„Wir sind absolut begeistert, weil Euclid einen Quantensprung in der Fähigkeit der Menschheit darstellt, den Ursprung und die Entwicklung des Universums zu untersuchen“, sagt Joseph Mohr von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München. Die LMU ist eines der sechs deutschen Forschungsinstitute, die an Euclid beteiligt sind und Schlüsselkomponenten beigetragen haben. Euclid wird zum ersten Mal systematisch den Einfluss von dunkler Materie und dunkler Energie auf die Entwicklung und großräumige Struktur des Alls untersuchen. Diese weitgehend unbekannten und unsichtbaren Bestandteile des Universums machen zusammen einen Anteil von 95 Prozent des Kosmos aus. Während die dunkle Materie die Gravitationswirkung zwischen und innerhalb von Galaxien bestimmt und zunächst für eine Abbremsung der Ausdehnung des Weltalls sorgte, ist die dunkle Energie für die derzeitige beschleunigte Expansion des Universums verantwortlich. Jochen Weller (LMU/Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik) zeigt sich enthusiastisch: „Euclid wird es uns ermöglichen, Einsteins Theorie der Schwerkraft bei großen Entfernungen zu testen und – wer weiß? – vielleicht müssen wir seine Theorie erweitern.“
Elf Jahre Vorbereitung auf den Start
Euclid ist eine Weltraummission der Europäischen Weltraumagentur mit Beiträgen der US-amerikanischen National Aeronautics and Space Administration (NASA). Fast genau elf Jahre nachdem die ESA dieses Programm offiziell annahm, erwarten nun Hunderte von Forschende des Euclid-Konsortiums (https://www.euclid-ec.org/" target="_blank">https://www.euclid-ec.org/) weltweit gespannt die Ankunft des Teleskops am so genannten Lagrange-Punkt 2 (L2) von Erde und Sonne, von wo aus es die wissenschaftlichen Beobachtungen Herbst 2023 aufnehmen wird. Dieser Beobachtungspunkt in etwa vierfacher Mondentfernung wandert über das Jahr mit der Erde um die Sonne und zeichnet sich durch besonders stabile Beobachtungsbedingungen aus. Das Weltraumteleskop ist nach dem berühmten Mathematiker Euklid von Alexandria benannt, der vermutlich im 3. Jahrhundert v. Chr. tätig war.
Das Konsortium bringt Wissenschaftler*innen und Ingenieur*innen aus 17 Ländern zusammen, viele aus Europa, aber auch aus den USA, Kanada und Japan. Es ist für die Entwicklung und den Bau der Messinstrumente, für die Erfassung aller ergänzenden Daten am Boden, für die Entwicklung der Durchmusterungsstrategie und der Datenverarbeitungspipeline zur Erstellung aller kalibrierten Bilder und Kataloge sowie für die wissenschaftliche Qualität der Daten verantwortlich. Die Leitung hat das Institut d'Astrophysique de Paris in Frankreich. Die Firmen Thales Alenia Space und Airbus (ehemals Astrium) zeichnen für den Bau des Teleskops verantwortlich, dessen Hauptspiegel einen Durchmesser von 1,2 Metern aufweist.
Deutsches Konsortium unter Bonner Beteiligung
In Deutschland wurde die Euclid-Mission vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg, dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching, der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München und der Universität Bonn mit Unterstützung der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam initiiert und entwickelt. In Schlüsselpositionen waren die Euclid-Gründungsmitglieder Ralf Bender (LMU/MPE), Hans-Walter Rix (MPIA), Peter Schneider (Uni Bonn) und Jochen Weller (LMU/MPE) beteiligt. Im Jahre 2018 stieß die Ruhr-Universität Bochum (RUB) hinzu.
