Mal angenommen, Sie spielen Minigolf. Auf der Bahn befindet sich ein kleiner Hügel, den der Golfball überwinden muss, um in das Loch dahinter zu rollen. Dazu müssen Sie ihn mit genügend Wucht schlagen. Andernfalls schafft er es nicht über das Hindernis, sondern rollt zu ihnen zurück.
Ähnlich ist es bei vielen chemischen Reaktionen auch: Damit sie ablaufen, muss man zunächst Energie in sie hineinstecken. Ein Katalysator verringert diese Aktivierungsenergie. Um im Bild zu bleiben: Er ebnet den Hügel etwas ein, so dass der Ball weniger Schwung benötigt, um hinüberzurollen. Die Reaktion läuft so leichter und schneller ab. „Manche Reaktionen werden sogar erst durch den Einsatz von Katalysatoren möglich“, erklärt Prof. Dr. Andreas Gansäuer.
Titan statt wertvoller Edelmetalle
Der Wissenschaftler arbeitet am Kekulé-Institut für Organische Chemie und Biochemie der Universität Bonn. Er beschäftigt sich seit Jahren mit der Frage, wie sich die Herstellung bestimmter Kohlenstoff-Verbindungen vereinfachen lässt. Der Einsatz von Katalysatoren ist dabei in der Regel Mittel der Wahl. Das Problem: Häufig bestehen die „Reaktions-Beschleuniger“ aus seltenen und wertvollen Metallen wie Platin, Palladium oder Iridium.
„Wir setzen stattdessen meist Titan-Verbindungen ein“, sagt Gansäuer. „Denn Titan ist eines der häufigsten Elemente in der Erdkruste und zudem völlig ungiftig.“ Allerdings benötigen Katalysatoren auf Titanbasis oft noch einen Kompagnon, um chemische Reaktionen beschleunigen zu können. Meist handelt es sich dabei ebenfalls um ein seltenes Metall. Es aktiviert den Katalysator und wird (im Gegensatz zu diesem) bei der Reaktion verbraucht.
„Das ist einerseits kostspielig und andererseits wenig nachhaltig“, betont Gansäuers Kollege Prof. Dr. Peter Vöhringer vom Clausius-Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Bonn. „Es gibt jedoch seit längerem Versuche, diese Aktivierung auf eine andere Weise zu erreichen: durch Bestrahlung des Katalysators mit Licht. Wir haben diese Idee nun umgesetzt. Gleichzeitig haben wir gewissermaßen die Vorgänge gefilmt, die bei Aktivierung und Katalyse ablaufen.“
Laser erzeugen „Blitzlichtgewitter“
Als „High-Speed-Kamera“ diente den Forschen ein Spektrometer - das ist ein Messinstrument, mit dem sich indirekt feststellen lässt, wie ein Molekül oder Atom zu einem bestimmten Zeitpunkt aussieht. Damit das klappt, benötigt man zusätzlich ein Blitzlicht. Dazu nutzen die Forscher einen Laser, der permanent an- und wieder ausschaltet. Die lichten Momente dauern jeweils nur wenige hundert Femtosekunden (eine Femtosekunde ist der millionste Teil einer Milliardstel Sekunde). Der Ablauf der Katalyse wird also in eine Sequenz von Einzelbildern zerlegt. „So können wir ultraschnelle Abläufe sichtbar machen“, sagt Vöhringer, der für diese Methode ein Spezialist ist.
Nicht alle Moleküle lassen sich problemlos filmen. „Wir mussten den Titan-Katalysator, den wir üblicherweise verwenden, daher etwas abändern“, sagt Gansäuer. Die Experimente zeigen, dass die Verbindung sich durch Licht aktivieren lässt und dann eine bestimmte Form von Redoxreaktionen katalysieren kann. Bei Redoxreaktionen werden Elektronen von einem Reaktionspartner an den anderen weitergegeben. „Dieser Prozess wird durch den aktivierten Katalysator erleichtert“, erklärt Gansäuer. „Wir können so beispielsweise Verbindungen herstellen, die als Ausgangsstoffe für viele wichtige Medikamente dienen.“
Gierig nach Elektronen
Der „High-Speed-Film“ dokumentiert, was bei der Lichtaktivierung genau abläuft. „Elektronen ähneln einer Kompassnadel, die in eine bestimmte Richtung zeigt“, sagt Jonas Schmidt, der in der Arbeitsgruppe von Prof. Vöhringer promoviert. „Dieser Spin ändert sich durch die Bestrahlung.“ Die Titanverbindung wird dadurch bildlich gesprochen „gieriger“, ein Elektron aufzunehmen. Wenn sie das tut, startet sie damit die Redoxreaktion.
„Durch die Einblicke, die wir mit unserer Methode gewonnen haben, können wir den Katalysator nun weiter optimieren“, erklärt Vöhringer, der wie Prof. Gansäuer Mitglied des Transdisziplinären Forschungsbereichs „Matter“ der Universität Bonn ist. Schon jetzt lassen sich damit chemische Reaktionen durchführen, die bislang kaum realisierbar waren. Der Erfolg sei auch Ausdruck einer fruchtbaren Kooperation zwischen Organischer Chemie einerseits sowie Laser- und Molekülphysik andererseits, betont Vöhringer. „Unsere Studie zeigt, welche Früchte die Zusammenarbeit zweier Arbeitsgruppen mit völlig unterschiedlichen Methodenspektren tragen kann.“