Bestimmte Nervenzellen im Gehirn werden immer dann aktiv, wenn sie mit unterschiedlichen Bildern oder dem Namen einer ganz bestimmten Person oder der Identität eines Objektes konfrontiert werden. Dabei sind sie hochselektiv und reagieren auf keine anderen Personen oder Objekte. Diese so genannten Konzeptneurone wurden bislang nur beim Menschen gefunden, und hier nur im medialen Schläfenlappen, der für die Gedächtnisbildung unabdingbar ist. Ein internationales Forschungsteam um Prof. Florian Mormann von der Klinik für Epileptologie am UKB, der auch ein Mitglied in dem Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ der Universität Bonn ist, bestätigte bereits in einer Studie von 2017 deren wichtige Funktion für das Arbeitsgedächtnis, indem einzelne auf ein bestimmtes Motiv spezialisierte Konzeptneurone kurzzeitig Gedächtnisinhalte verfügbar halten. Sie bleiben so lange aktiv, bis ein neues Bild gezeigt und eine andere Nervenzelle gereizt wird. Zudem konnte das Forschungsteam sogar anhand der Aktivierung der Konzeptneurone während der Arbeitsgedächtnisphase vorhersagen, ob sich die Probanden später richtig an das bereits gezeigte Bild erinnern werden.
Aber wie eine erfolgreiche Übertragung der Erfahrungen in das episodische Gedächtnis, das autobiografische Ereignisse und Erlebnisse einschließlich Ort und Zeit abspeichert, funktioniert, war bisher unklar. „Daher gingen wir der Hypothese nach, dass diese Konzeptneurone die Bausteine liefern, die zu einer Erinnerung eines Erlebnisses zusammengefügt werden“, sagt Erstautorin Sina Mackay, Doktorandin der Universität Bonn in der Arbeitsgruppe von Prof. Mormann am UKB.
Neuronale Aktivität stellt „Was" und „Wo“ in der Gedächtnisbildung bereit
Für seine wissenschaftliche Arbeit nutzt das Bonner Forschungsteam eine Besonderheit der Klinik für Epileptologie am UKB – einem der größten Epilepsiezentren Europas: Hier werden Menschen unter anderem chirurgisch behandelt, die unter schweren Formen einer Epilepsie leiden. Manchen Betroffenen werden zunächst Elektroden ins Gehirn implantiert, um den Krampfherd zu lokalisieren. Als Nebeneffekt kann das Forschungsteam die elektrische Aktivität einzelner Neuronen messen, während Epilepsiepatienten Aufgaben durchführen – für die aktuelle Studie war es ein assoziatives Gedächtnisparadigma, wobei Personen oder Objekte einer bestimmten Position auf dem Bildschirm zugeordnet werden. Währenddessen führten die Bonner Forschenden Messungen im medialen Schläfenlappen sowie dem parahippokampalen Kortex, der Ortszellen beherbergt, durch. Denn diesmal legten sie ihr Augenmerk nicht nur auf das Verhalten von Konzeptneuronen, sondern auch auf das von Ortszellen, welche auf bestimmte Positionen auf dem Bildschirm reagierten, auf dem die Bilder gezeigt wurden, und zwar unabhängig davon, welche Bilder an dieser Position zu sehen waren.
Während das Forschungsteam um Prof. Mormann bereits einen Vorhersageeffekt gefunden hatte, konnten die Bonner Forschenden jetzt zeigen, dass die Aktivität von Konzeptneuronen im medialen Schläfenlappen sowie Ortsneurone im parahippokampalen Kortex das korrekte Einspeichern von Konzept-Orts-Paaren voraussagt. „Sowohl in den objekt- und ortsselektiven Neuronen-Populationen, waren die Feueraten signifikant höher, wenn diese später korrekt erinnert wurden“, sagt Mackay. Die übrigen Neurone, die mehr als 90 Prozent in diesen Regionen ausmachen, hingegen erlaubten keine Vorhersagen über eine erfolgreiche Gedächtnisbildung, was die hochspezifische Rolle von Konzept- und Ortsneuronen unterstreicht. „Wir gehen davon aus, dass die mediotemporalen Konzeptneurone und möglicherweise auch die parahippocampalen Ortszellen, die in unsere täglichen Erfahrungen involviert sind, bei der Festigung des Gedächtnisses reaktiviert werden – beispielsweise im Tiefschlaf“, sagt Prof. Mormann, der künftige Studien zur Untersuchung dieser Hypothese für erforderlich hält.