14. Januar 2021

Umwelt prägt das Verhalten Umwelt prägt das Verhalten

Studie unter Beteiligung der Uni Bonn zeigt: Menschen, Säugetiere und Vögel, die am selben Ort leben, verhalten sich ähnlich

Je nachdem, wo auf der Welt sie leben, organisieren Menschen aus Jäger- und Sammlergesellschaften ihr Leben ähnlich wie Säugetier- und Vogelarten, mit denen sie ihren Lebensraum teilen. Das betrifft zum Beispiel die Nahrungssuche, Fortpflanzung, Betreuung des Nachwuchses und sogar ihr soziales Umfeld. Einer neuen Studie von Wissenschaftlern der Universität Bonn, des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie und der University of Bristol (Großbritannien) zufolge haben Umweltfaktoren einen entscheidenden Einfluss darauf, wie sich Menschen und nicht-menschliche Arten verhalten – trotz ihrer sehr unterschiedlichen Hintergründe. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Science“ erschienen.

Angehörige der Mbuti-Population,
Angehörige der Mbuti-Population, - die in den afrikanischen Regenwäldern lebt, legen nur in geringem Maße Nahrungsmittelvorräte an. Ähnlich verhält es sich bei den meisten anderen Säugetierarten im Umkreis von 25 Kilometern: Nur sieben von 171 Arten horten Nahrung. © Toman Barsbai, Dieter Lukas & Andreas Pondorfer
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Die Forscher trugen Daten von mehr als 300 Orten auf der ganzen Welt zusammen, um dann das Verhalten menschlicher Populationen sowie anderer Säugetier- und Vogelarten, die an diesen Orten leben, zu beschreiben. Die Ergebnisse zeigen, dass sich der Mensch bei 14 von 15 untersuchten Verhaltensweisen ähnlich verhält wie die meisten anderen Arten, die am gleichen Ort leben, und dass er sich von Arten, die unter anderen Umweltbedingungen leben, eher unterscheidet.

„Frühere Studien untersuchten den Einfluss von Umweltbedingungen auf das Verhalten von nahe verwandten Arten. In unserer Studie haben wir nun erstmals aus einer vergleichenden Perspektive sehr unterschiedliche Arten – Menschen, Säugetiere und Vögel – systematisch über eine breite Palette von Verhaltensweisen hinweg miteinander verglichen. Unsere Ergebnisse zeigen, wie bemerkenswert durchdringend und konsistent der Einfluss lokaler Umweltbedingungen auf das Verhalten ist“, sagt Autor Dr. Toman Barsbai von der University of Bristol und dem Institut für Weltwirtschaft Kiel. „Die Ähnlichkeiten finden sich nicht nur bei Verhaltensweisen mit direktem Bezug zur Umwelt, wie zum Beispiel der Nahrungssuche, wo wir eine klare Korrelation erwartet haben, sondern auch beim Fortpflanzungs- und Sozialverhalten, die weniger von lokalen Umweltfaktoren abhängig zu sein schienen.“

Was die Nahrungssuche betrifft, gibt es zum Beispiel Lebensräume, wo Menschen einen erheblichen Teil ihrer Kalorien durch die Jagd gewinnen – und an diesen Orten ist auch der Anteil an fleischfressenden Säugetieren und Vögeln viel größer als anderswo. Ähnliche Assoziationen gibt es auch für die Abhängigkeit vom Fischfang, die Entfernung, die man für die Nahrungssuche zurücklegt, ob man sich mit Nahrung bevorratet, und ob eine jahreszeitenbedingte Migration stattfindet – wobei jedes Verhalten bei Menschen, anderen Säugetieren und Vögeln an manchen Orten intensiver ausgeprägt ist als an anderen.

Gemeinsamkeiten beim Fortpflanzungsverhalten und der Kinderbetreuung

Beim Fortpflanzungsverhalten gibt es zum Beispiel große Unterschiede zwischen den Populationen, was den Zeitpunkt der ersten Fortpflanzung betrifft. In einigen menschlichen Populationen werden Männer im Durchschnitt zum ersten Mal Vater, wenn sie 30 Jahre oder älter sind, während sie in anderen Populationen jünger als 20 Jahre sein können. An Orten, an denen Menschen später Kinder bekommen, sind auch die dort lebenden Säugetiere und Vögel bei der ersten Fortpflanzung im Durchschnitt älter und umgekehrt. Die Studie ergab auch, dass andere Variablen sich über die Arten hinweg ähnelten, darunter der Anteil der Individuen, die mehrere Partner haben, wie weit sich Individuen von ihrem Heimatort entfernen, um mit neuen Partnern zusammenzuleben, und wie wahrscheinlich es ist, dass sich Paare trennen.

