Plateosaurus lebte während der Obertrias – etwa vor 217 bis 201 Millionen Jahren. “Mit weit über 100 teils vollständig erhaltenen Skeletten ist er einer der am besten bekannten Dinosaurier”, sagt Dr. Jens Lallensack, der an der Universität Bonn die Dinosaurierbiologie erforschte und seit einigen Monaten an der Liverpool John Moores University (Großbritannien) arbeitet. Der Pflanzenfresser verfügte über einen kleinen Schädel, einen langen Hals und Schwanz, kräftige Hinterbeine und starke Greifhände. Die Spannweite ist groß: Ausgewachsene Exemplare reichten von wenigen bis zu zehn Metern Länge, das Gewicht lag zwischen rund einer halben und vier Tonnen.
Die ersten Knochen von Plateosaurus wurden bereits 1834 bei Nürnberg gefunden; damit war es der erste in Deutschland gefundene Dinosaurier, und einer der ersten überhaupt. Zwischen 1911 und 1938 brachten Grabungen dutzende Skelette aus Dinosaurier-“Fiedhöfen” in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) und Trossingen (Baden-Württemberg) zu Tage. Ein dritter solcher Friedhof wurde in den 1960er Jahren in Frick (Schweiz) entdeckt. “Er ist der einzige, in dem noch immer jährlich gegraben wird”, sagt Lallensack. Das zum ersten Mal genau beschriebene Material aus Frick umfasst acht vollständige und sieben fragmentarische Schädel, die der Schweizer Paläontologe und Saurierforscher Dr. Ben Pabst mit einem Team ausgegraben hat.
Natürliche Variation zwischen Individuen
Dinosaurier sind der Nachwelt vor allem durch Knochen überliefert. Paläontologen stützen sich auf anatomische Details, um verschiedene Arten unterscheiden zu können. “Eine fortwährende Schwierigkeit dabei ist, dass derartige anatomische Unterschiede auch innerhalb einer Art auftreten können – als natürliche Variation zwischen Individuen”, berichtet Lallensack. Forscher der Universität Bonn und des Sauriermuseums Frick (Schweiz) konnten nun zeigen, dass die Anatomie von Plateosaurus deutlich variabler war als bislang angenommen – und die Gültigkeit mancher Art einer erneuten Überprüfung bedarf. Möglich wurden diese Erkenntnisse durch Analysen von 14 vollständigen und weiteren unvollständigen Schädeln von Plateosaurus. “Eine derart große Anzahl eines frühen Dinosauriers ist einzigartig”, sagt der Paläontologe Prof. Dr. Martin Sander von der Universität Bonn.
Können alle diese Fossilien aus Deutschland und der Schweiz wirklich einer einzigen Art zugeordnet werden? Die Beantwortung dieser Frage ist umso dringender, seit Martin Sander und Nicole Klein von der Universität Bonn im Jahr 2005 in “Science” publizierten. Demnach war Plateosaurus wohl bereits wie heutige Vögel warmblütig, konnte aber sein Wachstum an die Umweltbedingungen anpassen – was heute nur bei wechselwarmen Tieren beobachtet werden kann. “Diese Hypothese ist für unser Verständnis der Evolution der Warmblütigkeit von großer Bedeutung”, berichtet Lallensack. Allerdings ließen sich bislang die beobachteten individuell verschiedenen Wachstumsmuster alternativ mit der Annahme erklären, dass nicht nur eine, sondern mehrere Arten vorlagen. Die aktuelle Studie entkräftet dies.
Knochenverformungen während der Fossilisation
Die Forscher haben die Variationen in den Schädeln unterschiedlichen Alters nun sorgfältig dokumentiert. Ein beträchtlicher Anteil der Unterschiede lässt sich auf Knochenverformungen während der Fossilisation tief unter der Erdoberfläche zurückführen. Davon sind die individuellen Variationen abzugrenzen: Am auffälligsten erschien den Forschern der hintere Ast des Jochbeins, der teils gegabelt ist und teils nicht. Eine stark skulpturierte Knochenspange über dem Auge war ebenfalls nur bei einigen Schädeln vorhanden. Auch die relative Größe der Nasenöffnung ist unterschiedlich.
“Dabei zeigt sich, dass jeder Schädel eine einzigartige Kombination von Merkmalen aufweist”, betont Lallensack die ausgeprägte Individualität dieser Dinosaurier. Die einzigartig große Anzahl der untersuchten Schädel ermöglichte es zu zeigen, dass es sich bei den unterschiedlich ausgeprägten Merkmalen um Variationen innerhalb einer Art und nicht um verschiedene Arten handelt. “Nur wenn möglichst alle Funde ausgegraben und gesichert werden, kommt man auf die benötigte hohe Anzahl, mit der sich die Artzugehörigkeit nachweisen lässt”, sagt Sander.
Förderung:
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) förderte die Studie. Für die Ausgrabung und Präparierung erhielt das Projekt finanzielle Unterstützung durch die Gemeinde Frick und den Kanton Aargau (Swisslos-Fonds) der Schweiz.
Publikation: Lallensack, J.N., Teschner, E.M., Pabst, B., and Sander, P.M.: New skulls of the basal sauropodomorph Plateosaurus trossingensis from Frick, Switzerland: Is there more than one species? Acta Palaeontologica Polonica, DOI: https://doi.org/10.4202/app.00804.2020; http://app.pan.pl/article/item/app008042020.html
Kontakt:
Prof. Dr. Martin Sander
Institut für Geowissenschaften
Universität Bonn
Tel. +49-(0)228-733105
E-Mail: martin.sander@uni-bonn.de
Dr. Jens Lallensack
Liverpool John Moores University
E-Mail: jens.lallensack@gmail.com