Für seine neue Tätigkeit hätte Prof. Mutters sich keine herausfordernde Zeit aussuchen können. „Trotz aktuell stark ansteigender Infektionszahlen ist die COVID-19-Krise bisher in Deutschland vergleichsweise glimpflich abgelaufen, obwohl wir uns initial eher abgeschottet und auf uns selbst konzentriert haben, anstatt stärker auf internationalen Austausch und Kooperation zu setzen. Verständlich, aber global hat COVID-19 nicht vor Grenzen Halt gemacht“, sagt der neue Institutsdirektor, der sich zumindest europaweit eine Vereinheitlichung und Koordination der Vorgehensweise wünscht. Einen Fehler, der auch nicht unsere Lebensrealität widerspiegele, sieht er beispielsweise darin, dass jedes Land seine eigene Corona-App hat. „Eine solche Warn-App hätte auf Europaebene entwickelt werden müssen. Das wäre nicht nur viel effektiver, sondern auch kostengünstiger“, konstatiert Prof. Mutters. Auf der anderen Seite sieht er eine Gefahr in der derzeit steigenden Zahl multiresistenter Erreger, da in der Corona-Krise aufgrund der Angst vor Begleiterkrankungen Antibiotika verstärkt ungezielt gegeben werden. „Anders als COVID-19 wird das Problem trotz Warnung der Weltgesundheitsorganisation WHO medial und in der Öffentlichkeit nicht wirklich wahrgenommen. Doch ohne neue Antibiotika werden MRE ein langfristiges Problem bleiben“, sagt der neue Institutsdirektor.
Querschnittsgedanke – Chance Infektionskrankheiten einzudämmen
Das Forschungsgebiet von Prof. Mutters ist die Transmissionsdynamik von Infektionserregern, die von vielen Wechselwirkungen in unserer auch global zunehmend vernetzten Welt abhängt. Eine wachsende Weltbevölkerung, steigende Mobilität, schwindende Lebensräume, industrielle Landwirtschaft und intensivierte Nutztierhaltung spielen bei den Verbreitungsketten zwischen Mensch, Tier und Umwelt eine entscheidende Rolle. Daraus entspringt der One Health-Gedanke: Mediziner, Veterinäre und Umweltwissenschaftler arbeiten im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen fächerübergreifend zusammen. „Krankheitserreger kennen keine Grenzen. Bisher sind wir aber meist zu fokussiert auf Einzelpunkte wie beispielsweise das Eindämmen von MRE auf Intensivstationen. Dabei werden aber die Vernetzungen übersehen, wie die Einweisung durch den Hausarzt, die Nachsorge im Altenpflegeheim und das persönliche Umfeld. Hier in Bonn dagegen gibt es vielversprechende Bausteine – wie das BMBF-Verbundvorhabens HyReKA zu Antibiotika-Resistenzen im Wasserkreislauf oder das regionale MRE-Netzwerk – einer systemischen Herangehensweise auf die ich aufbauen kann“, sagt Prof. Mutters.
„Wir dürfen nicht in Konkurrenz denken, sondern in Kooperation.“
Neben der starken klassischen Hygiene reizt den neuen Institutsdirektor an Bonn die einzigartige Ausrichtung bezüglich öffentlicher Gesundheit. „Sauberes Wasser ist ein dauerhaftes Thema, mit hoher Priorität nicht nur für Schwellenländer“, erinnert Prof. Mutters daran, dass das Bonner Hygiene-Institut unter anderem WHO Kollaborationszentrum für Wassermanagement und Risikokommunikation ist. „Bereits mein Vorgänger hat nicht auf einzelne Systeme bezogen, sondern über Grenzen gedacht. Diesen Gedanken möchte ich hier in Bonn weiterleben und ausbauen. Das ist politisch zwar zuweilen schwierig, aber eine große Chance“, sagt Prof. Mutters, der den Standort Bonn gerade auch in Bezug auf internationale Forschungsprojekte für die Herausforderungen der Zukunft gut aufgestellt sieht. Er möchte die einzelnen Fäden innerhalb des Instituts aufgreifen und durch sektionsübergreifende Zusammenarbeit zu einem festen Tau verknüpfen: „Wir müssen uns noch weiter öffnen und mit anderen Einrichtungen auf dem Campus Venusberg und der Universität Bonn kooperieren.“ Dies alles spiegelt sich für Prof. Mutters auch in den Anforderungen an die Ausbildung im Fach Hygiene wieder: „Wir haben hier etwas vergeben. Da dürfen wir nicht länger länderweit oder fachbezogen denken. Zukünftige Hygiene-Ärzte müssen etwas von globaler und öffentlicher Gesundheit verstehen“, sagt der neue Institutsdirektor, der hier auch auf den Studiengang Global Health am Universitätsklinikum Bonn hinweisen möchte.
Hygiene ist wie ein Puzzle von vielen kleinen Mosaiksteinen
Ihn selbst fasziniert die Vielfältigkeit des Faches Hygiene. Zur Problemlösung müsse ein Hygieniker überkuppelnd denken und alle Seiten – auch politische und kulturelle – im Austausch mit anderen Experten wie Veterinären und Epidemiologen betrachten. „Um eine Infektionskrankheit einzudämmen, müssen viele kleine Mosaiksteine zu einem Gesamtbild zusammengesetzt werden“, so Professor Mutters.
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. med. Nico T. Mutters
Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit
Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/ 287-15520
E-Mail: Nico.Mutters@ukbonn.de