Du hast aus der Wissenschaft ausgegründet, was war Deine Geschäftsidee und wie ist sie entstanden?
Zu Beginn war es eine reine Technologieentwicklung. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens hatten wir diese Erfindung gemacht und während des Patentierprozesses zeigte sich diese Idee als sehr aussichtsreich und leistungsstark. Gestartet sind wir aber nicht mit der Intention einer Gründung, das hat sich im Laufe der Zeit ergeben.
Wie hast Du dann damals aus den wissenschaftlichen Ergebnissen ein Geschäftsmodell entwickelt?
Ich hatte schon früh die Denkweise, dass man wissenschaftliche Erkenntnisse verwerten kann. Das konkrete Geschäftsmodell für HyperChrom entwickelte sich dann mit der Zeit. Wir merkten, dass unsere Technologie für andere Leute interessant ist, und überlegten, wie wir die Erfindung so entwickeln, dass sie am Markt funktioniert. Das war ein tastender Prozess, der am Anfang einen eher technologischen Fokus hatte. Wir mussten dabei die Perspektive der Anwenderinnen und Anwender einnehmen und die Anforderungen des Marktes bedenken: Das sind auch ganz wichtige Lehren aus der Gründung. Wenn man aus der Wissenschaft kommt, ist man weit weg davon. Die Perspektive der Kunden außerhalb der Universität kennt man natürlich nicht.
Du hast Deine Verbindung zur Uni Bonn gehalten – spielt dies auch in Bezug zu Deinem Business eine Rolle?
Wenn man ein so technologieorientiertes Business hat, ist der direkte Bezug zur Wissenschaft sehr wichtig. Ich glaube, keine Firma wäre außerhalb der Universität das Wagnis eingegangen, eine solche Technologie zu entwickeln, bei der man nicht absehen konnte, ob sie erfolgreich sein wird. Da wäre man vermutlich sehr viel strukturierter vorgegangen: Erst die Marktsituation analysieren, dann Ressourcen planen und ein Team zusammenstellen. Das war ja bei uns nicht so. Wir haben das aus Leidenschaft an der Technologieentwicklung gemacht und sind Schritt für Schritt weitergekommen.
Du hast zu Beginn auch Dein privates Kapital in die Idee gesteckt. Gab es weitere Investoren, welche?
Das meiste Kapital ist tatsächlich von mir privat gekommen. Ich hatte dann Geschäftspartner, die zunächst ihr Business-Know-How miteingebracht haben, inzwischen aber auch Kapital. Das ist wohl auch so der übliche Weg: Irgendwann merkt man, dass das Rad, das man dreht, immer größer wird. Deswegen suchen wir nun auch zusätzliche Investoren, die idealerweise auch Marktkenntnisse haben. Denn den eigenen Markt wirklich zu durchdringen, ist ein sehr mühsamer Weg.
Wie wichtig sind starke Partner und Netzwerke zu Beginn einer Ausgründung? Und ändert sich das über die Jahre?
Netzwerke sind extrem wichtig. Sie bestehen aus stabilen Beziehungen, die man mit vielen Akteuren pflegt, und in denen man sich wechselseitig unterstützt. Das ist sowohl zu Beginn wie auch im weiteren Verlauf einer Gründung wichtig. Eine reine Technologiegründung ist ohne die Pflege von solchen stabilen fachlichen Beziehungen undenkbar.
Ihr habt verschiedene Industriezweige als Zielgruppen für Euer Produkt. Gibt es Haupt-Einsatzgebiete?
Im Moment liegt unser Fokus sehr stark auf Umweltlaboren, die z.B. Schadstoffe in Böden oder der Luft messen. Aus unseren universitären Beziehungen haben wir natürlich auch noch den Bereich der akademischen Kunden, also Forschungslabore und große Forschungsgesellschaften wie z.B. die Max-Planck-Gesellschaft oder die Fraunhofer Gesellschaft. Wir haben aber auch einen ganz starken Bezug zur chemischen Industrie, vor allem zur petrochemischen. Einer der großen Ölkonzerne der Welt fördert unsere Arbeit sogar. Dazu kommt noch der Sicherheitsbereich: Hierhin haben wir ebenfalls gute Beziehungen und bereits einige Geräte geliefert. Diese Branche wird auch wichtig bleiben.
Die Chemiebranche in Deutschland steht aktuell u.a. aufgrund des hohen Energiebedarfs unter Druck, spürst Du diese Spannungen auch bei HyperChrom?
Die Energiefrage ist ein ganz wichtiges Thema. Da unser Produkt extrem energiesparend ist, sind wir sozusagen eine grüne Technologie. Das ist für uns ein schönes zusätzliches Verkaufsargument: Pro Probenmessung ist nur ein Bruchteil der bisherigen Energie nötig. Das ist für unsere Kunden auch wirtschaftlich interessant. Außerdem hilft jede bessere Technologie zur Überwachung der chemischen Prozesse dabei, Energie, Stoffe und Material zu sparen. Effizienzoptimierung ist ja ein fortlaufender Prozess und unsere Technologie kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten.
Und mit welcher Kundengruppe seid Ihr gestartet?
