Paradoxerweise beginnt die Entwicklung von heißen Sternen in einigen der kältesten Bereiche des Universums, nämlich in dichten Wolken aus Gas und Staub, die ganze Galaxien durchziehen. „Um die Frühphasen der Sternentstehung zu untersuchen, in denen sich Gas allmählich verdichtet, um schließlich Sterne zu produzieren, müssen wir diese Bereiche zunächst finden“, sagt Sophia Stuber, Doktorandin am Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg und Erstautorin des Forschungsartikels. „Dafür vermessen wir gewöhnlich die Strahlung bestimmter Moleküle, die besonders häufig in diesen sehr kalten und dichten Zonen vorkommen.“ Astronominnen und Astronomen greifen dafür gewöhnlich auf Moleküle wie HCN (Blausäure oder Cyanwasserstoff) und N2H+ (Diazenylium) als chemische Sonden zurück.
Moleküle als chemische Sonden
Das große Beobachtungsprogramm SWAN (Surveying the Whirlpool at Arcsecond with NOEMA) ermöglichte den Forschenden nun, diese Messungen über einen weiten Bereich in einer anderen Galaxie vorzunehmen – bisher waren sie auf unsere Milchstraße beschränkt. Mit dem Northern Extended Millimeter Array (NOEMA), einem Radiointerferometer in den französischen Alpen, will das SWAN-Team die Verteilung der Strahlung von mehreren Molekülen in den inneren 20.000 Lichtjahren der Whirlpool-Galaxie (Messier 51) studieren. Zu den 214 Stunden Beobachtungszeit aus diesem Programm kommen noch etwa 70 Stunden aus anderen Beobachtungskampagnen mit dem 30-Meter-Einzelteleskop in Südspanien hinzu, die die Daten ergänzen.
Prof. Dr. Frank Bigiel vom Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn ist einer der Projektleiter von SWAN: „Die Spektrallinien der unterschiedlichen Moleküle erlauben uns gezielt Rückschlüsse auf die physikalischen Bedingungen des Gases zu ziehen, beispielsweise auf die Gasdichten. Damit können wir im Detail untersuchen unter welchen Bedingungen im interstellaren Medium sich in Galaxien neue Sterne bilden können. Zum ersten Mal können wir nun über große Bereiche einer Galaxie solche Untersuchungen vornehmen – und das in einer bisher unerreichten Auflösung, so dass wir auch einzelne Sternentstehungsgebiete unterscheiden können.“
Gaseigenschaften hängen von der Umgebung ab
In der jetzt veröffentlichten Studie haben die Forschenden sich auf die Moleküle Cyanwasserstoff und Diazenylium konzentriert. Da wir diese Galaxie in einer Entfernung von nur rund 28 Millionen Lichtjahren sehen, lassen sich sogar Merkmale einzelner Gaswolken in so unterschiedlichen Bereichen wie dem Zentrum und den Spiralarmen untersuchen. „Diesen Umstand nutzten wir, um herauszufinden, wie gut die beiden Gase die dichten Wolken in dieser Galaxie für uns aufspüren, und ob sie gleich gut dafür geeignet sind“, erklärt Stuber.
Während die Intensität der Strahlung von Cyanwasserstoff und Diazenylium über die Spiralarme hinweg in gleichem Maße ansteigt und abfällt und somit gleich gute Ergebnisse für die Bestimmung der Gasdichte liefert, finden die Astronominnen und Astronomen im Zentralbereich der Galaxie eine deutliche Abweichung. Im Vergleich zum Diazenylium steigt die Helligkeit der Emission des Cyanwasserstoffs dort stärker an. Es scheint dort also offenbar einen Mechanismus zu geben, der den Cyanwasserstoff zusätzlich zum Leuchten anregt, das Diazenylium aber nicht. Das Team vermutet, dass der aktive galaktische Kern in der Whirlpool-Galaxie dafür verantwortlich sein könnte. Dabei handelt es sich um eine energiereiche Zone rund um das zentrale massereiche Schwarze Loch. Bevor das Gas in das Schwarze Loch fällt, bildet es eine Scheibe aus, wird auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt und durch Reibung auf Tausende Grad aufgeheizt. Dabei sendet es intensive Strahlung aus. Diese könnte in der Tat teilweise für eine zusätzliche Emission der Cyanwasserstoff-Moleküle sorgen. „Was aber genau den Unterschied der beiden Gase ausmacht, müssen wir noch erforschen“, ergänzt Dr. Eva Schinnerer, Forschungsgruppenleiterin am MPIA und ebenfalls SWAN-Projektleiterin.
Eine Herausforderung, die sich lohnt
Es scheint also, dass zumindest im Zentralbereich der Whirlpool-Galaxie Diazenylium die zuverlässigere Dichtesonde gegenüber Cyanwasserstoff ist. Leider leuchtet es dafür bei gleicher Gasdichte im Durchschnitt fünfmal schwächer, was den Messaufwand erheblich steigert. Die benötigte zusätzliche Empfindlichkeit wird durch eine deutlich längere Beobachtungszeit erkauft.
„Unserer Grundfrage, wie Sterne gebildet werden, sind wir mit diesen Untersuchungen wieder ein Stück nähergekommen“, sagt Professor Bigiel, der Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich „Matter“ der Universität Bonn ist. „Wir können unsere Daten nun mit Beobachtungen über Sternentstehungsaktivitäten zusammenbringen und zu einem Gesamtbild zusammensetzen.“ So könnten langfristig Fragen beantwortet werden wie beispielsweise: Wie dicht muss das Gas sein, damit Sterne entstehen und was sind die besten „Sonden“, bzw. Moleküle, um dieses Gas in Galaxien aufzuspüren?