Reinhard Genzel erhält die Auszeichnung gemeinsam mit der US-amerikanischen Astronomin Andrea Ghez für die Entdeckung eines supermassereichen kompakten Objekts im Zentrum unserer Galaxie, der Milchstraße. Sie teilen sich die Hälfte des diesjährigen Nobelpreises für Physik, die andere Hälfte geht an den britischen Physiker Roger Penrose für die Entdeckung, dass schwarze Löcher eine robuste Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie sind. Der Preis ist mit zehn Millionen schwedischen Kronen (umgerechnet rund 950.000 Euro) dotiert und wird traditionell am 10. Dezember überreicht, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel.
Reinhard Genzel gilt als einer der weltweit führenden Forscher auf dem Gebiet der Infrarot- und Submillimeter-Astronomie. Gemeinsam mit Andrea Ghez entdeckte er, dass ein unsichtbares und extrem schweres Objekt die Umlaufbahnen von Sternen im Zentrum unserer Galaxie bestimmt. Astronomen nennen die Region „ Sagittarius A*“. Ein supermassives „Schwarzes Loch“ ist die einzige derzeit bekannte Erklärung. Genzel und Ghez haben Methoden entwickelt, um mit den größten Teleskopen der Welt durch die riesigen Wolken aus interstellarem Gas und Staub bis zum Zentrum der Milchstraße sehen zu können. „Ihre Pionierarbeit hat uns den bisher überzeugendsten Beweis für ein supermassives Schwarzes Loch im Zentrum der Milchstraße geliefert“, heißt es in der Würdigung, die die Schwedische Akademie der Wissenschaften heute herausgegeben hat.
Der Rektor der Universität Bonn, Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Hoch, gratuliert Reinhard Genzel zu seiner hohen Auszeichnung: „Der Nobelpreis ist die höchste Form der Anerkennung, die unser Wissenschaftssystem kennt. Wir Bonner sind stolz, dass einer unserer Alumni in diesem Jahr zum Kreis der Geehrten gehört. Herr Genzel hat seine Ausbildung als Physiker in Bonn absolviert und hier auch ersten akademischen „Sporen“ verdient.“ Ein Teil des Glanzes seiner Auszeichnung strahle so auch zurück nach Bonn.
Schwarze Löcher sind ein aktuelles Forschungsthema
Im Jahr 1978 wurde Reinhard Genzel an der Universität Bonn promoviert. Betreut wurde er dabei von Prof. Dr. Peter Mezger vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR). Für seine Dissertation nutzte Genzel auch das vom Institut betriebene 100-Meter-Teleskop im Eifelort Effelsberg. Die Schwarzen Löcher beschäftigen die Bonner Forschenden bis heute: Mehrere Gruppen des MPI waren an einer der größten Wissenschaftssensationen des Jahres 2019 beteiligt. Im Rahmen des Projekts „Event Horizon Telescope“ gelang der erste „Schnappschuss“ eines supermassereichen Schwarzen Lochs. Über 30 Wissenschaftler aus allen drei Direktorengruppen des MPIfR waren als Mitglieder des internationalen Projektteams an der Entdeckung beteiligt.
„Unglaublich detaillierte und präzise Arbeit“
Dr. Gunther Witzel, der am Max-Planck-Institut für Radioastronomie tätig ist, hat sechs Jahre in der Forschungsgruppe von Andrea Ghez in Los Angeles gearbeitet und mit ihr und Reinhard Genzel an Studien des Galaktischen Zentrums gearbeitet. Er sagt: „Dies ist eine Anerkennung der unglaublich detaillierten und präzisen Arbeit, die von beiden Gruppen am Max-Planck-Institut in Garching und an der Universität von Kalifornien/Los Angeles (UCLA), über viele Jahre gemacht wurde. In der Zeit am UCLA konnte ich unmittelbar verfolgen, wie schwierig das Ringen um das Verständnis der Daten und um die Interpretation nicht nur zu Fragen des Schwarzen Lochs ablief. Die beiden Gruppen haben sich förmlich gegenseitig überboten in der Entwicklung der Mess- und Auswertungsmethoden, und das Ergebnis spricht Bände.“
Auch Prof. Dr. Frank Bertoldi, der am Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn, lehrt und forscht, kennt den neuen Nobelpreisträger aus vielen persönlichen Kontakten und gemeinsamer Forschungsarbeit: „Herr Genzel ist ein hervorragender und sehr zielstrebiger Wissenschaftler, der sein Team immer zu Höchstleistungen antreibt. Viele exzellente Köpfe sind aus seinem Umfeld hervorgegangen. Dass er eines Tages den Nobelpreis bekommen würde, war absehbar. Das wird ihn aber auch in Zukunft nicht daran hindern, mit Hochdruck weiterzuforschen.“
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Frank Bertoldi
Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn
Tel. 0228/73-6789
E-Mail: bertoldi@astro.uni-bonn.de