Nun können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit der Erforschung der Sklaverei und anderer Formen der Abhängigkeit befassen, die Bestände einer der größten Bibliotheken zur antiken Sklaverei weltweit nutzen. Ursprünglich stammt die Bibliothek von der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur, wo 60 Jahre lang über die Sklaverei im antiken Mittelmeerraum geforscht wurde. Mehr als vierzig Bände wurden zu zahlreichen Facetten des Themas publiziert. Hinzu tritt ein umfangreiches Fachlexikon zur antiken Sklaverei, an dem Forscher aus der ganzen Welt mitgearbeitet haben. Nun ist diese Bibliothek mit ihren reichen Beständen von Mainz nach Bonn verlagert worden.
Viele auf Russisch und Ukrainisch verfassten Forschungsarbeiten sind im Rahmen des Akademie-Projekts ins Deutsche übersetzt worden. Diese noch auf Schreibmaschine erstellten Übersetzungen sind Unikate, wichtige Archivalien, die in die Obhut des BCDSS gegeben wurden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland können so Forschungen einbeziehen, auch wenn sie keine Kenntnisse der russischen oder ukrainischen Sprache haben.
Für die russische Wissenschaft war die antike Sklaverei lange ein zentrales Forschungsthema. Vor dem Hintergrund der russischen Leibeigenschaft entstanden erste Bücher zu diesem Thema bereits im 19. Jahrhundert. Im 20. Jahrhundert wurde die russische Sklavereiforschung von der sowjetischen Staatsdoktrin vereinnahmt, was nach 1990 zur Abkehr von dem Thema führte. Der auf staatlichen Druck erfolgte Ansatz hatte sich als Sackgasse erwiesen. Die Sklaverei und der Menschenhandel bleiben aber ein wichtiger Aspekt der Geschichte griechischer Kolonien an der Südküste der heutigen Ukraine und auf der Krim. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können nun in der nach Bonn umgezogenen Bibliothek auf der Grundlage zahlreicher Publikationen und Archivmaterialien diese Geschichte und die der antiken Sklaverei insgesamt fortschreiben.
Bonn Center for Dependency and Slavery Studies (BCDSS)
„Asymmetrische Abhängigkeit“ – mit diesem neuen Schlüsselkonzept eröffnet der Exzellenzcluster Bonn Center for Dependency and Slavery Studies (BCDSS) einen neuen Zugang zur Sklaverei- und Abhängigkeitsforschung. Untersucht werden alle Formen tiefer sozialer Abhängigkeiten wie Sklaverei, Leibeigenschaft, Schuldknechtschaft sowie weitere Formen permanenter Abhängigkeiten. Dabei werden alle Epochen, Regionen und Kulturen einbezogen. Mit dieser inhaltlichen, räumlichen und zeitlichen Erweiterung der Perspektive öffnet sich die Abhängigkeitsforschung für transkulturelle Vergleiche.