Birke Häcker hat außer in Deutschland viele Jahre in Großbritannien (Oxford) studiert und gelehrt. “Da ich gerne zwischen den beiden ganz unterschiedlichen Rechtswelten hin- und herwechsle, forsche ich auch intensiv zum englischen Recht und überhaupt zum Common Law”, berichtet die Wissenschaftlerin: “Daher kommt ursprünglich meine Passion für die Rechtsvergleichung.” Sie hat immer Systeme mit ganz unterschiedlichen historischen Hintergründen und gewachsenen Charakteristika im Blick, vor allem die deutsche, die englische und die französische Rechtstradition. Vor ihrem Wechsel an die Universität Bonn hatte die Wissenschaftlerin den Lehrstuhl für Rechtsvergleichung an der Universität Oxford inne und leitete bis Ende 2022 das dortige Institute of European and Comparative Law.
Im Zentrum der neuen Schlegel-Professur stehen gleich mehrere Kernanliegen. Aus der historischen und vergleichend-dogmatischen Perspektive möchte Birke Häcker das jeweils bestmögliche Verständnis des deutschen und englischen Privatrechts ergründen. Sie sieht sich auch als Brückenbauerin zwischen den Rechtswelten im Sinne einer Vermittlung zwischen den unterschiedlichen Traditionen, Institutionen und Rechtskulturen. Darüber hinaus möchte sie von der Exzellenz-Universität Bonn aus weiter zum Diskurs rund um das neu entstehende und von ihr bereits mitgeprägte Gebiet des “Comparative Common Law” beitragen. Dabei geht es um einen internen Vergleich der in vielen englischsprachigen Ländern vorherrschenden Rechtssysteme, die sich außer auf Gesetze besonders stark auf maßgebliche richterliche Urteile der Vergangenheit stützen.
Verschiedene Rechtsordnungen, unterschiedliche Ergebnisse
In ihrer Forschung zur Rechtsvergleichung findet die Schlegel-Professorin besonders spannend, dass verschiedenen Rechtsordnungen nicht selten zu - jedenfalls nominell - ganz unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Ein Beispiel: Das hierzulande vorherrschende Prinzip, dass eine deliktische Haftung schon fast begriffsnotwendig ein eigenes Verschulden des in Anspruch genommenen voraussetze, sodass also etwa Eltern für ihre Kinder - entgegen der landläufigen Meinung - nicht automatisch, sondern nur bei Verletzung ihrer Aufsichtspflicht hafteten, sei eine deutsche Besonderheit. “Andere Rechtsordnungen haben einen anderen Ansatz”, sagt Prof. Häcker. Im französischen Recht gebe es mittlerweile schon länger eine strenge Elternhaftung, die auch aus versicherungsrechtlicher Sicht keine Probleme bereite. Ähnlich verhalte es sich vielfach mit der Arbeitgeberhaftung für drittschädigendes Fehlverhalten von Arbeitsnehmern. “Das führt uns lebhaft vor Augen, dass wir die vertraute eigene Rechtsordnung nicht als Maß aller Dinge behandeln können und sollen.” Die Rechtsvergleichung zeige immer wieder wunde Punkte auf und weise manchmal zugleich den Weg hin zu möglichen Reformen.
Birke Häcker ist Alumna der Universität Bonn. “Ich habe die besten Erinnerungen an meine Studienzeit hier”, sagt sie. “Mich reizt die Perspektive, das Institut für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung gemeinsam mit meiner kürzlich ebenfalls neu berufenen Kollegin Susanne Gössl in die Zukunft zu führen und international zu vernetzen.” An der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät herrsche eine hohe Dynamik, eine echte Aufbruch-Stimmung. “Die Universität hat im Rahmen ihrer Exzellenzstrategie die neuen Schlegel-Professuren gut ausgestattet und das Konzept, mit dem ich angetreten bin, von Anfang an sehr unterstützt.” Dies alles eröffne wunderbare wissenschaftliche Perspektiven und Spielräume.
Die neue Schlegel-Professorin möchte am Institut für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung ein neues internationales Besuchsprogramm aufbauen, um herausragende Rechtswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus aller Welt an die Universität Bonn zu holen. Darüber hinaus spielt die Lehre für sie eine zentrale Rolle: “Wir bilden die künftige Generation an Juristinnen und Juristen für die Herausforderungen von morgen aus”, sagt sie. In der globalen Welt komme es zunehmend darauf an, sich mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Systemen auszutauschen.
Weg an die Universität Bonn
Birke Häcker studierte an den Universitäten Tübingen, Oxford und Bonn Jura. Am All Souls College der Universität Oxford gewann sie 2001 ein begehrtes Examination Fellowship, welches ihr die Promotion in Oxford und eine erste Tätigkeit als „Lecturer“ ermöglichte. Die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und das Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen in München waren weitere wissenschaftliche Stationen. In der bayerischen Landeshauptstadt absolvierte sie auch ihre zweite Juristische Staatsprüfung. 2016 folgte Birke Häcker einem Ruf auf den Lehrstuhl für Rechtsvergleichung an der Universität Oxford. Ab 2018 leitete sie dort das Institute for European and Comparative Law. 2022 nahm die Juristin den Ruf der Universität Bonn auf die Schlegel-Professur für Bürgerliches Recht, Common Law und Rechtsvergleichung an und ist seit Anfang 2023 als Direktorin am Institut für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung tätig. Sie ist unter anderem Mitherausgeberin der Zeitschrift für Europäisches Privatrecht und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter eine Ehrendoktorwürde der Universität Stockholm, eine Ehrenmitgliedschaft als Honorary Bencher der Lincoln’s Inn-Vereinigung in London und den alle paar Jahre von der LMU München verliehenen Therese von Bayern-Preis.