Was soziale Interaktionen betrifft, gibt es einige Orte auf der Welt, an denen die Betreuung der Nachkommen gleichmäßiger zwischen den Eltern aufgeteilt wird als an anderen – Orte, wo Gruppen aus mehr Individuen bestehen als an anderen und Orte, an denen es wahrscheinlicher ist, dass es soziale Klassen gibt, also einige Individuen dominanter sind als andere.

Was ist die Ursache dafür? Weitere Erkenntnisse aus der Studie deuten darauf hin, dass es die lokalen Umweltbedingungen sein könnten. Kannten die Forscher die Umweltbedingungen eines Ortes, konnten sie erklären, welche Verhaltensweisen dort zu erwarten sind. Es ist jedoch noch nicht klar, welche spezifischen Umweltfaktoren für bestimmte Verhaltensweisen von besonderer Bedeutung sind oder welche Mechanismen sie miteinander verbinden.

„Wir waren überrascht, dass diese Assoziationen bei Menschen, Säugetieren und Vögeln auftraten“, sagt Autor Dr. Dieter Lukas vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. „Es ist zu erwarten, dass verschiedene Arten ihre Umwelt auf sehr unterschiedliche Weise wahrnehmen und mit ihr interagieren. Selbst wenn sie am Ende das gleiche Verhalten zeigen, könnten sie auf unterschiedlichen Wegen dorthin gelangt sein. Insbesondere die Flexibilität mit der Menschen ihr Verhalten an Lebensräume auf der ganzen Welt anpassen, wird wahrscheinlich dadurch ermöglicht, dass wir von anderen Menschen lernen und auf diesem Weg Informationen über Generationen hinweg aufbauen.“

Studie bezieht sich auf Menschen, die ihre Nahrung im eigenen Lebensraum gewinnen

Die Studie konzentrierte sich auf menschliche Populationen, die den Großteil ihrer Nahrung durch Nahrungssuche innerhalb ihres Lebensraums gewinnen. „Es wäre interessant herauszufinden, wie viele dieser Umweltrestriktionen andere Gesellschaften prägen, in denen Individuen ihre Nahrung durch landwirtschaftliche Spezialisierung und Handel erhalten“, sagt Autor Dr. Andreas Pondorfer vom Institut für Angewandte Mikroökonomik der Universität Bonn und der Technischen Universität München. „Es wird oft angenommen, dass Menschen durch das Betreiben von Landwirtschaft weniger von ihrer Umwelt abhängig sind. Dennoch könnten auch in diesen Populationen Individuen nicht so unabhängig von der Umwelt sein, wie wir denken und vielleicht könnte ihr Verhalten auch immer noch Anpassungen widerspiegeln, die vor Einführung der Landwirtschaft stattgefunden haben.“

Förderung:

Die Wissenschaftler haben keine spezifische Förderung für diese Studie erhalten.

Publikation: Toman Barsbai*, Dieter Lukas* & Andreas Pondorfer*: Local convergence of behavior across species. Science; DOI: 10.1126/science.abb7481 *Equal contribution

Kontakt:

Dr. Andreas Pondorfer
Institut für Angewandte Mikroökonomik (IAME) der Universität Bonn
Tel.: +49 163 788 41 75
E-Mail: andreas.pondorfer@uni-bonn.de
https://andreas-pondorfer.mystrikingly.com/

Dr. Dieter Lukas
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig
Tel.: +49 341 658 370 83
E-Mail: dieter_lukas@eva.mpg.de
http://dieterlukas.mystrikingly.com/

Dr. Toman Barsbai
University of Bristol, UK
Tel.: +44 74 344 457 56
E-Mail: toman.barsbai@bristol.ac.uk
https://sites.google.com/view/tomanbarsbai/

Links: Ein Hadza
Links: Ein Hadza - aus der Region des Lake Eyasi im Norden Tansanias bei der Jagd nach Beutetieren. Die Hadza sind eine der Populationen, die in die Studie einbezogen wurden. Rechts: Löwen auf der Pirsch. © Brian Wood (links); Ned Botha (rechts)
Links: Ein Hadza
Links: Ein Hadza - aus der Region des Lake Eyasi im Norden Tansanias bei der Jagd nach Beutetieren. Die Hadza sind eine der Populationen, die in die Studie einbezogen wurden. Rechts: Löwen auf der Pirsch. © Brian Wood (links); Ned Botha (rechts)
Ein BaYaka-Junge
Ein BaYaka-Junge - aus der Region Likouala in der Republik Kongo (Kongobecken) klettert auf einen Papayabaum, um Früchte zu ernten. Die BaYaka sind eine der Populationen, die in die Studie einbezogen wurden. © Sarah Pope
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