Mit einem symbolischen Knopfdruck nahmen die 18.432 Rechenkerne von Marvin ihre Arbeit auf - und geben der Forschung an der Universität Bonn damit einen kraftvollen Schub in den Bereichen Hochleistungsrechnen (high-performance computing, HPC), Künstlicher Intelligenz (KI) und Maschinellem Lernen. KI-getriebene Lösungen für eine nachhaltigere Landwirtschaft, Batterie-(R)evolutionen dank Computerchemie und bessere Klimaforschung und -modelle sind nur einige Anwendungsbeispiele, bei denen der Hochleistungsrechner zum Einsatz kommen wird.
"Die Einweihung des Großrechners Marvin ist ein Meilenstein für das High Performance Computing an der Universität Bonn und ein zentraler Bestandteil unserer Zukunftsstrategie. Marvin bietet unseren Forschenden herausragende Möglichkeiten für ihre Arbeit mit stetig wachsenden und komplexer werdenden Datensätzen. Mit unseren neuen Ressourcen und Rechenkapazitäten sind wir auch im internationalen Wettbewerb exzellent positioniert.", so Rektor Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Hoch.
Neue Perspektiven für die Forschung mit riesigen Datenmengen
Die Fähigkeit von Marvin, riesige Datenmengen zu verarbeiten und zu analysieren, eröffnet neue Perspektiven für die Forschung, etwa in den Bereichen Robotik, Klimaforschung, Astrophysik, Lebenswissenschaften und nachhaltige Nutzpflanzenproduktion, aber auch in den Geisteswissenschaften. "Marvin wird Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Fachrichtungen die Möglichkeit bieten, interdisziplinär an komplexen Projekten zu arbeiten und so innovative Lösungen für aktuelle Forschungsprobleme zu entwickeln und gemeinsam Antworten auf neue Forschungsfragen zu finden," erklärt Prof. Dr. Maren Bennewitz, Prorektorin für Digitalisierung und Informationsmanagement an der Universität Bonn. Sie setzte sich für die Anschaffung des Rechners ein, der einen großen Meilenstein in der Umsetzung der Digitalstrategie der Universität darstellt.
„Die großzügige Dimensionierung von Marvin erlaubt es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ihre Spitzenforschung mit einem einfachen Zugang vor Ort zu betreiben. Sie werden dabei vom interdisziplinären Team des HPC/A-Lab wissenschaftlich unterstützt", sagt Prof. Dr. Petra Mutzel vom High Performance Computing and Analytics Lab (kurz: HPC/A-Lab), das die Aktivitäten rund um das Thema Hochleistungsrechnen an der Universität Bonn bündelt. Unter anderem plant und verwaltet es zusammen mit dem Hochschulrechenzentrum die zentrale Hochleistungsrechnerinfrastruktur für den Einsatz in Forschung und Lehre der Universität Bonn. Das Beratungsangebot des HPC/A-Lab befähigt die Wissenschaftler*innen dazu, ihre Probleme im Kontext der HPC-Nutzung ressourceneffizient, schnell und selbstständig zu lösen. Zudem sorgen interdisziplinäre Projekte wie "BNTrAinee" für eine enge Vernetzung bestehender KI-Expertise mit verschiedenen Fachdisziplinen, um bedarfsorientierte Lehr- und Lernangebote gemeinsam zu entwickeln.
Das ebenfalls neu eingerichtete HPC-Team am Hochschulrechenzentrum kümmert sich um die technische Unterstützung sowie den operativen Betrieb und bietet grundlegenden Support: "Die Inbetriebnahme dieses Supercomputers an der Universität Bonn ist ein absoluter Meilenstein. Wir freuen uns sehr, mit Marvin hochkomplexes wissenschaftliches Rechnen als Dienstleistung anbieten zu können" erläutert Dr. Rainer Bockholt, Leiter des Hochschulrechenzentrums. Marvin steht mit seinen Hochleistungsrechenkernen und den Grafikprozessoren (GPU) ausschließlich Forschenden der Universität aus allen Fachbereichen sowie Partnerinstitutionen zur Verfügung.
Beispiele aus der Forschung
In der Klimaforschung unterstützt Marvin die Bonner Forschenden dabei, Satellitendaten mit numerischen Modellen des Erdsystems zu integrieren. "Das hilft uns, die Modelle zu verbessern und dadurch Dürren und Veränderungen des Meeresspiegels besser vorherzusagen", sagt Prof. Dr.-Ing. Jürgen Kusche vom Institut für Geodäsie und Geoinformation. Dazu gehöre etwa zu verstehen, welche Auswirkungen das Abschmelzen des grönländischen Eisschildes auf den Meeresspiegel hat, wie großräumige Dürren entstehen und sich auswirken. "Dank Marvin können wir Veränderungen an unseren Modellen schneller und deutlich flexibler vornehmen", stellt Kusche fest.
