In der Medizin besteht über alle Fächergrenzen hinweg ein großer Bedarf an der Auswertung von standortübergreifenden Daten. Besonders deutlich wird dies in der Radiologie: die Vielzahl der radiologischen Bilder, die täglich aufgenommen werden, enthalten sehr viel mehr Informationen, als nur den einzelnen radiologischen Befund. Vielmehr können heute Texturanalysen, sogenannte Radiomics-Analysen, auf radiologischen Bildern zur Datenerhebung durchgeführt werden, welche für den Radiologen zunächst nicht sichtbar sind, aber wichtige Informationen über die Krankheit wie Prognoseabschätzungen liefern können.
„Voraussetzung dieser Ansätze ist die Analyse sehr großer Datenbestände“, betont Prof. Dr. Alexander Radbruch, Direktor der Klinik für Neuroradiologie und Projektleiter am UKB. „In der klinischen Realität scheitern jedoch immer noch viele Forschungsprojekte daran, dass datenschutzrechtliche Fragen ungeklärt bleiben und insbesondere bereits erhobene, sogenannte retrospektive Daten, häufig nicht für die Forschung verwendet werden dürfen.“
Sicherer und vertrauensvoller Datenaustausch
Diesem Missstand soll jetzt in einem neuen Forschungskonsortium, das durch die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Bonn, die Klinik für Neuroradiologie des UKB sowie das Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie IMW und das Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST gegründet wurde, entgegengewirkt werden.
„Natürlich handelt es sich gerade bei Gesundheitsdaten um sehr sensible Daten, die besonders geschützt werden müssen und keinesfalls in die falschen Hände geraten dürfen“, erklärt Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider, Professorin für Bürgerliches Recht, Informations- und Datenrecht der Universität Bonn. „Trotzdem hängt der medizinische Fortschritt in erheblichem Maße von einer adäquaten Datennutzung ab. Es gilt daher, Forschungsinteressen und Datenschutz miteinander in Einklang zu bringen. Eine Möglichkeit könnten sogenannte Datentreuhänder sein – technische Möglichkeiten zur gemeinsamen Auswertung von Datenbeständen mehrerer Beteiligter wie Unikliniken, die den Zugriff Unbefugter ausschließen und lediglich die Datenauswertungsergebnisse an die Datengeber ausgeben.“
Dass es sich bei dem Projekt um einen zentralen Baustein innerhalb der medizinischen Forschungslandschaft handelt, betont auch der Dekan der medizinischen Fakultät Prof. Dr. Bernd Weber. „Eine Vielzahl von medizinischen Forschungsprojekten beruht auf dem sicheren Austausch großer Datenmengen“, bestätigt Prof. Weber. Ferner sei der sichere Datenausaustausch auch für Start-ups im medizintechnischen Bereich essentiell. Erst kürzlich hat die medizinische Fakultät der Universität Bonn für die Unterstützung von Start-ups eine Förderung im Rahmen des BoHAIMe Antrags zur Entwicklung medizinischer Software erhalten. „Durch das neue Projekt zur Datentreuhand können wir nunmehr sowohl kollaborative Forschungsprojekte fördern, als auch innovativen Start-ups Rechtssicherheit, hinsichtlich der Verwendung medizinischer Daten geben“, freut sich Prof. Weber.
„Wir freuen uns sehr, dass wir gemeinsam mit der Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät und Fraunhofer dieses wichtige Projekt für die Zukunft medizinischer Forschung starten können“, betont auch Prof. Dr. Wolfgang Holzgreve, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKB. „Nur durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit können die drängenden Fragen des Datenschutzes im medizinischen Umfeld gelöst werden. Wir freuen uns, dass wir am UKB hier Impulse setzen können.“
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Alexander Radbruch
Direktor der Klinik für Neuroradiologie
Universitätsklinikum Bonn
Telefon: +49 228 287-16507
E.Mail: Alexander.Radbruch@ukbonn.de
Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider
Professorin für Bürgerliches Recht, Informations- und Datenrecht
Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Bon
Telefon: +49 (0)228 73-4240
E-Mail: sekretariat.specht@jura.uni-bonn.de