, wendet sich bitte an das Dezernat für Hochschulkommunikation, kommunikation@uni-bonn.de.