Schwarze Löcher mit stellarer Masse entstehen, wenn massereiche Sterne das Ende ihres Lebens erreichen und unter ihrer eigenen Schwerkraft zusammenbrechen. In einem Doppelsternsystem, das aus zwei umeinanderkreisenden Sternen besteht, hinterlässt dieser Prozess ein Schwarzes Loch, das sich in einer Umlaufbahn mit einem leuchtenden Begleitstern befindet. Das Schwarze Loch ist „schlafend“, wenn es keine starke Röntgenstrahlung aussendet, wodurch solche Schwarzen Löcher normalerweise entdeckt werden. Obwohl Astronominnen und Astronomen sie für sehr häufig halten, sind kaum schlafende Schwarze Löcher bekannt. Ein Grund ist, dass sie besonders schwer nachzuweisen sind, da sie nur wenig mit ihrer Umgebung interagieren.
Das neu entdeckte Schwarze Loch namens VFTS 243 hat mindestens die neunfache Masse unserer Sonne und umkreist einen heißen, blauen Stern mit der 25-fachen Masse der Sonne alle 10,4 Tage. Um VFTS 243 zu finden, durchsuchte die Kollaboration fast 1.000 massereiche Sterne in der Tarantelnebelregion der Großen Magellanschen Wolke. Ziel war es, diejenigen zu finden, die Schwarze Löcher als Begleiter haben könnten.
„Zum ersten Mal hat sich unser Team zusammengetan, um über die Entdeckung eines Schwarzen Lochs zu berichten, anstatt sie zu dementieren", sagt Studienleiter Tomer Shenar von der Universität Amsterdam in den Niederlanden.
Team der Universität Bonn beteiligt
Für die Ergebnisse waren Forschergruppen aus der ganzen Welt beteiligt. Das Team um Prof. Dr. Nobert Langer vom Argelander-Institut der Universität Bonn hat durch hochmoderne Doppelstern-Entwicklungsrechnungen gezeigt, dass bis zu drei Prozent aller Sterne schwerer als 15 Sonnenmassen ein schlafendes Schwarzes Loch als Begleiter haben könnten.
„Die Ergebnisse bestätigen die Theorie, nach der Schwarze Löcher in engen, massereichen Doppelsternen existieren können, ohne nennenswerte Röntgenstrahlung auszusenden. Die bisher gefundenen, röntgen-hellen Schwarzen Löcher bilden also wohl nur die Spitze des Eisbergs einer sehr zahlreichen, schlafende Schwarze Löcher enthaltenden Doppelstern-Population“, sagt Langer.
Als Mitglieder der „Polizei der Schwarzen Löcher“ waren die Forschenden zu Beginn äußerst skeptisch. Es ließ sich aber keine plausible Erklärung für die Daten finden, die nicht auf ein Schwarzes Loch schließen ließ. „Wir haben eine 'Nadel im Heuhaufen' gefunden“, sagt Norbert Langer. Obwohl ähnliche Objekte als Kandidaten für Schwarze Löcher vorgeschlagen wurden, ist dies nach Angaben des Teams das erste „schlafende“ Schwarze Loch mit stellarer Masse, das außerhalb unserer Galaxie eindeutig entdeckt wurde.
Neue Einblicke in die Entstehung Schwarzer Löcher
Die Entdeckung ermöglicht den Forschenden auch einen einzigartigen Einblick in die Prozesse, die die Entstehung von Schwarzen Löchern begleiten. Bisher gehen Astronominnen und Astronomen davon aus, dass ein stellarmassiges Schwarzes Loch entsteht, wenn der Kern eines sterbenden massereichen Sterns kollabiert, aber es bleibt ungewiss, ob dies von einer starken Supernova-Explosion begleitet wird oder nicht.
„Der Stern, der das Schwarze Loch in VFTS 243 gebildet hat, scheint vollständig kollabiert zu sein, ohne Anzeichen einer vorherigen Explosion“, erklärt Shenar. „Kürzlich sind Indizien für dieses Szenario des 'direkten Kollapses' aufgetaucht, aber unsere Studie liefert wohl einen der direktesten Hinweise. Dies hat enorme Auswirkungen auf die Entstehung von Verschmelzungen Schwarzer Löcher im Kosmos.“
Das Team hofft, dass die Arbeit die Entdeckung weiterer Schwarzer Löcher stellarer Masse ermöglicht, die um massereiche Sterne kreisen. Von ihnen soll es in der Milchstraße und in den Magellanschen Wolken Tausende geben.
Norbert Langer ist Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich „Matter“ der Universität Bonn.
Förderung:
Die Studie wurde vom Europäischen Forschungsrat (ERC) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union.
Publikation: T. Shenar et al.: An X-ray quiet black hole born with a negligible kick in a massive binary of the Large Magellanic Cloud. Nature Astronomy; https://doi.org/10.1038/s41550-022-01730-y
Der Text basiert auf einer Pressemitteilung der ESO.