Mit den Schlegel-Professuren, benannt nach dem Bonner Philologen August Wilhelm Schlegel (1767-1845), richtet die Universität Bonn hochkarätige Lehrstühle im Zuge der Exzellenzförderung ein. Die „Schlegel Chairs“ werden von den Fakultäten in Fächern besetzt, die zu den forschungsstarken Schwerpunkten oder den Entwicklungsbereichen gehören.
„Die Gewinnung von international anerkannten Forschenden zur Steigerung unserer wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit ist ein Kernelement unserer Exzellenzstrategie“, betont Rektor Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Hoch. „Mit der Biochemikerin Carmen Ruiz de Almodóvar und dem Theologen Martin Keßler ist es uns erneut gelungen, herausragende Persönlichkeiten an die Universität Bonn zu rekrutieren. Ich bin überzeugt davon, dass sie nicht nur wertvolle Beiträge in ihren Disziplinen leisten werden, sondern gleichzeitig unsere Fakultäten und Transdisziplinären Forschungsbereiche exzellent weiterentwickeln werden.“
Die Beziehung des Gefäß- und Nervensystems
Etwa 20 Prozent des Sauerstoff- und Glukosebedarfs des Körpers verbraucht das menschliche Gehirn, um seine hochpräzisen und ausgefeilten Funktionen aufrechtzuerhalten. Daher ist das Organ stark mit Blutgefäßen durchzogen, die jeden Winkel des Gehirns erreichen und sich mit all den dort befindlichen Nervenzelltypen vermischen. Carmen Ruiz de Almodóvar, neue Schlegel-Professorin an der Medizinischen Fakultät, möchte verstehen, wie das Gefäß- und das Nervensystem in verschiedenen Teilen des zentralen Nervensystems miteinander interagieren. Wie wird das Gehirn während der Entwicklung mit Gefäßen ausgestattet? Welche molekularen Signale nutzen Nervenzellen und Gefäße, um miteinander zu kommunizieren? Wie verändert sich diese Kommunikation bei krankhaften Zuständen wie neurologischen und neurodegenerativen Störungen? Um diese und weitere Fragen zu beantworten, bringen Ruiz de Almodóvar und ihr interdisziplinäres Team Wissen und Fachkenntnisse aus den Neurowissenschaften und den Gefäßwissenschaften zusammen.
„Die Universität Bonn bietet mir und meiner Forschungsgruppe ein einzigartiges Umfeld für exzellente Forschung und Lehre und einen großen Schwerpunkt in der interdisziplinären Forschung in den Lebenswissenschaften“, sagt Carmen Ruiz de Almodóvar. „Ich bin beeindruckt von der großen Vision für die Zukunft, zu der ich gerne beitragen möchte. Wir freuen uns darauf, mit Wissenschaftlern und Klinikern aus verschiedenen Bereichen zusammenzuarbeiten, um auch den Transdisziplinären Forschungsbereich ,Leben und Gesundheit‘ voranzutreiben.“
„Wir freuen uns sehr, Frau Professor Ruiz de Almodóvar nach Bonn rekrutiert zu haben. Mit ihr haben wir eine exzellente Forscherin gewinnen können, die auf ideale Weise unsere Forschungsschwerpunkte der Neurowissenschaften, kardiovaskulären Forschung und Immunologie verknüpft“, sagt Prof. Dr. Bernd Weber, Dekan der Medizinischen Fakultät. „Damit wird sie auch neue Ansätze für das Verständnis und die Therapien verschiedener Erkrankungen, wie der Multiplen Sklerose, am Universitätsklinikum erforschen.“
Zur Person: Biochemikerin Carmen Ruiz de Almodóvar
Carmen Ruiz de Almodóvar studierte Biochemie an der Universität von Granada (Spanien), wo sie im Jahr 2004 in Biochemie und Molekularbiologie promovierte. Anschließend ging sie nach Leuven (Belgien), um ihre Postdoc-Ausbildung am Flanders Center for Biotechnology (VIB) zu absolvieren. Vor ihrer Berufung nach Bonn war sie von 2011 bis 2018 Juniorgruppenleiterin am Biochemiezentrum der Universität Heidelberg und anschließend Professorin für vaskuläre Dysfunktion am European Center for Angioscience (Medizinische Fakultät Mannheim) der Universität Heidelberg. Sie hat einen ERC Starting Research Grant erhalten und ist derzeit Empfängerin eines ERC Consolidator Grant. Ihre Arbeit erhielt internationale Anerkennung durch verschiedene Auszeichnungen und hochrangige wissenschaftliche Publikationen.
