Was erzählen Textilien wie beispielsweise grobe Leinen- oder feine Seidenstoffe, Arbeits- und Haushaltswäsche oder Kleidung verschiedener Stile über unterschiedliche Formen von Abhängigkeit wie etwa Versklavung, Leibeigenschaft, Zwangsarbeit oder aktuell die Fabrikarbeit im Globalen Süden? Wie sind soziale, ökonomische, religiöse und machtpolitische Hierarchien, dadurch etablierte Abhängigkeitsverhältnisse und gegen Letztere gerichteter Widerstand mit der Produktion, Distribution und Nutzung von Textilien verflochten? Welche Arten von Abhängigkeit prägen globale Handelswege und Warenketten von Textilien und deren Rohstoffen? Und warum beschäftigen sich heute an der Universität Bonn Forschende verschiedener Disziplinen wie Archäologie, Geschichte sowie Kultur-, Kunst-, Literatur- und Religionswissenschaft mit solchen Fragen?
Im Stil einer „Quilt-Erzählung“ beleuchtet die digitale Ausstellung „Verstrickt und verwoben: Texturen der Abhängigkeit“ diese und weitere Fragen aus unterschiedlichen Perspektiven. Durch die Übertragung des literarischen Stilmittels auf das Medium Ausstellung entsteht eine multimediale Erzählung. Das Stilmittel wurde von afroamerikanischen Schriftstellerinnen, insbesondere von Alice Walker, entwickelt. Es geht auf eine textile Technik zurück, bei der viele kleine Stoffstücke unterschiedlicher Herkunft, etwa von ausrangierter Kleidung oder den Resten größerer Stücke, zu einem großen Ganzen vernäht werden. Die verschiedenen Stoffteile bilden nicht nur kunstvolle Muster, sondern sie stehen zugleich für einzelne Personen und/oder Ereignisse aus deren Leben. Dabei werden vielfältige Bezüge zwischen einzelnen Exponaten und den von ihnen repräsentierten Themen hergestellt. In der Ausstellung lernen die Besucherinnen und Besucher beispielsweise, welchen Zusammenhang es zwischen Kleidung und sozialen Gruppen im antiken Griechenland oder zwischen dem Dirndl und transatlantischer Sklaverei in der frühen Neuzeit gab. Dank der Zusammenarbeit mit dem Bonn Center for Digital Humanities gewinnen sie über „augmented reality“-Stationen auch tiefere Einblicke in die koloniale Indigo-Gewinnung auf karibischen Plantagen.
Die Ausstellung ist bis zum 20. Dezember im Lesesaal der Hauptbibliothek der ULB, Adenauerallee 39-41, zu sehen. Der Zutritt ist frei.
Die Ausstellung ist eine Kooperation zwischen dem Bonn Center for Dependency and Slavery Studies, dem Bonn Center for Digital Humanities und der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn der Universität Bonn.
Der Exzellenzcluster Bonn Center for Dependency and Slavery Studies
„Asymmetrische Abhängigkeit“ – mit diesem neuen Schlüsselkonzept bietet der Exzellenzcluster Bonn Center for Dependency and Slavery Studies (BCDSS) einen neuen Zugang zur Sklaverei- und Abhängigkeitsforschung. Untersucht werden alle Formen tiefer sozialer Abhängigkeiten wie Sklaverei, Leibeigenschaft, Schuldknechtschaft sowie weitere Formen permanenter Abhängigkeiten. Dabei ist der Blick offen für alle Epochen, Regionen und Kulturen sowie alle Schattierungen zwischen „frei“ und „unfrei“. Mit seiner erweiterten Perspektive öffnet der Exzellenzcluster die Abhängigkeitsforschung für ganz neue transkulturelle Perspektiven und Vergleiche.