Warum hat es aber 70 Jahre gedauert, bis die Universität den versprochenen Band erhalten hat? Aarnout Helb hatte das Buch von seinem Vater Henri Arnold Helb erhalten, der unter anderem niederländischer Botschafter in Neu-Delhi und Moskau war. Dieser hatte es wiederum vom Autor Robert van Gulik zugesandt bekommen. Henri Arnold Helb und Robert van Gulik hatten sich Ende der 1940-er Jahre als Botschaftsmitarbeiter in Washington kennengelernt. In den Jahren 1950 bis 1953 war Henri Arnold Helb Chargé d'Affaires in Bonn. Damals schickte ihm Robert van Gulik ein Exemplar von „Erotic Colour Prints of the Ming Period“ per Diplomatenpost, jedoch ohne die Universität Bonn als Bestimmungsort kenntlich zu mache.
Es wird vermutet, dass Diplomat Helb nicht mit dem expliziten Inhalt des Buches in Verbindung gebracht werden wollte. Somit blieb der Band im Besitz der Familie Helb, bis sich im vergangenen Jahr die Söhne der beiden, Aarnout Helb und Thomas van Gulik, zufällig begegneten. Dabei wurde klar, dass Robert van Gulik das Buch eigentlich der Universität Bonn schenken wollte, und so gelangte es nun endlich nach 70 Jahren an seinen Bestimmungsort. Thomas van Gulik sagte bei der Übergabe: „Es war sicherlich ein denkwürdiger Moment, dass Aarnout Helb und ich nach 70 Jahren die ECPMP Nr. 31 an Ihre Abteilung übergeben konnten. Endlich, nach all den Jahren, fügten sich alle Teile des Puzzles an ihren Platz!“
Absolute Seltenheit
Das Buch ist eine absolute Seltenheit: Nur 50 Exemplare von „Erotic Colour Prints of the Ming Period“ wurden gedruckt und als Geschenke an verschiedene Universitäten und Museen verteilt. Das Werk behandelt die Geschichte erotischer Drucke während der Ming-Zeit (1368–1644) und ihre Rolle im privaten Leben. Es beleuchtet zudem die Bedeutung erotischer Drucke in der chinesischen Gesellschaft aus philosophischer Sicht. Van Gulik erwarb die Druckblöcke eines mingzeitlichen Erotik-Albums im Jahr 1949 und suchte weitere Blöcke bei verschiedenen Sammlern, um die aussagekräftigsten Bilder auszuwählen und mit Erläuterungen zu versehen.
Das Buch hat sowohl ökonomischen als auch wissenschaftlichen Wert. Die limitierte Auflage von nur 50 Exemplaren wurde bewusst gewählt, um einer kleinen Gruppe von Fachleuten Zugang zu den historischen erotischen Farbdrucken für Forschungszwecke zu ermöglichen. Prof. Kauz erklärt: „Aufgrund der strengen gesellschaftlichen Normen und weil erotisch-explizites Material damals verboten war, wurden diese Werke nur einem begrenzten Kreis von Sammlern zugänglich gemacht. Aber obwohl der Titel des Buches auf einen ‚nicht-jugendfreien‘ Inhalt hindeutet, hat er einen hohen wissenschaftlichen Gehalt. Van Gulik stellt darin die erotischen Abbildungen in einen wissenschaftlichen Kontext und erklärt diesen.“
Einblicke in das Sexualleben der späten Ming-Zeit
Für die Bonner Forschung ist der wissenschaftliche Wert natürlich von größter Bedeutung, sagt Prof. Kauz: „Der geschenkte Band leistet einen bedeutenden Beitrag zur Sinologie und ermöglicht einen einzigartigen Einblick in das Sexualleben während der späten Ming-Zeit. Vor der Veröffentlichung waren die dargestellten erotischen Abbildungen nur einer kleinen Gruppe von Sammlern zugänglich. Durch die Schenkung an die Universität Bonn wird es Kunsthistorikern, Sinologen und Sexualforschern ermöglicht, wertvolle Einblicke in diese historische Periode zu gewinnen.“
Das Werk wird aufgrund seiner Seltenheit und Fragilität nur begrenzt für Forschungszwecke zugänglich sein. Fachleute auf dem Gebiet der sinologischen Sexualforschung und Kunstgeschichte sind herzlich eingeladen, das Buch für ihre Forschung zu nutzen. Die Universitäts- und Landesbibliothek Bonn plant laut Prof. Kauz, eine digitale Version des Buches zu erwerben, um auch weiteren Interessierten einen Einblick in das Werk zu ermöglichen.
Kontakt:
Prof. Dr. Ralph Kauz
Institut für Orient- und Asienwissenschaften, Universität Bonn
Tel.: 0228/73-5731 und -8429
E-Mail: kauz@uni-bonn.de