„Für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Universität Bonn ist es essenziell, Spitzenpositionen in der Wissenschaft zu besetzen“, betonte Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Hoch. „Deshalb sind wir sehr glücklich, dass wir ganz herausragende, international anerkannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für die ersten ,High profile‘-Exzellenzprofessuren nach Bonn an die Universität rekrutieren konnten. Sie werden über ihre Arbeitsgruppen hinaus einen wertvollen Beitrag leisten, unsere Fakultäten und Transdisziplinären Forschungsbereiche exzellent weiterzuentwickeln.“
Erste Hertz-Professur in den Transdisziplinären Forschungsbereichen
Große gesellschaftliche Herausforderungen und die damit zusammenhängenden komplexen Fragen kann keine wissenschaftliche Disziplin allein beantworten. Ein Gedanke, den die Universität Bonn im Zuge der Exzellenzförderung vor rund zwei Jahren zum Anlass nahm, sechs uniweite sogenannte Transdisziplinäre Forschungsbereiche (Transdisciplinary Research Areas, TRA) einzurichten.
Herzstück des fakultätsübergreifenden Konzepts sind die nach dem Bonner Physiker Heinrich Hertz (1857-1894) benannten Hertz-Professuren. Sie werden mit renommierten Forschenden besetzt, die in ihrem jeweiligen Fachgebiet führend sind und das Profil der Transdisziplinären Forschungsbereiche schärfen. Die Professorinnen und Professoren erhalten 4,2 Millionen Euro für sieben Jahre und damit einen großen Gestaltungsspielraum, um neue Forschungsfelder zu etablieren, Disziplinen miteinander zu verbinden und wichtige Impulse zu setzen.
Interdisziplinäre Erforschung des Lebens – Ethikerin Christiane Woopen
Mit der Ethikerin Christiane Woopen ist nun die erste Hertz-Professur besetzt – angesiedelt im Transdisziplinären Forschungsbereich „Individuen, Institutionen und Gesellschaften“. In den Mittelpunkt ihrer Forschung, Lehre und Beratung wird Woopen das Leben stellen sowie die Bedingungen für seine Entfaltung und sein Gelingen. „Technologisierung, Ökonomisierung, Ökologisierung und Globalisierung setzen das individuelle und gesellschaftliche Leben unter großen Veränderungs- und Gestaltungsdruck“, sagt sie. Am neuen „Center for Life Ethics“ möchte sie diese vier Dynamiken und die damit zusammenhängenden ethischen Aspekte transdisziplinär erforschen.
„Wir sind stolz und froh, dass wir Frau Prof. Woopen gewinnen konnten, denn sie wird unseren Transdisziplinären Forschungsbereich in besonderer Weise verstärken“, betont TRA-Sprecher Prof. Dr. Thomas Dohmen. „Mit ihrer Forschung zu ethisch und rechtlich relevanten Aspekten gesellschaftlicher Probleme und Herausforderungen, die nur unter Einbeziehung unterschiedlicher Disziplinen aus den Geistes- und Sozialwissenschaften sowie den Lebenswissenschaften beantwortet werden können, wird sie eine Verbindung zwischen den verschiedenen Forschungsfeldern schaffen.“
Die Hertz-Professur ist dabei auf enge Kooperationen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus anderen Fachdisziplinen angelegt – darunter die Ökonomie, Ökologie, Medizin, Informations- und Kommunikationstechnologien, Kulturwissenschaften, Philosophie, Soziologie, Theologie und Recht. Die Ethik dient dabei als verbindende Querschnittsperspektive. Zusammen mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Stakeholdern möchten Woopen und ihre Forschungsgruppe zudem Lösungsperspektiven für aktuell drängende Herausforderungen entwickeln.
