Welche Pflanzen sollte ich in welchem Verhältnis kombinieren, um einen möglichst hohen Ertrag zu erzielen? Und wie wird sich meine Kultur entwickeln, wenn ich statt Kunstdünger Gülle einsetze? Bei der Beantwortung derartiger Fragen sollen Landwirtinnen und Landwirte künftig immer stärker auf Computerunterstützung zählen können.
Auf dem Weg zu diesem Ziel ist Forschenden der Universität Bonn nun ein wichtiger Zwischenschritt gelungen: „Wir haben eine Software entwickelt, die anhand von Drohnenfotos die zukünftige Entwicklung der abgebildeten Pflanzen visualisieren kann“, erklärt Lukas Drees vom Institut für Geodäsie und Geoinformation der Universität Bonn. Der Nachwuchswissenschaftler ist Mitarbeiter im Exzellenzcluster PhenoRob. Das an der Universität Bonn angesiedelte Großprojekt möchte die intelligente Digitalisierung der Landwirtschaft vorantreiben. Auf diese Weise soll der Ackerbau umweltschonender werden, ohne dass darunter die Erntemengen leiden.
Virtueller Blick in die Zukunft als Entscheidungshilfe
Das Computerprogramm, das Drees und seine Kolleginnen und Kollegen nun in der Zeitschrift Plant Methods vorstellen, ist dabei ein wichtiger Baustein. Denn mit ihm soll es irgendwann einmal möglich sein, bestimmte Entscheidungen virtuell durchzuspielen - etwa, um abschätzen zu können, wie sich der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder Dünger auf den Ernteertrag auswirken wird.
Damit das funktioniert, muss das Programm mit Drohnenfotos aus Feldexperimenten gefüttert werden. „Wir haben dazu im Laufe einer Wachstumsperiode Tausende von Aufnahmen gemacht“, erklärt der Doktorand. „Auf diese Weise haben wir beispielsweise die Entwicklung von Blumenkohl-Kulturen unter bestimmten Bedingungen dokumentiert.“ Mit diesen Aufnahmen trainierten die Forschenden dann einen lernfähigen Algorithmus. Danach war dieser in der Lage, auf Basis einer einzigen Luftaufnahme von einem frühen Wachstumsstadium Bilder zu generieren, die die künftige Entwicklung der Kultur in ein neues, künstlich erschaffenes Bild umsetzten. Das Ganze klappt sehr treffsicher, solange die Kulturbedingungen denen ähneln, die bei der Aufnahme der Trainingsfotos geherrscht haben. Den Effekt eines plötzlichen Kälteeinbruchs oder tagelangen Landregens berücksichtigt die Software also nicht. In Zukunft soll sie jedoch lernen, wie sich solche Einflüsse - aber auch etwa eine verstärkte Düngung - auf das Wachstum auswirken. Dadurch soll sie prognostizieren können, welche Folge bestimmte Eingriffe durch die Landwirtin oder den Landwirt haben werden.
„Zusätzlich haben wir eine zweite KI-Software genutzt, die aus Pflanzenfotos verschiedene Parameter abschätzen kann - beispielsweise den Ernteertrag“, sagt Drees. „Das funktioniert auch mit den generierten Bildern. So ist es möglich, schon sehr früh in der Wachstumsperiode die spätere Größe der Blumenkohlköpfe ziemlich genau abzuschätzen.“
Pflanzenmischungen im Fokus
Ein Fokus der Forschenden liegt dabei im Einsatz von Pflanzenmischungen. Darunter versteht man die Aussaat verschiedener Arten auf ein- und demselben Feld - etwa von Bohnen und Weizen. Da Pflanzen unterschiedliche Ansprüche haben, machen sie sich bei einem solchen Misch-Anbau weniger Konkurrenz als in einer Reinkultur, bei der nur eine Art angebaut wird. Dadurch lässt sich der Ertrag steigern. Hinzu kommt, dass manche Arten - Bohnen sind dafür ein gutes Beispiel - Stickstoff aus der Luft binden und als natürlichen Dünger nutzen können. Davon profitiert dann auch die andere Art, in diesem Fall der Weizen.
„Außerdem sind Mischungen unempfindlicher gegen Schädlingsbefall und andere Umwelteinflüsse“, erläutert Drees. „Allerdings hängt es sehr stark von den kombinierten Arten und ihrem Mischungsverhältnis ab, wie gut das Ganze funktioniert.“ Wenn man lernfähige Algorithmen mit Ergebnissen aus zahlreichen unterschiedlichen Mischungsexperimenten füttert, lassen sich damit Empfehlungen ableiten, welche Pflanzen in welchem Verhältnis besonders gut harmonieren.
Simulationen des Pflanzenwachstums auf Grundlage lernfähiger Algorithmen sind eine relativ neue Entwicklung. Bislang kamen für diesen Zweck meist sogenannte prozessbasierte Modelle zum Einsatz. Diese verfügen - bildlich gesprochen - über ein grundlegendes Verständnis darüber, welche Nährstoffe und Umweltbedingungen bestimmte Pflanzen im Laufe ihres Wachstums benötigen, um gut zu gedeihen. „Unsere Software trifft ihre Aussagen dagegen einzig und allein anhand der Erfahrung, die sie anhand der Trainingsbilder gesammelt hat“, betont Drees.
Beide Ansätze ergänzen sich. Werden sie auf geeignete Weise kombiniert, kann das die Qualität der Prognosen erheblich verbessern. „Auch das ist ein Punkt, den wir in unserer Studie untersuchen“, sagt der Doktorand: „Wie können wir prozess- und bildbasierte Methoden so nutzen, dass sie bestmöglich voneinander profitieren.“