Das eROSITA Weltraumteleskop startete am 13. Juli 2019 von Baikonur aus auf einer Proton-M Trägerrakete ins All. Da die Erdatmosphäre die hochenergetischen Röntgenstrahlen vollständig absorbiert, sind diese Beobachtungen nur so möglich. Die Daten, die nun veröffentlich wurden, entsprechen den ersten von mehreren Himmelsdurchmusterungen mit dem eROSITA-Teleskop. Im empfindlichsten Energiebereich der eROSITA-Detektoren erfasste das Teleskop in dieser Zeit 170 Millionen Röntgenphotonen, für die die Kameras die eingehende Energie und die Ankunftszeit genau messen können.
Der eRASS1-Katalog deckt die Hälfte des Himmels ab und ist der Datenanteil des deutschen eROSITA-Konsortiums. Er umfasst mehr als 900.000 Quellen, von etwa 710.000 massereichen schwarzen Löchern in fernen Galaxien (aktive galaktische Kerne) über 180.000 Röntgensterne in unserer eigenen Milchstraße und 12.000 Galaxienhaufen und einer kleinen Anzahl anderer exotischer Quellen wie röntgenstrahlende Doppelsterne, Supernova-Überreste, Pulsare und andere Objekte.
“Das sind überwältigende Zahlen für die Röntgenastronomie”, sagt Andrea Merloni, leitender Forscher bei eROSITA und Erstautor des eROSITA-Katalog-Paper. “Wir haben in sechs Monaten mehr Quellen entdeckt als die großen Flaggschiff-Missionen XMM-Newton und Chandra in fast 25 Betriebsjahren.”
Das deutsche eROSITA-Konsortium hat heute mehr als 40 neue wissenschaftliche Publikationen bei Fachzeitschriften eingereicht, zusätzlich zu den mehr als 200, die das Team bereits vor der Publikation der Daten veröffentlicht hat. Die meisten der neuen Veröffentlichungen erscheinen heute, zu den darin beschriebenen Entdeckungen zählen unter anderem das riesige Filament von heißem Gas zwischen Galaxienhaufen. Zudem auch Studien darüber, wie die Röntgenstrahlung eines Sterns die Atmosphäre und die Wasseraufnahme von Planeten in deren Umlaufbahn beeinflussen kann.
“Der wissenschaftliche Umfang und die Auswirkungen der Durchmusterung sind überwältigend und lassen sich nur schwer in ein paar Worte fassen”, sagt Mara Salvato, die als Sprecherin des deutschen eROSITA-Konsortiums die Arbeit von rund 250 Wissenschaftlern koordiniert, die in 12 Arbeitsgruppen organisiert sind. “Ich hoffe, dass die Arbeit des Teams für sich selbst sprechen wird.”
Auch Astrophysiker der Universität Bonn unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Reiprich vom Argelander-Institut für Astronomie sind unter den Erstautoren. “Das heiße Gas in Galaxienhaufen (>10 Millionen Grad) lässt sich besonders gut im Röntgenbereich beobachten. Unsere theoretischen Modelle vom Kosmos sagen vorher, dass Galaxienhaufen durch Filamente von warmem Gas (1-10 Millionen Grad) verbunden sind. Ein Filament zwischen zwei Galaxienhaufen, welches besonders lang ist, konnten wir nun dank eROSITA erstmalig entdecken und beschreiben“, so Jakob Dietl, Masterstudent am Argelander-Institut. Doch auch die Galaxienhaufen kann man mit eROSITA hervorragend erforschen: „Dank des großen Sichtfeldes des Instruments konnten wir nicht nur Details des zu uns nächstliegenden Galaxienhaufens, dem Virgo Galaxienhaufen, erforschen, sondern auch die Umgebung“, sagt Hannah McCall, welche nach ihrer Masterarbeit an der Universität Bonn jetzt an der University of Chicago promoviert. Sie führt fort: „Könnten wir Virgo mit bloßem Auge am Nachhimmel sehen, hätte er einen Durchmesser von fünfzehn Vollmonden, eROSITA ist wie geschaffen für die Analyse dieser Objekte! Zum ersten Mal hatten wir die Möglichkeit, die Außenbereiche des Virgo Galaxienhaufens im großen Stil zu erforschen.“ Ein weiterer Forscher, Dr. Konstantinos Migkas, der seine Promotion an der Universität Bonn abgeschlossen hat und derzeit Oort Postdoctoral Fellow an der Sternwarte Leiden ist, führte wichtige Cross-Kalibrierungen mit anderen Röntgensatelliten durch und ist Erstautor einer weiteren Studie.
Das wissenschaftliche Ziel des Teleskops besteht auch darin, kosmologische Modelle anhand von Galaxienhaufen zu überprüfen. Die kosmologischen Ergebnisse, die auf einer eingehenden Analyse der eRASS1-Galaxienhaufen beruhen, werden in etwa zwei Wochen veröffentlicht werden.
Eine Animation zum Filament zwischen Galaxienhaufen gibt es unter: https://www.youtube.com/watch?v=Uqye0DfOWII