Sklaverei auf dem amerikanischen Kontinent oder in der Antike prägten bisher den Diskurs der Sklavereiforschung. Der Exzellenzcluster Bonn Center for Dependency and Slavery Studies (BCDSS) der Universität Bonn verlässt mit seinen Forschungsbeiträgen diesen Pfad und erweitert die Perspektive inhaltlich, räumlich und zeitlich. Denn Formen der Knechtschaft und erzwungener Arbeit müssen nicht zwangsläufig mit dem Schlagwort Sklaverei verknüpft sein. „Asymmetrische Abhängigkeit“ als Schlüsselbegriff des Clusters schließt verschiedenste Ausprägungen von menschlicher Ausbeutung ein, zum Beispiel Zwangsarbeit, Schuldknechtschaft oder Leibeigenschaft.
Das personelle Herzstück der Forschung im Exzellenzcluster bilden die vier Professuren. „Ich freue mich wirklich sehr, dass wir nun alle vier Stellen besetzt haben. Es ist uns gelungen, vier herausragende Forscherinnen und Forscher für unseren Cluster zu gewinnen“, sagt Prof. Dr. Stephan Conermann, Sprecher des Exzellenzclusters. „Wir alle sehen der Zusammenarbeit mit großer Freude und Spannung entgegen. Gemeinsam werden wir den Forschungsverbund weiter vorantreiben und die Basis für eine erneute Förderung legen.“
„Der Exzellenzcluster trägt mit seinem Themenschwerpunkt deutschlandweit ein Alleinstellungsmerkmal und ist ein wichtiger Pfeiler für die Geisteswissenschaften an der Universität Bonn“, sagt Rektor Prof. Dr. Dr. h. c. Michael Hoch. „Die neu berufenen Kolleginnen und Kollegen werden mit ausgezeichneten Beiträgen in Forschung und Lehre den Cluster exzellent und nachhaltig stärken.“
Alle vier Professuren haben Postdoktoranden in ihrem Team und werden Promotionen innerhalb des BCDSS und darüber hinaus betreuen. Ihre Lehre wird den Kern der beiden Masterstudiengänge „Dependency and Slavery Studies“ und „Slavery Studies“ bilden.
Sklaverei und Abhängigkeiten aus unterschiedlichen Perspektiven
Prof. Dr. Claudia Jarzebowski wird ihre BCDSS-Professur im September antreten. In ihrer aktuellen Forschung konzentriert sie sich auf die Global- und Geschlechtergeschichte der Frühen Neuzeit, befasst sich dabei auch mit der Geschichte von Abhängigkeiten und Versklavung sowie der Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft. Zuvor beschäftigte sie sich mit sozial- und kulturgeschichtlichen Fragestellungen der Frühen Neuzeit, der Geschichte von Kindern und Emotionen in der Zeit von 1450 bis 1800 sowie mit der historischen Gewalt- und Kriminalitätsforschung.
Prof. Dr. Pia Wiegmink wird ihre BCDSS-Professur ebenfalls im September antreten. Sie interessiert sich für kulturelle Praktiken und Narrative der amerikanischen Sklaverei und Abhängigkeit im 19. Jahrhundert sowie deren transatlantische Verflechtungen und Zirkulation. In früheren Forschungsprojekten untersuchte sie US-amerikanische Literatur zur Abschaffung der Sklaverei (Abolitionismus) in spezifischen transnationalen Kontexten und beleuchtete die Rolle von Frauen als Produzentinnen, Subjekte und Rezipientinnen von abolitionistischer Literatur.
Prof. Dr. Julia Hillner, die ihre Stelle im Oktober antreten wird, ist bereits als Heinz-Heinen-Fellow am BCDSS beschäftigt. Sie untersucht vor allem den Wandel von Familie und Haushalt in der Zeit zwischen 300 und 750 n. Chr. und wie sich dieser in Rechtsnormen und -praktiken niederschlägt. Darüber hinaus beschäftigt sie sich mit einer Reihe verwandter Themen, zum Beispiel Familie und Besitz im städtischen Raum, insbesondere im spätantiken Rom, oder Fragen der Autorität, Hierarchie und Disziplin innerhalb des Haushalts, und wie diese die Bestrafung durch den Staat in der Spätantike beeinflusst haben.
Prof. Dr. Christoph Witzenrath ist seit 2017 Professor am BCDSS. Seine Forschungsschwerpunkte sind die eurasische Steppe und ihre Nachbarn sowie der Einfluss von Nomaden-Siedler-Beziehungen und Sklavenhandel auf soziale Abhängigkeiten und politische Repräsentation. Sein Ziel ist es, die strukturellen und kulturellen Besonderheiten der eurasischen Gesellschaften zu analysieren, die durch eine große Kluft zwischen dem Staat und den abhängigen sozialen Gruppen gekennzeichnet sind.