Das MPE und das MPIA haben Schlüsselkomponenten zur Optik von Euclid beigetragen. Das MPE betreibt das deutsche Euclid Science Data Center; das MPIA, die LMU, die Uni Bonn und die RUB haben wichtige Softwarepakete für die Kalibrierung und Analyse der Euclid-Daten entwickelt. „Um die Materieverteilung im All zu bestimmen, müssen die Forschenden die Entfernung aller Galaxien zur Erde messen“, erläutert Hendrik Hildebrandt (RUB). „Dabei werden die Satellitendaten von Euclid mit Daten von bodengebundenen Teleskopen kombiniert.“
Sehr große Zahl von bahnbrechenden Publikationen erwartet
Die Universität Bonn beherbergt das Euclid Publication Office, in dem die wissenschaftlichen Veröffentlichungen des Euclid-Konsortiums koordiniert und geprüft werden. Der Bonner Astronomie-Professor Peter Schneider, der auch dem Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) "Matter" angehört, ist sich sicher: „Wir erwarten eine sehr große Zahl von bahnbrechenden Publikationen, nicht nur in der Kosmologie, sondern in nahezu allen Forschungsbereichen der Astrophysik.“
Das Argelander-Instut für Astronomie (AIfA) der Uni Bonn ist darüber hinaus an zentralen Aspekten der wissenschaftlichen Auswertung der Mission beteiligt. „Die extrem genaue Vermessung der Form von knapp zwei Milliarden weit entfernten Galaxienbildern ist eine notwendige Voraussetzung für den wissenschaftlichen Erfolg von Euclid“, sagt Ole Marggraf. Reiko Nakajima ist für die Datenqualität eines der beiden Instrumente von Euclid verantwortlich. „Noch nie wurden astronomische Bilder mit einer so großen Kamera im Weltall aufgenommen“, freut sie sich auf die reiche Datenausbeute. Insgesamt sind ca. 20 Forschende am AIfA am Euclid Projekt beteiligt.
Neben der wissenschaftlichen Fragestellung, die Euclid untersucht, ist auch die verwendete Technik zukunftsweisend. Frank Grupp (MPE/LMU) unterstreicht: „Euclid enthält die größten optischen Linsen, die jemals für eine wissenschaftliche Weltraummission entwickelt wurden. Das war eine echte Herausforderung und wir sind sehr dankbar für die Unterstützung, die die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR für diese außergewöhnliche Mission geleistet hat.“ Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR koordiniert die deutschen ESA-Beiträge und stellt darüber hinaus aus dem Nationalen Raumfahrtprogramm Fördermittel in Höhe von 60 Millionen Euro für die beteiligten deutschen Forschungsinstitute zur Verfügung.
„Wir sind alle sehr froh über den gelungenen Start“, freut sich Hans-Walter Rix (MPIA). „Nun liegen viele Jahre intensiver Arbeit mit spannenden Ergebnissen vor uns. Wir hoffen, dass wir schließlich einen deutlich verbesserten Blick auf das Universum haben werden.“
Weitere Informationen:
Euclid-Konsortium: https://www.euclid-ec.org
Infos und Pressemappe zur Euclid-Mission: https://www.esa.int/Science_Exploration/Space_Science/Euclid
Hintergrundinformationen:
Euclid ist die zweite M-Klasse-Mission aus dem „Cosmic Vision“-Programm (https://www.esa.int/Science_Exploration/Space_Science/ESA_s_Cosmic_Vision) der Europäischen Weltraumagentur (ESA). Deutschland ist der größte Beitragszahler im ESA-Wissenschaftsprogramm und trägt somit rund 21 Prozent zur Mission bei.
Kontakte für die Medien
Dr. Markus Nielbock
Nationale Koordination für Kommunikation und Presse
Max-Planck-Institut für Astronomie
Heidelberg, Deutschland
Tel.: +49 6221 528-134
E-Mail: pr@mpia.de
Prof. Dr. Peter Schneider
Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn
Tel.: +49 228/73-3671
E-Mail: peter@astro.uni-bonn.de
Pressekontakte des Euclid-Konsortiums
https://www.euclid-ec.org/" target="_blank">https://www.euclid-ec.org/public/press-contacts/