„Die Einwerbung dieser renommierten Förderungen ist ein toller Erfolg für die Medizinische Fakultät und das Universitätsklinikum Bonn“, sagt Prof. Dr. Bernd Weber, Dekan der Medizinischen Fakultät und kommissarischer Vorstandsvorsitzender des UKB. Dies sei auch insofern besonders, dass beide Kollegen sowohl wissenschaftlich als auch klinisch tätig sind und zeigen, dass dies in Kombination möglich ist. „Genau dies ist unser Ziel bei der Förderung unserer Advanced Clinician Scientists, worüber wir Herrn Sommerauer im BMBF-geförderten ACCENT Programm gewinnen konnten“, so Weber weiter. „Beide Projekte fallen zudem inhaltlich exzellent in unsere Forschungsschwerpunkte. Ich gratuliere beiden sehr herzlich.“
Foundation Models als Schlüsseltechnologie
Die radiologische Bildgebung hilft, Krankheiten zu diagnostizieren und ihren Verlauf zu überwachen. Die Zahl solcher Untersuchungen steigt, während der Zeitdruck in der klinischen Versorgung wächst. Prof. Dr. Philipp Vollmuth, Sektionsleiter für Computational Radiology & Clinical AI (CCIBonn.ai) an der Klinik für Neuroradiologie und Co-Direktor am Zentrum für Medizinische Datennutzbarkeit und Translation (ZMDT), will dieser Herausforderung mit künstlicher Intelligenz (KI) begegnen. Für sein Projekt „AI-Next“ erhält er einen ERC Consolidator Grant in Höhe von 2,5 Millionen Euro für die nächsten fünf Jahre.
„Mit AI-Next gehen wir einen wegweisenden neuen Schritt“, sagt Vollmuth. „Wir entwickeln ein KI-Basismodell (Foundation Model), das neue Maßstäbe für die Anwendung künstlicher Intelligenz in der Radiologie setzen soll und sich wie ein erfahrener Arzt ein grundlegendes `Verständnis´ aus einer großen Menge an Bilddaten aneignet.“ Das Modell soll dabei aus einer breiten und vielfältigen Datenbasis von mehreren Millionen radiologischen Bildern selbstständig lernen, Strukturen und Muster in den Bildern zu erkennen. „Zunächst konzentrieren wir uns auf die Bildgebung des Gehirns, da diese ein hochkomplexes und datenintensives Feld ist“, sagt der Wissenschaftler. Die Methodik, die Sprachmodellen wie ChatGPT ähnelt, lasse sich jedoch auf alle Bereiche der Radiologie übertragen.
Prof. Vollmuth, der Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich „Life & Health“ an der Universität Bonn ist, will das Potenzial dieser Modelle systematisch untersuchen: von der Verbesserung der Bildqualität über die automatisierte Erkennung und Quantifizierung kritischer Befunde – etwa bei Hirnblutung oder Schlaganfall – bis hin zur präziseren Diagnostik bei chronischen Erkrankungen wie Multipler Sklerose oder Alzheimer. Die KI soll auch helfen, die Krankheitsverläufe von Krebspatienten besser vorherzusagen und radiologische Befunde zu automatisieren. In AI-Next baut der Wissenschaftler auf seiner Beteiligung an Forschungsinitiativen zu Foundation Models wie dem Human Radiome Project (THRP) auf und arbeitet eng mit einer Vielzahl von nationalen und internationalen Partnern zusammen, darunter dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).
Dr. Philipp Vollmuth hat seit April eine Else Kröner CS-Professur für Künstliche Intelligenz in der Medizinischer Bildgebung am UKB inne. Zuvor arbeitete er am Universitätsklinikum Heidelberg, wo er sich auch habilitierte. Er war Gastprofessor an der University of California San Francisco und an der University of Ulsan College of Medicine in Seoul. Er wurde mit zahlreichen Förderpreisen ausgezeichnet und absolvierte einen MBA an der IE Business School in Madrid.
Frühe Diagnose von Parkinson
Die Parkinson-Krankheit wird meist erst dann erkannt, wenn bereits deutliche motorische Störungen auftreten und viele Nervenzellen untergegangen sind. “Dann ist es zu spät, um wirksame Therapien zu identifizieren, die den Krankheitsverlauf verlangsamen oder stoppen könnten”, sagt Privatdozent Dr. med. Michael Sommerauer. “Deshalb ist es so wichtig, die Krankheit früher zu erkennen – noch bevor Symptome auftreten, die die Alltagsfunktionen stören.” Das Projekt „Re-Start PD“ soll helfen, Parkinson frühzeitig zu erkennen, den frühen Verlauf besser zu verstehen und damit neue Therapien zu entwickeln. Der ERC fördert das Vorhaben in den nächsten fünf Jahren mit fast 2,5 Millionen Euro.
Der Wissenschaftler ist über ein Advanced Clinician Scientist Stipendium der Medizinischen Fakultät der Universität nach Bonn gekommen. In der Klinik für Parkinson, Schlaf- und Bewegungsstörungen am Zentrum für Neurologie des UKB ist er für das Schlaflabor zuständig und untersucht dort als Schwerpunkt Schlafstörungen als Warnsymptom für Parkinson. “Bei bestimmten Personen ist die REM-Schlaf-Verhaltensstörung eine Vorstufe von Parkinson”, sagt Sommerauer. Er bietet hierfür auch eine eigene Sprechstunde für Betroffene an und konnte mit weiteren Ärztinnen und Ärzten aus Holland und Österreich über eine Million EU-Gelder einwerben, um Parkinson durch mehr Bewegung vorzubeugen. “Der ERC reiht sich damit also sehr gut in meine bisherige Tätigkeit ein”, sagt der Forscher. Ziel ist ein Früherkennungssystem für Parkinson mit einer Tablet-App für große Bevölkerungsgruppen. Hierfür kooperiert er eng mit weiteren Forschenden aus Bonn, München, Marburg, Oxford und Boston.
Michael Sommerauer arbeitete in den vergangenen sechs Jahren an der Uniklinik Köln im Fachbereich Neurologie und habilitierte sich über “Schlaf-Wach-Störungen bei Morbus Parkinson”. Dort bewarb er sich um den ERC Consolidator Grant, den er nun in Bonn bekommt. Zuvor war der Mediziner am Aarhus University Hospital und am UniversitätsSpital Zürich. Sein Medizinstudium absolvierte er an der RWTH Aachen.
ERC Consolidator Grants
Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) fördert mit seinem Consolidator Grant jährlich exzellente etablierte Forschende, die eine hohe wissenschaftliche Qualität auf internationalem Niveau vorweisen. Ziel des Grants ist es, bestehende unabhängige Forschungsteams zu festigen und deren wissenschaftliche Arbeit zu konsolidieren. Weitere Informationen gibt es unter https://erc.europa.eu/apply-grant/consolidator-grant