Christentumsgeschichte der Neuzeit
Wie kommt es, dass bestimmte Personen im historischen Rückblick zu Schlüsselfiguren werden, während andere zurücktreten? Diese Frage untersucht Prof. Dr. Martin Keßler an der Christentumsgeschichte der Neuzeit, von etwa 1500 bis heute. Nachdem die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Bonn vergangenen Juli Prof. Dr. Klaus von Stosch auf die erste Schlegel-Professur berufen hat, besetzte die Evangelisch-Theologische Fakultät nun die Schlegel-Professur für Kirchengeschichte mit Schwerpunkt Reformation und Aufklärung mit Martin Keßler.
„Für christliche Selbstverständnisse der Gegenwart von hoher Bedeutung sind die konfessionellen Profile, die sich im 16. Jahrhundert mit der Reformation entwickelt haben“, sagt der neu berufene Schlegel-Professor. Zudem befasst sich Keßler mit der Aufklärung in ihren europäischen und globalen Dimensionen. Er arbeitet intensiv zu Johann Gottfried Herder (1744-1803), zu dessen besten Kennern im 19. Jahrhundert der Namensgeber der Professur, August Wilhelm Schlegel, zählt. Herder und anderen möchte Keßler digitale oder hybride Editionsprojekte in fachübergreifenden Kooperationen widmen.
"Wir haben den Schwerpunkt der Schlegel-Professur bewusst auf Reformation und Aufklärung gelegt: Die Reformation ist die Gründungsepoche der Protestantischen Theologie, der Aufklärung verdanken wir, dass die Theologie Teil der akademischen Disziplinen ist“, sagt Prof. Dr. Cornelia Richter, Dekanin der Evangelisch-Theologischen Fakultät. Für beide Traditionen gelte: Selbstreflexiver Glaube, Freiheit im Denken, Verantwortung des Einzelnen, kritische Prüfung kirchlicher Strukturen. „Eine Theologie, die sich darüber definiert, schützt vor Fundamentalismus und ist offen für die drängenden Fragen der Gegenwart. Martin Keßler erfüllt das Profil der Professur bestmöglich und wir freuen sehr über den Neuzugang."
Keßler freut sich auf den Austausch mit Studierenden und Kolleginnen sowie Kollegen vor Ort. „In der Verbundforschung eröffnet die Universität Bonn derzeit Chancen wie kaum eine andere deutschsprachige Hochschule“, sagt er. Als einzigartig nehme er die Bereitschaft des Rektorats wahr, die Theologie in ihrer für Bonn bezeichnenden konfessionellen Vielfalt zu stärken und Fördermöglichkeiten durch inter- sowie transdisziplinäre Vernetzung zu schaffen.
Zur Person: Evangelischer Theologe Martin Keßler
Martin Keßler wurde nach dem Studium der evangelischen Theologie in Heidelberg, Erlangen und München an der Universität Jena promoviert. Seine Dissertation zu Johann Gottfried Herder wurde mit dem Hanns-Lilje-Preis der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen ausgezeichnet. Nach Assistenzen in Basel und Göttingen, wo er habilitiert wurde, übernahm er Lehrstuhlvertretungen in Bonn und Göttingen. In Frankfurt am Main war er seit 2018 Heisenberg-Professor für neuzeitliche Kirchengeschichte mit dem Schwerpunkt Auslegungsgeschichte und Digital Humanities. 2020 wechselte er auf den Basler Lehrstuhl für Kirchen- und Theologiegeschichte, von dem aus er den Ruf an die Universität Bonn annahm. Er ist unter anderem europäischer Mitherausgeber des „Archivs für Reformationsgeschichte“ und Präsident der „International Herder Society“.