„Das interdisziplinäre Arbeiten begleitet mich schon seit der Studienzeit“, sagt die Humanmedizinerin und Philosophin Christiane Woopen. „Die Universität Bonn bietet mir und meinem Team großartige Bedingungen dafür, zusammen mit Menschen aus vielen anderen Wissenschaften und aus der Gesellschaft etwas dazu beizutragen, die Komplexität des individuellen und gesellschaftlichen Lebens in einer Zeit vielfältiger Herausforderungen besser zu verstehen und nachhaltig zu gestalten.“
Schlegel-Professuren in der Landwirtschaftlichen Fakultät und Katholisch-Theologischen Fakultät
Mit den Schlegel-Professuren, benannt nach dem Bonner Philologen August Wilhelm Schlegel (1767-1845), richtet die Universität Bonn ebenfalls hochkarätige Lehrstühle im Zuge der Exzellenzförderung ein. Die „Schlegel Chairs“ werden von den Fakultäten in Fächern besetzt, die zu den forschungsstarken Schwerpunkten oder den Entwicklungsbereichen gehören.
Welternährung und nachhaltige Landwirtschaft – Agrarökonom Matin Qaim
Mit Matin Qaim als Schlegel-Professor für Ökonomischen und Technologischen Wandel gewinnt die Landwirtschaftliche Fakultät einen weltweit anerkannten Agrarökonomen. Er wird gleichzeitig neuer Leiter des Zentrums für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn und tritt damit am 1. Oktober die Nachfolge von Prof. Dr. Joachim von Braun an.
„Herr Prof. Qaim ist in einzigartiger Weise geeignet, Forscherinnen und Forscher aus der Landwirtschaftlichen Fakultät, dem Zentrum für Entwicklungsforschung und anderen Fakultäten der Universität zusammenzubringen“, sagt Prof. Dr. Thomas Heckelei, Dekan der Landwirtschaftlichen Fakultät. „Vor allem die in seiner Forschung sichtbare Verbindung der Ernährung mit der Produktion von Lebensmitteln kann die gegenwärtig noch teilweise fragmentierten Forschungsaktivitäten zu Kernfragen nachhaltiger Ernährungssysteme entscheidend voranbringen.“
Matin Qaims interdisziplinäre Arbeiten beschäftigen sich mit Fragen der Welternährung und der nachhaltigen Landwirtschaft vor dem Hintergrund knapper natürlicher Ressourcen. Unter anderem analysieren er und seine Forschungsgruppe Fragen der Armut und Ernährungsunsicherheit und die zugrunde liegenden sozioökonomischen Ursachen. Darüber hinaus bewertet Qaim die Auswirkungen der Agrarpolitik und anderer nationaler und internationaler Rahmenbedingungen auf Wohlstand und Verteilung. Er hat bereits Forschungsprojekte in vielen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas durchgeführt und verfügt über ein weltweites Netzwerk von Kooperationspartnern. Mit seiner Forschung möchte er dazu beitragen, Wissen zu generieren, das für die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung nützlich ist.
„Bonn bietet ein hervorragendes Umfeld für globale Nachhaltigkeitsforschung und internationale Entwicklungspolitik“, sagt Qaim zur neuen Berufung. „Ich freue mich sehr darauf, zukünftig an der Exzellenzuniversität tätig zu sein.“ Die Berufung trägt auch zur Profilbildung im Transdisziplinären Forschungsbereich „Innovation und Technologie für eine nachhaltige Zukunft“ bei.
Komparative Theologie mit dem Schwerpunkt Islam – Theologe Klaus von Stosch
Eine weitere Schlegel-Professur besetzt Klaus von Stosch als weltweit anerkannter Experte in der komparativen Theologie mit dem Schwerpunkt Islam. Er gilt als eine der maßgeblichen Stimmen in der internationalen katholischen Systematischen Theologie. In globaler Perspektive spielen Religionen für die Bewältigung der großen sozialen, kulturellen, politischen und ökologischen Herausforderungen eine große Rolle. Als wissenschaftlicher „Brückenbauer“ bearbeitet Klaus von Stosch große ethische, gesellschaftliche und politische Fragen im interreligiösen und interkulturellen Gespräch.
