Fettmoleküle dienen Fettzellen als Energiespeicher. Sie bestehen aus drei Fettsäuren, die an ein Gerüst aus Glyzerin geheftet sind. Sie werden daher auch Triglyzeride genannt. Schon lange vermutet man, dass die Moleküle während ihrer Speicherdauer nicht unverändert bleiben. Stattdessen werden sie regelmäßig zerlegt und neu zusammengesetzt - ein Vorgang, der sich „Triglyzerid-Cycling“ nennt. Doch stimmt diese Annahme überhaupt, und wenn ja: Wozu wäre das gut? „Auf diese Fragen gab es bis jetzt keine wirkliche Antwort“, erklärt Prof. Dr. Christoph Thiele vom LIMES-Institut der Universität Bonn. „Es gibt zwar seit 50 Jahren indirekte Hinweise auf diesen permanenten Umbau. Ein direkter Beweis dafür stand aber bislang aus.“
Das Problem: Um nachzuweisen, dass Fettsäuren abgespalten, modifiziert und wieder in neue Moleküle eingebaut werden, müsste man ihre Verwandlung bei der Reise durch den Körper nachverfolgen. In jeder Zelle gibt es aber Hunderttausende von Triglyzeriden. Einzelne Fettsäuren im Auge zu behalten, ist daher äußerst schwierig.
Etikett macht Fettsäuren unverwechselbar
„Wir haben jedoch eine Methode entwickelt, mit der wir Fettsäuren ein spezielles Etikett anheften und sie damit unverwechselbar machen können“, sagt Thiele. Seine Arbeitsgruppe kennzeichnete auf diese Weise verschiedene Fettsäuren und gab sie zu einem Nährmedium, das Fettzellen der Maus enthielt. Die Mauszellen bauten die markierten Moleküle daraufhin in Triglyceride ein. „Wir konnten zeigen, dass diese Triglyzeride nicht unverändert bleiben, sondern kontinuierlich ab- und umgebaut werden: Jede Fettsäure wird etwa zweimal am Tag abgespalten und wieder an ein anderes Fettmolekül angeheftet“, erklärt der Wissenschaftler.
Doch warum ist das so? Schließlich kostet dieser Umbau Energie, der als Abwärme frei wird - was hat die Zelle davon? Bislang dachte man, dass sie diesen Prozess benötigt, um Energiespeicherung und -bereitstellung auszutarieren. Vielleicht ist er aber auch einfach eine Möglichkeit für den Körper, Wärme zu erzeugen. „Unsere Ergebnisse deuten nun auf eine ganz andere Erklärung hin“, erklärt Thiele. „Möglicherweise werden die Fette im Laufe dieses Prozesses so umgearbeitet, wie der Körper sie benötigt.“ Schlecht zu verwertende Fettsäuren würden also zu hochwertigeren Varianten veredelt und in dieser Form gelagert, bis sie gebraucht werden.
Fettsäuren bestehen größtenteils aus Kohlenstoff-Atomen, die wie die Wagons eines Zugs hintereinander hängen. Ihre Länge kann sehr unterschiedlich sein: Manche bestehen nur aus zehn Kohlenstoff-Atomen, andere aus 16 oder noch mehr. Die Forschenden erzeugten in ihrer Studie drei verschiedene Fettsäuren und versahen sie mit einem Etikett. Eine davon war elf, die zweite 16 und die dritte 18 Kohlenstoff-Atome lang. „Diese Kettenlängen kommen typischerweise auch in der Nahrung vor“, erklärt Thiele.
Kurze Fettsäuren werden eliminiert, lange „verbessert“
Durch die Etikettierung konnten die Forscherinnen und Forscher genau nachverfolgen, was mit den verschieden langen Fettsäuren in der Zelle geschieht. Dabei zeigte sich, dass die Elfer-Fettsäuren zwar anfangs in Triglyzeride eingebaut wurden. Nach kurzer Zeit wurden sie jedoch wieder abgespalten und aus der Zelle geschleust. Nach zwei Tagen waren sie nicht mehr nachweisbar. „Solche kürzeren Fettsäuren sind für Zellen schlecht nutzbar und können sie sogar schädigen“, sagt Thiele, der auch Mitglied im Exzellenzcluster ImmunoSensation2 ist. „Daher werden sie schnell entsorgt.“
Die 16er- und 18er-Fettsäuren blieben dagegen in der Zelle, wenn auch nicht in ihren ursprünglichen Fettmolekülen. Außerdem wurden sie nach und nach chemisch verändert, etwa durch die Einfügung weiterer Kohlenstoff-Atome. In den ursprünglichen Fettsäuren waren die Kohlenstoff-Atome zudem mit Einfachbindungen verknüpft - ungefähr wie bei einer Menschenkette, in der sich benachbarte Personen die Hand geben. Im Laufe der Zeit entstanden daraus mitunter Doppelbindungen; das ist, als würden sich Karnevalisten zu einer Polonäse formieren. Die Fettsäuren, die dabei entstehen, nennt man ungesättigt. Sie sind für den Körper besser verwertbar.
„Insgesamt erzeugen die Zellen auf diese Weise Fettsäuren, die für den Organismus günstiger sind als die, die wir ursprünglich mit der Nährlösung zugeführt hatten“, betont Thiele. Langfristig entsteht so beispielsweise aus Palmitat, wie es etwa in Palmfett enthalten ist, Ölsäure, ein Bestandteil hochwertigen Olivenöls. Die Zelle kann die Fettsäuren aber nicht verändern, solange sie im Fettmolekül stecken. Sie müssen erst abgespalten, dann modifiziert und schließlich wieder angeheftet werden. Thiele: „Ohne Triglyzerid-Cycling gibt es auch keine Fettsäuremodifikation.“
Fettgewebe kann Triglyzeride also verbessern. Wenn wir Nahrung mit ungünstigen Fettsäuren essen und speichern, müssen sie nicht so wieder freigesetzt werden, wenn wir hungern. Was wir zurückbekommen, enthält weniger „kurze“ Fettsäuren, mehr Ölsäure (statt Palmitat) und mehr von der wichtigen Arachidonsäure (statt Linolsäure). „Dennoch sollten wir bei unserer Ernährung darauf achten, möglichst hochwertige Speisefette zu uns zu nehmen“, betont der Wissenschaftler. Denn die Veredlung funktioniert nie zu 100 Prozent. Außerdem wird ein Teil der Fettsäuren nicht gespeichert, sondern direkt im Körper verwandt. Im nächsten Schritt wollen die Forschenden nun überprüfen, ob in menschlichem Fettgewebe dieselben Prozesse ablaufen wie in einzelnen Maus-Fettzellen im Reagenzglas. Außerdem wollen sie herausfinden, welche Enzyme das Cycling am Laufen halten.