Weltweit werden jährlich fast 400 Millionen Tonnen Plastik produziert - sämtliche Autos in Europa wiegen zusammen nur unwesentlich mehr. Nach Schätzungen werden 40 Prozent der Kunststoffe zu Verpackungen verarbeitet: für Kühlschränke, Bücher, Deos, aber auch für Getränke oder Gurken. Ein großer Teil davon landet später auf dem Müll oder in der Umwelt. Gleichzeitig verschwendet die Herstellung wertvolle fossile Ressourcen und gefährdet das Klima.
„Eine mögliche Lösung für diese Probleme sind umweltfreundliche Plastik-Alternativen“, erklärt Janine Macht, Doktorandin am Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik der Universität Bonn. „Dazu zählen etwa Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, beispielsweise aus landwirtschaftlichen Abfällen. Manche Hersteller setzen auch auf innovative Verpackungen auf Papierbasis wie Eisbecher oder Flaschen. Wir wollten wissen, auf welche Akzeptanz diese Alternativen bei Konsumentinnen und Konsumenten stoßen und inwieweit das auch vom Produkt abhängt, das verpackt wird.“
Macht ist diesen Aspekten zusammen mit ihrer Kollegin Jeanette Klink-Lehmann und der Projekt-Koordinatorin Dr. Sandra Venghaus vom Forschungszentrum Jülich nachgegangen (Venghaus ist inzwischen auf eine Juniorprofessur an der RWTH Aachen gewechselt). Die Forscherinnen haben eine Online-Umfrage durchgeführt, an der knapp 3.000 Frauen und Männer aus dem gesamten Bundesgebiet teilnahmen. Die Stichprobe war so gewählt, dass sie hinsichtlich Geschlecht, Altersverteilung und Bildung möglichst stark der Verteilung in der Gesamtbevölkerung ähnelte.
Pflanzenöl aus der Papp-Flasche
Die Wissenschaftlerinnen konzentrierten sich in ihrer Umfrage auf drei sehr unterschiedliche Nahrungsmittel: Blaubeeren, Butter und Pflanzenöl. Hinzu kamen drei unterschiedliche Arten, in denen diese Produkte verpackt waren: in einem herkömmlichen (aber immerhin recycelbaren) Kunststoffbehälter, in einem Gefäß aus Bioplastik oder in einer Alternative auf Papierbasis. Insgesamt gab es also neun verschiedene Lebensmittel-Verpackungs-Kombinationen.
Die Befragten wurden nun nach dem Zufallsprinzip in neun Gruppen eingeteilt. Jede der Gruppen bekam ein Foto von einer dieser Kombinationen zu sehen, zusammen mit einer Kurzinformation zur Verpackung. Die Probandinnen und Probanden sollten dann angeben, für wie umweltfreundlich sie diese gezeigte Verpackung hielten. Zudem wurden sie gefragt, wie geeignet die Verpackung aus ihrer Sicht war, das jeweilige Lebensmittel zu schützen, zu transportieren und aufzubewahren.
Ein zentrales Ergebnis: Verpackungen auf Papierbasis bekamen im Schnitt deutlich bessere Umwelt-Noten als solche aus Biokunststoff. Herkömmliche Plastik-Verpackungen schnitten an diesem Punkt am schlechtesten ab. Allerdings waren die Befragten misstrauisch, was die Praktikabilität der Papier-Behälter anging. Zwar hielten sie sie für durchaus geeignet, weiches Obst wie Beeren beim Transport vor Schäden zu schützen. Als Aufbewahrungsbehälter für Pflanzenöl sahen sie dagegen Plastikbehälter deutlich vorne. Am besten schnitten hier sogar die herkömmlichen Kunststoffe ab.
Beeren in der Pappschachtel reizen zum Kaufen
Die Teilnehmenden sollten auch angeben, ob sie das Produkt in der gezeigten Verpackung kaufen würden. Zu Beeren in einem Papp-Behälter würden demnach signifikant mehr Menschen greifen als zu solchen in einer Plastik-Box. Pflanzenöl übte dagegen dann den höchsten Kaufanreiz aus, wenn es in einer Flasche aus Bioplastik abgefüllt war. „Bei ihrer Kaufentscheidung achten die Kundinnen und Kunden also nicht nur auf die vermutete Umweltfreundlichkeit, sondern auch darauf, für wie geeignet sie die Verpackung für das jeweilige Nahrungsmittel halten“, sagt Macht.
Darüber, wie nachhaltig Biokunststoff oder Kartonflaschen wirklich sind, sagt die Studie übrigens nichts aus. „Zu den neuen Verpackungen gibt es zum Teil noch gar keine Daten“, erklärt Macht, die auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich „Sustainable Futures“ der Universität Bonn ist. Ohnehin sei es schwierig, die Ökobilanz pauschal zu bewerten. Ob etwa Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen wirklich nachhaltig ist, hängt von vielen Faktoren ab: Woher die Ausgangsstoffe stammen. Ob für die Produktion wertvolle Agrarfläche geopfert wurde, was dann zur Rodung weiterer Wälder führen kann. Wie gut kompostierbar und recycelbar der Kunststoff ist.
Ähnlich ist es mit papierbasierten Verpackungen: Auch ihre Herstellung verbraucht Ressourcen und Energie - je nach Produktionsort und -methode mal mehr, mal weniger. „Grundsätzlich ist es sicher am besten, auf Verpackung möglichst zu verzichten“, betont die Wissenschaftlerin. „Das geht aber nicht immer. Flüssigkeiten benötigen einen Behälter, in dem man sie aufbewahren kann. Früchte wie Himbeeren würden ohne schützende Verpackung den Transport zum Händler oder auch vom Supermarkt nach Hause nicht unbeschadet überstehen.“
Dennoch können Lösungen aus nachwachsenden Rohstoffen ein erster Schritt sein, um zumindest manche Probleme zu lösen, ist sie überzeugt; etwa den Verbrauch kostbarer fossiler Ressourcen oder auch - im Falle kompostierbarer Verpackungen - die riesigen Müllmengen, die für Jahrhunderte unsere Meere verschmutzen.