Die Forschenden untersuchten, warum die Löhne im Finanzsektor seit den 80er-Jahren stark steigen. Daten aus den USA und Schweden zeigen, dass Angestellte von Finanzunternehmen 70 Prozent mehr verdienen als der Durchschnitt aller Arbeitnehmer. Mitte der 80er-Jahre waren es nur zehn Prozent. Der Grund für diesen drastischen Anstieg sind die immer höheren Profite des Finanzsektors, analysierte das Team um Dr. Michael Böhm, Forscher des Exzellenzclusters ECONtribute an der Universität Bonn.
Die Wissenschaftler folgten zunächst der Annahme, dass höhere Löhne auf mehr Leistung beruhen könnten. Sie untersuchten Daten zur kognitiven und emotionalen Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmerinnen und -nehmern aus Schweden sowie ihre Löhne innerhalb und außerhalb des Finanzsektors. Als Vergleich zogen die Forscher Daten aus den USA heran, aufgrund ihrer Führungsrolle in der Finanzindustrie. Ein Abgleich der Leistungsdaten mit der Lohnentwicklung in der Finanzindustrie von 1990 bis 2017 zeigte: Die gestiegenen Löhne standen in keinem nachweisbaren Zusammenhang mit dem Talent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Unternehmen geben Gewinne weiter
Daraufhin legten die Wissenschaftler die Löhne von Angestellten neben die Geschäftszahlen der jeweiligen Unternehmen. Sie konnten nachweisen, dass Unternehmen im Finanzbereich im betrachteten Zeitraum ihre Profite in der Regel zu etwa zehn Prozent mit ihren Angestellten teilten („Rent Sharing“). Dabei profitieren alle Ebenen – von der Abteilungsleiterin über den Assistenten bis zur Putzkraft.
Mindestens die Hälfte der gestiegenen Löhne in der Finanzindustrie lassen sich statistisch durch das Rent Sharing erklären. Mangelnder Wettbewerb, starke Regulierung und Intransparenz der Branche könnten Gründe für das Rent Sharing sein, so die Einschätzung der Forschenden. „Unsere Studie zeigt, dass einige Branchen unabhängig von der Leistung der Angestellten höhere Löhne zahlen “, sagt Autor Michael Böhm.
Eintritt in Finanzsektor abhängig von Kontakten und Lebensplanung
Die Wissenschaftler gingen auch der Frage nach, warum nicht mehr junge Menschen in den Finanzsektor drängen, um von den hohen Löhnen zu profitieren. Sie stellten fest: Ob jemand in die Branche einsteigt, hängt zum Teil davon ab, ob die eigenen Eltern oder andere soziale Kontakte im Finanzbereich arbeiten und sich darüber eine Anstellung ergibt. Zudem zeigen die Lebensläufe von Arbeitnehmern, dass sie erst nach etwa zehn Jahren in der Finanzindustrie zu Hochverdienern werden. Ob junge Menschen sich einen Job im Finanzsektor suchen, hängt also auch von ihren Interessen ab und davon, ob sie kurz- oder langfristige Entscheidungen treffen.
Die ECONtribute-Studie wird in Kürze im renommierten Journal Review of Economic Studies erscheinen.
Publikation: Böhm, M., Metzger, D., Strömberg, P. (2022): “Since You’re So Rich, You Must Be Really Smart”: Talent, Rent Sharing, and the Finance Wage Premium https://www.econtribute.de/RePEc/ajk/ajkdps/ECONtribute_147_2022.pdf
ECONtribute: Markets & Public Policy
ECONtribute ist der einzige von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Exzellenzcluster in den Wirtschaftswissenschaften, getragen von den Universitäten in Bonn und Köln. Der Cluster forscht zu Märkten im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Ziel ist es, Märkte besser zu verstehen und Marktversagen in Zeiten sozialer, technologischer und wirtschaftlicher Herausforderungen – wie zunehmender Ungleichheit, globalen Finanzkrisen und Digitalisierung – mit einer neuen Herangehensweise zu analysieren.