In diesem von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Projekt entwickeln die Forschenden zusammen mit Personen aus Kunst, Wissenschaft und Kommunen sowie der breiten Öffentlichkeit neue, gerechtere und nachhaltige Wege der Rückgabe von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten. “Mein Ziel ist es, postkoloniale und dekoloniale Theorie in die Praxis umzusetzen und zur Wissensgerechtigkeit in Museen und Kulturerbe beizutragen. Daher reflektiert meine Forschung nicht nur kulturelle, politische und wirtschaftliche Verflechtungen in Vergangenheit und Gegenwart, sondern versucht auch, sie in kooperativen Film- und Ausstellungsprojekten neu zu gestalten”, sagt Junior-Professorin Dr. Julia Binter. Sie unterstützt auch das Projekt „Artistic Research and Communal Knowledge. Building Trust for a Better Future“. Gefördert von der Heinrich-Böll-Stiftung soll es den Dialog zwischen Stadt und Land sowie zwischen den Generationen in Namibia stärken und die Bildung von Wissen mit und über „cultural belongings“ aus kolonialen Kontexten fördern.
Die Wissenschaftlerin entwickelt derzeit zwei Forschungslinien: “The Heritage of Mission” fragt nach den kolonialen Verflechtungen und dem zukünftigen Potential von Missionssammlungen. “Insbesondere untersuche ich die Auswirkungen der Missionierung auf den Körper, die von Veränderungen religiöser Praktiken bis hin zu Kleidungsstilen, Geschlechternormen und Heilpraktiken reichen”, erläutert Julia Binter. Die zweite Linie “The Heritage of Water” nimmt die aktuelle globale Wasserkrise als Ausgangspunkt, die von extremen Überschwemmungen bis hin zu Dürren reicht. Es geht darum, die Beziehungen zwischen Menschen und Wasser in globaler, vergleichender Perspektive zu untersuchen.
Die Kultur- und Sozialanthropologin hat einen Hintergrund in Theater-, Film- und Medienwissenschaften und ist auf materielle Kultur, kritische Museums- und Kulturerbe-Studien spezialisiert. “Ich habe in zahlreichen transdisziplinären Kontexten gearbeitet, darunter Kunst-, historische und ethnologische Museen, und mit einer Vielzahl von Akteur*innen aus den Bereichen Wissenschaft, Kunst, Aktivismus und Kulturerbe”, berichtet Julia Binter.
Ein Schwerpunkt ihrer akademischen und kuratorischen Arbeit ist es, die kolonialen Verflechtungen von Museen und ihren Sammlungen zu analysieren und innovative Wege zu entwickeln, um die verschiedenen Formen der Wissensbildung mit und über Museumssammlungen in Dialog zu bringen. “Museen verstehe ich als eine wirkmächtige Form unter vielen Praktiken des Kulturerbes”, sagt die Argelander-Professorin. Sie untersucht daher auch im weiteren Sinne, wie Menschen sich mit Dingen – verstanden als Bilder, Artefakte, Körper und Umwelt – auseinandersetzen, um sich auf die Vergangenheit zu beziehen, die Gegenwart zu gestalten und mögliche Zukunftsvisionen zu entwickeln.
Weg nach Bonn
Julia Binter, studierte Kultur- und Sozialanthropologie sowie Theater-, Film- und Medienwissenschaften an der Universität Wien und an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris. Danach promovierte sie an der University of Oxford. Dazu war sie Wiener-Anspach-Fellow an der Université libre de Bruxelles. Sie war kuratorische Assistentin in der Afrika-Abteilung des Weltmuseums Wien und Curatorial Fellow der Kulturstiftung des Bundes an der Kunsthalle Bremen, wo sie die Ausstellung „Der blinde Fleck. Bremen und die Kunst in der Kolonialzeit“ kuratierte. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Provenienzforschung zu Sammlungen aus kolonialen Kontexten arbeitete sie am Ethnologischen Museum/Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin, bevor sie den Ruf auf die Argelander-Professur für Kritische Museums- und Heritage Studien an der Universität Bonn annahm. Sie ist stellvertretende Direktorin des Global Heritage Lab, Mitbegründerin des transdisziplinären Forschungsnetzwerks „Colonial Ports and Global History” am The Oxford Research Centre in the Humanities, Mitglied weiterer Netzwerke und Vereinigungen, hat zahlreiche Ausstellungen und Film-Festivals kuratiert und umfangreich publiziert.
Die Argelander-Professur
Das Ziel der Argelander-Professuren für Nachwuchsforschende (benannt nach dem Bonner Astronomen Friedrich Wilhelm August Argelander, 1799-1875) ist es, das Forschungsprofil der sechs Transdisziplinären Forschungsbereiche der Universität Bonn auszubauen. Hier bearbeiten Forschende über die Grenzen von Fächern und Fakultäten hinweg gemeinsam zukunftsrelevante Fragestellungen.