Die sogenannten Early-Adopter sind ganz wichtig. Man selbst hält sein Produkt natürlich für ganz toll. Aber beim ersten Kontakt mit möglichen Kunden bekommt man erst das Feedback, was genau für die Zielgruppe relevant ist. Wenn diese Kunden die Technologie nutzen und Feedback dazu geben, dann entwickelt sich das Produkt: Mit dem Kunden und bei dem Kunden. Das haben wir so erlebt und das ist auch einer der allerwichtigsten Punkte. Das funktioniert nur mit den erwähnten stabilen Beziehungen, die wir aufbauen mussten. Es gibt natürlich auch viele Kunden, die ein fertiges Gerät haben wollen. Zu Beginn einer Gründung sind die zunächst nicht adressierbar. Die warten lieber, bis man Erfolg hat, dann wird es für die erst interessant. Deswegen sind diese Early-Adopter so wichtig und kostbar.
Was ist für die Zukunft geplant? Wo liegen Eure aktuellen Herausforderungen?
Unsere aktuelle Herausforderung ist die Skalierung. Wir bekommen mehr Kundenanfragen und müssen nun die Entscheidung treffen: Wie groß können wir das Rad drehen? Wieviel muss investiert werden? Aber auch unser Geschäftsmodell müssen wir anpassen: Wir haben z.B. gelernt, dass wir dem Kunden mehr Unterstützung geben müssen. Der reine Verkauf von Messapparaten reicht nicht aus, sondern wir beraten dazu auch sehr viel. In den Firmen sind die Mitarbeiter gewöhnt, dass sie sehr einfach mit den Geräten umgehen können. Der Stand der Technik der etablierten Hersteller sind smarte Geräte mit z.B. KI-Funktionen. Das ist auch eine der Schwierigkeiten, wenn man sich als Newcomer gegen einen sehr hohen Standard behaupten muss. Da muss man sehr hohe Vorteile und großen Nutzen auf seiner Seite bieten, damit gegebenenfalls z.B. gewisse Bedienungsnachteile vom Kunden in Kauf genommen werden.
Ihr habt 2018 den „Innovation Award“ von The Analytical Scientist erhalten und wurdet zweimal (2017 und 2021) für den Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten für Technik und Innovation nominiert. Welche Bedeutung hatten diese Auszeichnungen für Euren Werdegang?
Im Tagesgeschäft bedeutet es wenig. Diese Grunderkenntnis habe ich mit der Zeit gewonnen: Wissenschaftliche Meriten, also in der wissenschaftlichen Community bekannt und anerkannt zu sein, helfen nicht dabei, einer Firma ein Gerät zu verkaufen. Das sind aus meiner Perspektive getrennte Bereiche. Aber für einen selbst sind solche Preise natürlich sehr schmeichelhaft. Ich möchte das nicht kleinreden. Das ist Anerkennung aus einer bestimmten Community und es motiviert auch. Aber fürs Geschäft hat es durchaus wenig Relevanz.
Wenn Du an die Anfangsphase Deiner Gründung an der Universität Bonn zurückdenkst – was oder wer hatte insbesondere Einfluss auf das Gründungsvorhaben?
Die Einbindung in die wissenschaftliche Arbeitsgruppe und auch der Support von der Uni-Infrastruktur haben natürlich ganz stark geholfen, zum Beispiel durch den Zugang zu hervorragenden Werkstätten. Ohne diesen Support würde es uns nicht geben, denn die Arbeit war immer mit Forschungsvorhaben verbunden.
Vor HyperChrom hast Du mit einem anderen Projekt, AltraSens, bereits 2003 einen Businessplan-Wettbewerb (NUK) gewonnen. Das Projekt wurde nicht als Firma gegründet. Warum und was hast Du daraus für HyperChrom gelernt?
Der Gewinn des Businessplan-Wettbewerbs war nicht nur eine schöne Ehrung, sondern hat auch gezeigt, dass wir uns in der Start-up Szene richtig ausdrücken und bewegen können. Wir haben da sehr viel gelernt z.B. strukturiert in wirtschaftlichen Kategorien zu denken. Die AltraSens-Technologie habe ich dann nur nebenher weiterverfolgt, denn für die nachhaltige Gründung einer Firma war sie nicht tragfähig genug. Ganz anders als aktuell mit HyperChrom: Da haben wir eine bereits existierende, etablierte Technologie deutlich verbessert. Deswegen müssen wir nicht mehr darum kämpfen, ob man das Produkt überhaupt als solches braucht. Wir müssen nur das Vertrauen am Markt gewinnen, dass man die herkömmliche Technik mit unserer ersetzen und damit effizienter arbeiten kann. Das ist etwas einfacher, als eine ganz neue Technologie am Markt zu etablieren.
Was würdest Du heutigen Gründer*innen-Teams raten?
Natürlich sollte man Leidenschaft für die Sache haben. Um es ganz platt zu sagen: Nur reich zu werden, sollte nicht die alleinige Motivation für die Gründung sein. Denn es ist ein steiniger Weg. Man lernt viel, hat aber auch viele Sorgen dabei. Und man ist plötzlich für alles verantwortlich. Das wird nur getragen, wenn man sich wirklich sehr für die Sache interessiert. Andererseits sollte man sehr viel Realismus mitbringen und nicht naiv sein. Man sollte sich also bemühen, nicht abzuheben und die eigene Erfindung zu überschätzen, sondern lieber etwas auf dem Boden bleiben. Das Gründen an sich ist dann durchaus sehr befriedigend und treibt einen auch voran. Aber man braucht schon eine gewisse Zähigkeit. So blöd das klingt: Ich habe Probleme z.B. nicht als solche gesehen, sondern nur als Herausforderungen. Das ist wahrscheinlich ein ganz wichtiger Spirit bei Gründern: Dass man nicht aufgibt, sondern sofort der Kopf in Gang kommt und man sich überlegt „Wie kann ich das lösen?“.
Hier geht es zur Website von HyperChrom.