Die jungen Frauen, die in der Ausstellung zu sehen sind, unterscheiden sich stark hinsichtlich ihres Geburtsortes, sozioökonomischen, familiären und kulturellen Hintergrundes, ihrer Konfession, anschließender Karriere sowie ihres Schicksals während der Shoah. Verbunden waren sie jedoch durch den gemeinsamen Wunsch zu studieren und die Tatsache, dass ihr Leben mit der Einführung des „Numerus-Clausus-Gesetzes“ fundamental verändert wurde, da ihre Möglichkeiten und Lebensentscheidungen stark eingeschränkt wurden. Die Ausstellung hebt die enormen Hürden hervor, die den jungen Frauen in den Weg gestellt wurden, zeigt aber gleichzeitig auf, welche Beiträge sie in modernen Bereichen wie Psychologie, Fotografie, Reformpädagogik, modernem Tanz und Kunst geleistet haben – sowohl innerhalb als auch außerhalb Ungarns.
Die Ausstellung war erstmals in der 2b Gallery in Budapest im August 2021 zu sehen und wurde nun vom Exzellenzcluster Bonn Center for Dependency and Slavery Studies (BCDSS) für das Frauenmuseum Bonn übernommen. Sie basiert auf dem Forschungsprojekt „Academic antisemitism, women’s emancipation, and Jewish assimilation“ von Judith Szapor (McGill University, Montreal), welches von dem Canadian Social Sciences and Humanities Research Council finanziert wurde.
Historischer Hintergrund
Im September 1920 wurde in Ungarn das Gesetz XXV von 1920 „Zur Regulation von Einschreibungen an Universitäten, technischen Universitäten, der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und Schulen“ erlassen – das sogenannte „Numerus-Clausus-Gesetz“ stellte die erste Instanz antisemitischer Gesetzgebungen im Europa zwischen den Weltkriegen dar. In einer Ära des wiederkehrenden Ethnonationalismus in Mittel- und Osteuropa waren Universitäten die Schlachtfelder für Konflikte zwischen den traditionellen und modernen Eliten, den liberal-demokratischen und illiberalen Ideologien sowie der antisemitischen Gewalt an Universitäten von Polen bis Österreich, Rumänien und sogar der Tschechoslowakei.
Das „Numerus-Clausus-Gesetz“ verletzte das liberale Prinzip der gleichen Staatsbürgerschaft: es setzte die Gleichberechtigung der Jüdinnen in Ungarn, die 1867 etabliert wurde, außer Kraft und begrenzte die Quote der jüdischen Studentinnen an Universitäten auf sechs Prozent bis zum Ende des zweiten Weltkrieges. Das Gesetz schloss weiterhin alle linksorientierten Studentinnen – und für einen Teil der 1920er sogar alle Frauen – von den Universitäten aus. In Verbindung mit dem offiziellen Antisemitismus der Zwischenkriegszeit führte es auch zur „Auswanderung“ von ungarisch-jüdischen Studentinnen an Universitäten und Kunstakademien (einschließlich des Bauhauses) in Österreich, Deutschland, Italien und der Tschechoslowakei bis in die mittleren bis späten 1930er-Jahre.