„Mit der Schlegel-Professur für Systematische Theologie unter besonderer Berücksichtigung gesellschaftlicher Herausforderungen ergreift die Katholisch-Theologische Fakultät eine große Chance“, betont Dekan Prof. Dr. Dr. Jochen Sautermeister. „Herr Prof. von Stosch genießt einen exzellenten Ruf. Als ausgewiesener Experte im Bereich der komparativen Theologie, insbesondere im Gespräch mit dem Islam, wird er unsere Fakultät und die Universität mit seinem Forschungsfeld und seiner Schwerpunktbildung verstärken.“
Klaus von Stosch ist in der europäischen, angloamerikanischen und islamischen Welt bestens vernetzt. „Ich freue mich auf die neue Aufgabe in Bonn und möchte gern einen Beitrag dazu leisten, die Universität im Bereich der Theologie noch stärker mit internationaler Spitzenforschung zu vernetzen“, sagt von Stosch. „Gerade meine komparatistische Forschung im Gespräch der Religionen kann helfen, die gesellschaftliche Relevanz der Theologie sichtbarer zu machen.“ Die neue Professur steht in enger Verbindung zum Transdisziplinären Forschungsbereich „Individuen, Institutionen und Gesellschaften“.
Kurzlebensläufe der Berufenen
Christiane Woopen studierte Humanmedizin und Philosophie in Köln, Bonn und Hagen. Vor ihrem Wechsel an die Universität Bonn war sie Geschäftsführerin des interfakultären Zentrums CERES, Professorin für Ethik und Theorie der Medizin sowie Leiterin der Forschungsstelle Ethik an der Universität zu Köln. In den letzten Jahren war sie Mitglied zahlreicher internationaler Expertengruppen, zuletzt als Vorsitzende der Europäischen Ethikrats (European Group on Ethics in Science and New Technologies), der die Europäische Kommission berät, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Präsidentin des 11th Global Summit of National Ethics/Bioethics Committees, Mitglied des International Bioethics Comitee der UNESCO und Co-Sprecherin der Datenethikkommission der deutschen Bundesregierung. Woopen ist Mitglied der Academia Europaea, der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Im Jahr 2017 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet. Christiane Woopen ist Mitglied des Exzellenzclusters ECONtribute der Universitäten Bonn und Köln.
Matin Qaim startete seine akademische Laufbahn mit einem Diplom in Agrarwissenschaften an der Universität Kiel. Seine Promotion am Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn zum Thema „Potentielle Auswirkungen der Pflanzenbiotechnologie in Entwicklungsländern“ schloss er im Jahr 2000 ab. Danach forschte er als Postdoc an der University of California in Berkeley, USA und habilitierte 2003 an der Universität Bonn im Fach Agrar- und Entwicklungsökonomie. Ein Jahr später nahm er einen Ruf an die Universität Hohenheim als Professor für internationalen Agrarhandel und Ernährungssicherung an. 2007 folgte er dem Ruf an die Universität Göttingen, wo er mehrere Verbundforschungsprojekte zu Fragen der nachhaltigen Landwirtschaft und Ernährungssicherung als Sprecher initiierte und leitete. Für seine wegweisenden Arbeiten hat er zahlreiche Ehrungen und Preise erhalten. Im Jahr 2018 wurde er zum Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina gewählt, 2019 erhielt er die höchste Auszeichnung der US-Amerikanischen Agrarökonomie. Im Juli dieses Jahres wurde er zum zukünftigen Präsidenten der wissenschaftlichen Fachgesellschaft der Weltagrarökonomen IAAE (International Association of Agricultural Economists) gewählt.
Klaus von Stosch studierte Katholische Theologie, Philosophie und Wirtschaftspolitik an der Universität Bonn und an der Universität Freiburg in der Schweiz. 2001 promovierte er in Dogmatik an der Universität Bonn und habilitierte sich danach an der Universität Münster im Fach Fundamentaltheologie. Vor seiner Berufung nach Bonn war er Professor für Katholische Theologie (Systematische Theologie) und ihre Didaktik an der Universität Paderborn und stand dort dem von ihm gegründeten international renommierten Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften vor. Internationale Forschungsaufenthalte führten von Stosch an das Center for the Study of World Religions der US-amerikanischen Harvard Divinity School, an die Georgetown University und an die University of Religions and Denominations im iranischen Qom. Seine Veröffentlichungen wurden neben dem Englischen in mehrere europäische und außereuropäische Sprachen übersetzt. Seine Arbeiten sind durch verschiedene Preise international ausgezeichnet.
Video vom Empfang im Rektorat |