Routinen ablegen und neue Wege einschlagen, sich mit ungewohnter Technik und Technologie auseinandersetzen: Das mussten vor allem die Lehrenden seit Beginn der Pandemie lernen. Innerhalb kurzer Zeit mussten sie Lehrangebote in die digitale Welt transformieren. „Sicherlich hat es am Anfang noch an einigen Stellen gehakt“, räumt Holm-Müller ein. „Ich bin aber immer wieder beeindruckt, mit welchem Elan meine Kolleg:innen diese Hürde genommen haben.“
Besonders heikel war dies bei Veranstaltungsformen, die ohne physischen Präsenz eigentlich undenkbar sind. Dazu gehören zum Beispiel Praktika in den UniLaboren. Erst Anfang des Jahres hat das Land Ausnahmeregelungen erlassen, wonach zumindest in einigen Ausnahmefällen und unter strengen Vorkehrungen Präsenzformate möglich wurden – längst nicht genug für die große Zahl an Studierenden, die auf diese Seminare angewiesen sind.
Lockdown und Laborpraktikum
Für Dr. Christina Kopp, Ernährungsphysiologin am Institut für Ernährungs und Lebensmittelwissenschaften der Landwirtschaftlichen Fakultät, war diese Situation Ansporn, etwas Neues zu probieren: „Es ist für unseren Masterstudiengang Ernährungswissenschaften nicht denkbar, dass die Studierenden kein Laborpraktikum besuchen. Gleichzeitig konnten wir im Wintersemester aber keine Praktika in Präsenz anbieten.“ Im Rahmen des NRWZertifikats „Professionelle Lehrkompetenz für die Hochschule“, an der Kopp und weitere Lehrende der Universität teilnahmen, hat sie daher die Lehreinheit „Praktisch unmöglich – ein Laborpraktikum wird digital“ ausgearbeitet. „Uns war es wichtig, dass ein digitales Laborpraktikum genau so abläuft, wie ein analoges Praktikum –nur eben ohne physische Anwesenheit der Studierenden.“
Kopp und ihre Kolleg:innen setzten auf Videotechnik. Sie filmten jeden Schritt des Praktikums – vom Versuchs aufbau bis zur Durchführung der Versuche. „Für die 10 Themen des Kurses kamen da über 10 Stunden ungeschnittenes Videomaterial zusammen“, so Kopp. Die Studierenden sahen sich dies an, konnten sich in Videokonferenzen mit den technischen Mitarbeiterinnen des Instituts unterhalten und Details zu den Versuchsaufbauten und den ver wendeten Geräten erfragen. Im Anschluss erhielten sie Werte aus den Versuchen und mussten sich in digitaler Gruppenarbeit mit den Ergebnissen auseinandersetzen und Versuchsprotokolle erstellen. Gerahmt wurde die Veranstaltung durch ein An und ein Abtestat auf der Lehr und Lernplattform eCampus. So konnten die Dozierenden den Lernerfolg überprüfen.
„Natürlich kann ein digitales Laborpraktikum nicht das Gefühl ersetzen, mit Laborkittel, Schutzbrille und Handschuhen in einem richtigen Labor zu arbeiten.“ Dennoch habe sie von den Studierenden durchweg positive Rückmeldungen bekommen. „Das digitale Laborpraktikum hat verhindert, dass sich das Studium auf unbestimmte Zeit verlängert“, so Kopp. „Das war für uns eine große Motivation.“
Im Escape Room wissenschaftlich arbeiten
Auch für die Doktorandin Lotta Schencking vom Institut für Haushalts und Verfahrenstechnik an der Landwirtschaftlichen Fakultät war klar, dass sie in dieser Situation neue Wege gehen will: „Es ist zwar kein Problem, wissenschaftliches Arbeiten mittels Manuskripten und Videokonferenzen zu lehren – es ist aber umso schwieriger, die Studierenden auf diesem Weg zur Mitarbeit zu motivieren.“ Es sei, so Schencking, gerade in dieser Situation wichtig, eine Abwechslung im Lernalltag zu bieten. „Da kam mir die Idee zu einem digitalen Escape Room.“
Bei einem Escape-Room-Abenteuer lässt sich eine Gruppe von Menschen normalerweise in aufwendig gestalteten Räumen einsperren. Ihnen bleibt eine vorher festgelegte Zeit, schwierige Rätsel zu lösen und wieder „auf freien Fuß“ zu kommen. Das Ganze lässt sich aber auch in digitaler Form durchführen. „Das Erlebnis, in eine andere Welt einzutauchen, ist ziemlich motivierend und macht das Lösen der Aufgaben zu einem spannenden Erlebnis“, erklärt Schencking. Ihre Adaption eines OnlineEscapeRooms spielt daher in einem verlassenen Krankenhaus einem unheimlichen und dunklen Ort. In den verfallenen Räumen müssen die Studierenden Rätsel lösen, die auf dem Lernstoff der zugehörigen Vorlesung mit Seminar beruhen. „Das Abenteuer-Setting ist dabei das Vehikel, um die Lerninhalte nochmal anders erfahrbar zu machen und die Mitarbeit zu erhöhen.“Angelegt hat sie den virtuellen Escape Room auf eCampus. Für jedes Rätsel gibt es dort einen eigenen Ordner mit stimmungsvollen Bildern der fi ktiven Heilanstalt. „Nach jeder gelösten Aufgabe wird der nächste Ordner freigeschaltet, der das Bild eines neuen Raums, die Lerninhalte und die nächste Aufgabe zeigt“, erklärt Schencking den Ablauf. „Wenn man sich die Lerninhalte angeeignet hat, schafft man es bis in den letzten Ordner, der einen Sonnenaufgang zeigt und einen so aus diesem unheimlichen Ort entlässt.“ Auch eine Urkunde habe man sich bei der erfolgreichen Teilnahme ausdrucken können.
Mehr Aufwand – positives Fazit
Die beiden Wissenschaftlerinnen sind sich einig, dass der Aufwand für die digitalen Formate sehr viel höher ist. „Das bietet sich sicherlich nicht für jede Vorlesung an“, so Schencking. Das positive Feedback der Studierenden habe ihr aber gezeigt, dass sich der Aufwand gelohnt habe. Die Pandemie habe den nötigen Schub gegeben, um ausgetretene Pfade zu verlassen und Lehre neu zu denken.
Christina Kopp denkt derweil schon über die Zukunft nach: „Wir sind uns schon jetzt einig, dass wir einige digitale Formate auch für die Zeit nach der Pandemie beibehalten wollen.“ Zwar könne man den Aufwand der Videos nicht jedes Semester stemmen, „aber wir wissen jetzt, wie es geht und sind mittlerweile sehr viel schneller in der Umsetzung.“ Die gewonnenen Erfahrungen seien in jedem Fall für die Lehre der Zukunft hilfreich – ob in Präsenz oder im Lockdown. NILS SÖNKSEN