Wie bist Du auf die Idee gekommen, zu gründen?
Ich habe schon immer relativ angewandt und nutzerorientiert gedacht – auch in meiner Forschung. Meine Geschäftsidee, die ich dann entwickelt habe, hat diese Denkweise weiter geschärft.
Ich bin damals vom Transfer Center enaCom auf ein Projekt aus meiner Forschung angesprochen worden, zu dem ich schon einen konkreten Produktgedanken hatte. Ich wollte keine Theorie auswerten, sondern eine Software für einen gewissen Datentyp entwickeln, die dann auch wirklich von Biolog*innen angewendet wird. Und im Endeffekt ist diese Denkweise die gleiche wie bei einem Start-up.
Was ist Deine Idee, was macht Dein Start-up?
Bei LightningPose erkennen, analysieren und korrigieren wir Körperhaltungen mit Künstlicher Intelligenz. Das funktioniert in Echtzeit und man braucht dafür nur eine Webcam oder Kamera und einen Laptop oder ein Smartphone. Zum Beispiel kann ich damit beim Sport nicht nur in Echtzeit sagen, welche Übungen jemand macht, sondern auch, was er für ein effektiveres Training besser machen müsste.
Wie bist Du von der Uni Bonn unterstützt worden?
Es begann bei einer Konferenz an der Uni Bonn, bei der mich Innovationscouts angesprochen haben. Bis dahin hatte ich noch nicht darüber nachgedacht, ein Start-up zu gründen. Die Innovationscouts haben mich dann auf die Start-up Summer School aufmerksam gemacht, bei der ich fünf Tage lang das Handwerkszeug für die Gründung eines Start-ups gelernt habe. Und am Ende dieser fünf Tage hatte ich das Gefühl, dass ich das wahnsinnig gerne machen würde!
Ich bin dann kontinuierlich von der Gründungsberatung beraten worden, habe beim Ideenwettbewerb von der Uni Bonn teilgenommen und bin in das Accelerator-Programm am Digitalhub aufgenommen worden.
Was war der erste große Berg, die erste große Herausforderung?
Ich wüsste jetzt nicht, was der erste große Berg von der Gründung ist – ich habe eher das Gefühl, dass die ganze Gründung ein Berg ist und ich gerade irgendwo auf halber Höhe bin. Man wächst aber mit dem immer steiler werdenden Berg mit und entwickelt sich dabei auch wahnsinnig weiter.
Wie unterscheidet sich für dich das Mindset von Wissenschaftler*innen und Entrepreneuren?
Ich würde sagen, Wissenschaftler sein und Unternehmer sein ergänzt sich sehr gut in beide Richtungen. Ich habe aktuell das Gefühl, dass ich durch mein Start-up ein besserer Wissenschaftler werde, weil es mir auch in der Wissenschaft hilft, zu priorisieren. Ein Start-up denkt immer vom fertigen Produkt aus: Was ist das fertige Produkt für die Welt da draußen und interessiert dieses Produkt überhaupt jemanden? Gibt es jemanden, der bereit ist, dafür Geld auszugeben?
Ich glaube nicht, dass durch diese Anwendungsorientierung die Wissenschaft per se schlechter wird. Es ist sehr gut, dass Wissenschaft explorativ ist. Ich selber profitiere gerade umgekehrt sehr stark davon, dass ich zweieinhalb Jahre Grundlagenforschung und exploratives Ausprobieren gemacht habe. Ich könnte dieses Start-up nicht gründen, hätte ich nicht meine wissenschaftliche Ausbildung.
Viele Gründer*innen zögern über ihre Idee zu sprechen, weil sie denken, die Idee könnte geklaut werden. Wie war das bei dir?
Ich verstehe diese Sorge sehr und hatte sie auch am Anfang. Man muss da Mehreres bedenken: Eine Gründung besteht nie nur aus dem technologischen Knowhow, sondern auch immer aus dem Knowhow über eine Infrastruktur, z.B. wie kriege ich mein Produkt produziert? Je mehr man an einem Gründungsprojekt arbeitet, desto größer werden eben auch diese anderen Themen und dann kann man immer mehr über die eigenen Pläne reden.
Mit der Zeit findet man heraus, worüber man sprechen darf. Ich würde nicht erzählen, auf welche statistische Art und Weise ich meine Analysen durchführe, aber ich kann gerne erzählen, welche Programmiersprache ich verwende.
Welche Ratschläge gibst du anderen Wissenschaftler*innen, die gründen möchten?
Wenn ich jetzt überlege, was ich meinem Wissenschaftler-Ich raten würde, das gerade beginnt, über eine Gründung nachzudenken, dann fallen mir zwei Punkte ein.
Das eine ist ein starker Pragmatismus. Im Start-up geht es nur um das Endresultat und darum, dieses möglichst schnell zu erreichen. Dafür muss man sehr pragmatisch sein.
Und das zweite ist eine viel stärkere Markt- und Zielgruppenorientierung. Man meint als Wissenschaftler, der ein Start-up gründet, dass es immer die Technologie ist, woran es hapert. Es gibt da große Studien unter vielen Technologie-Start-ups, wo man sich angeschaut hat, woran das klassische Technologie Start-up scheitert. Und es ist fast nie die Technologie - es ist wahrscheinlicher, dass es am Team scheitert, aber am wahrscheinlichsten scheitert es an dem Markt.
Welche praktischen Anwendungen entwickelt ihr?
Bei unserem ersten Projekt ging es darum, Yoga-Übungen live nicht nur zu erkennen, sondern auch Feedback zu geben. Da haben wir einfach Standard-Yogaübungen in unsere Pipeline implementiert.
Eine andere Anwendungsmöglichkeit ist beim Golf-Sport, der auch ein riesiger, technikaffiner Markt ist. Da geht es z.B. darum, wie der perfekte Golfabschlag aussieht und wie man in Echtzeit im Video Feedback zur Verbesserung des Abschlags geben kann.
Wo hast Du gelernt, ein Team zu führen?
Ich gründe aus der Promotion heraus und auch in der Promotion ist man schon in Forschung und Lehre eingebunden; unter anderem auch in die Betreuung von Abschlussarbeiten. Zum anderen bietet die Uni Bonn natürlich auch Kurse für Softskills an, die ich gerne besucht habe. Da habe ich Kurse zu Themen wie Leadership o.ä. absolviert, bevor ich überhaupt wusste, dass ich ein Start-up gründen werde.
Welche Tipps hast Du noch?
Neben der ganzen Gründungsberatung der Startup-Coaches, die tagtäglich mit diesem Thema zu tun haben, ist es natürlich auch wichtig mit anderen Gründer*innen zu reden, die in der gleichen Situation oder schon etwas weiter fortgeschritten sind.
Dazu hat zum einen das Transfer Center direkt ein Netzwerk und vermittelt auch gerne weiter an Branchenexperten sowie andere Gründer*innen. Und zum anderen arbeite ich gerade im Digitalhub - auch durch die Uni - und hier ist man einfach in ein Start-up Netzwerk von ganz vielen Leuten eingebunden, die gerade Unternehmen gründen und in der gleichen Situation sind wie ich.
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