Wie alle Zellen sind auch Bakterien von einer Zellmembran umgeben. Diese dünne Fettschicht umschließt Nährstoffe, Erbmaterial und Eiweiße der Zelle und begrenzt diese daher. Allerdings müssen bestimmte Substanzen die Membran passieren können. Zum Beispiel solche, die den Krankheitserregern helfen, die Immunantwort des menschlichen Körpers zu umgehen. Dazu verfügen krankmachende Bakterien wie Haemophilus influenzae über sogenannte ATP-unabhängige periplasmatische (TRAP)-Transporter. Sie haben zwei sehr flexible Transmembran-Domänen, die die Zellwand durchspannen. Die Krankheitserreger Haemophilus influenzae benutzen den TRAP-Transporter dazu, um Sialinsäure aus der Umgebung in das Zellinnere zu bringen, die dann wiederum in die bakterielle Zellwand eingebaut wird. Das kleine Zuckermolekül kommt im menschlichen Gewebe sehr häufig vor. „Eingebaut in der bakteriellen Zellwand wirkt die Sialinsäure wie eine Tarnkappe für die Bakterien. Sie können sich auf diese Weise vor unserem Immunsystem verstecken, weil sie damit dem körpereigenen Gewebe ähnlich sehen“, sagt PD Dr. Gregor Hagelueken vom Institut für Strukturbiologie am UKB. Er ist auch Mitglied in dem Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ sowie im Exzellenzcluster Immunosensation2 der Universität Bonn.
Protein fängt Substanz wie eine Venusfliegenfalle
Unterstützung findet der TRAP-Transporter dabei durch ein zusätzliches Substratbindungsprotein (SBP), welches außerhalb der bakteriellen Membran nach Sialinsäure sucht. Hat dieser „Gabelstapler“ ein Zuckermolekül gefunden, so verändert die Bindungstasche des SBP seine Form und bindet die Sialinsäure fest. „Dieser Bindungsprozess kann mit dem Zuschnappen einer Venusfliegenfalle verglichen werden“, sagt Philipp Hendricks, einer der Erstautoren der Studie und Doktorand am Institut für Strukturbiologie der Universität Bonn.
Es wurde schon lange vermutet, dass der TRAP Transporter die geschlossene Form des Substratbindeproteins erkennt. Die Bonner Forschenden gingen also der Frage nach, ob das Öffnen und Schließen des SBP und die Auf- und Abwärtsbewegung des TRAP-Transporters tatsächlich aneinandergekoppelt sind. Weil diese Bewegungen sehr schnell sind, nutzte die Arbeitsgruppe um Hagelueken das so genannte Disulfid-Engineering, ein spezielles biotechnologisches Werkzeug, um den Transporter zu blockieren. „Dabei arretierten wir den ‘Fahrstuhl’ sozusagen in verschiedenen Stockwerken – entweder im Inneren der Zelle oder außerhalb“, sagt Erstautor Dr. Martin Peter. Er war Postdoktorand am Institut für Strukturbiologie und forscht inzwischen an der Universität Heidelberg.
Bakterieller Lastentransport sichtbar mit Fluoreszenzmikroskopie
In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Ulrich Kubitscheck am Clausius-Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Bonn konnten die Forscher den TRAP Transporter in künstliche Membranen einbauen. Mittels Einzelmolekül-Fluoreszenzmikroskopie konnten sie die Bindung zwischen dem TRAP-Transporter und dem „Gabelstapler“ genau beobachten und ihnen so live bei der Arbeit zusehen. „Unsere Experimente zeigten, dass die Bewegungen des SBP und die des Transmembran-Aufzugs tatsächlich miteinander gekoppelt sind“, sagt Erstautor Jan A. Ruland, Postdoktorand am Clausius–Institut der Universität Bonn. So bindet das SBP in seinem geschlossenen Zustand vorzugsweise an den nach innen gerichteten Membran-Fahrstuhl und das „offene“ SBP an den nach außen gerichteten TRAP-Transporter. „Diese neuen Einsichten in den Mechanismus des Transporters können in Zukunft dabei helfen, Antibiotika zu entwickeln, die dafür sorgen, dass die Aufzüge von Bakterien stecken bleiben. Das wäre das Ende des Versteckspiels und unser Immunsystem könnte die Bakterien leichter zerstören“, resümiert Hagelueken vom UKB.