Auch den Exzellenzcluster PhenoRob wird Marvin mit seiner geballten Rechenkraft unterstützen. So kann beispielsweise für eine nachhaltige Landwirtschaft KI-Algorithmen mit Sensorik verbunden werden, um Simulationen durchzuführen und anschließend Nutzpflanzen zielgerichtet zu düngen oder Unkraut nachhaltiger zu entfernen. „Gerade unsere rechenintensiven Lernalgorithmen werden durch die großzügigen GPU Ressourcen deutlich beschleunigt und Marvin erlaubt uns die Optimierung noch größerer Modelle“ freut sich der Clustersprecher Prof. Dr. Cyrill Stachniss.
Auch die Theoretische Chemie der Universität Bonn wird den Hochleistungsrechner nutzen. So hängen beispielsweise im Bereich der Batterieforschung Innovationen stark von Hochleistungsrechnern ab. Die Computerchemie kann damit das komplexe Verhalten und die Interaktionen einer großen Zahl an Molekülen am Übergang von einem flüssigen zum festen Zustand berechnen und ihre Eigenschaften in einem übergreifenden Gesamtsystem verstehen. Dank solcher Grundlagenforschung können etwa geeignete Elektrolyte für zukünftigen Batterien gefunden werden. "Wir in Bonn suchen unter anderem nach geeigneten Lösungen im Sinne von neuen Rechenmethoden für diese komplizierten Anwendungen. Dies beinhaltet auch geeignete Lösungsmittelgemische, also Lösungen im chemischen Kontext, die in verschiedenen Situationen funktionieren und die viele Anforderungen erfüllen, darunter auch die der Nachhaltigkeit“, sagt Prof. Dr. Barbara Kirchner vom Mulliken Center for Theoretical Chemistry.
Technischer Aufbau und "Top 500"-Ranking
Marvin ist mit zwei Hauptkomponenten ausgestattet, die den Supercomputer zu einem vielseitigen und leistungsstarken Werkzeug für Forschung und Entwicklung machen. Die erste Komponente besteht aus 192 Dual-Socket-Rechenknoten mit 384 Intel Xeon Prozessoren des Typs "Sapphire Rapids", die für massiv parallele Aufgaben optimiert sind. Jeder dieser Prozessoren verfügt über 48 Kerne, was Marvin insgesamt beeindruckende 18.432 Rechenkerne verschafft.
Die zweite Komponente von Marvin besteht aus 32 Knoten, die jeweils mit vier Nvidia A100 GPUs ausgestattet sind. Dies ermöglicht den Einsatz hochskalierender Algorithmen in Simulationen und in der Datenanalyse. Zusätzlich verfügt Marvin über einen weiteren Satz von 24 Knoten, die jeweils mit 8 Nvidia A40 GPUs ausgestattet sind. Diese spezielle GPU-Komponente ist auf Machine-Learning-Anwendungen ausgelegt und wird eine breite Palette von Projekten unterstützen.
Marvin belegt mit seiner skalierbaren GPU-Partition im aktuellen "Top500"-Ranking der Supercomputer weltweit Platz 423 von 500. Zugleich erreicht die Komponente mit ihrer Effizienz Platz 34 auf der "Green500" Liste. Der Großrechner arbeitet demnach mit einer theoretischen Maximalleistung von 2,63 Petaflops (Billiarden Gleitkommaoperationen pro Sekunde).
Weitere Informationen
Das High Performance Computing and Analytics Lab (HPC/A-Lab): https://www.dice.uni-bonn.de/hpca/de
High Performance Computing (HPC): https://www.hpc.uni-bonn.de/en
Ansprechpersonen für die Medien:
Prof. Dr. Petra Mutzel (HPC/A) für wissenschaftliche Fragen:
Leitung High Performance Computing and Analytics Lab
Tel.: +49 (228) 73-69917
E-Mail: petra.mutzel@cs.uni-bonn.de
Dr. Dirk Barbi (HPC/HRZ) für technische Anfragen:
Teamleitung HPC
Tel: +49 (0)228 73-66111
E-Mail: dbarbi@uni-bonn.de